gelegt, mit feuchten, traurigen Augen den Weg entlangzustarren. Das war ziemlich krankend fur George, der einen hohen Preis fur Fey und ihren Stammbaum bezahlt hatte. Es sah aus, als musse er auf die in drei Monaten zu erwartende nachste Generation warten, bis er einen eigenen Hund haben wurde. Jean war daruber anderer Meinung. Sie mochte Fey gern, fand aber, da? ein Hund genuge.
Nur Jennifer Anne war sich noch nicht ganz klar, ob ihr die Kolonie gefiel. Das war jedoch kaum uberraschend, denn sie hatte bisher nichts von der Welt gesehen au?er den Kunststoffwanden ihres Bettchens und hatte noch kaum eine Ahnung, da? es einen Ort wie die Kolonie gab.
George Greggson dachte nicht oft an die Vergangenheit; er war zu sehr mit Planen fur die Zukunft beschaftigt, zu sehr durch seine Arbeit und seine Kinder in Anspruch genommen. Es kam selten vor, da? seine Gedanken durch die Jahre zu jenem Abend in Afrika zuruckwanderten, und er sprach nie mit Jean daruber. In gegenseitigem Einvernehmen wurde dieses Thema vermieden, und seit jenem Tage hatten sie trotz wiederholter Einladungen nie wieder die Familie Boyce besucht. Sie riefen Rupert mit immer neuen Ent schuldigungen mehrmals in jedem Jahr an, und in letzter Zeit hatte er sie in Ruhe gelassen. Seine Ehe mit Maja schien zur Uberraschung aller noch immer gut zu gehen.
Eine Folge jenes Abends war, da? Jean jedes Verlangen verloren hatte, sich mit den Ratseln an den Grenzen der bekannten Wissenschaft zu befassen. Das einfaltige und unkritische Staunen, das sie zu Rupert und seinen Experimenten hingezogen hatte, war vollig verschwunden. Vielleicht war sie uberzeugt worden und bedurfte keiner weiteren Beweise mehr. George zog es vor, sie nicht zu fragen. Vielleicht hatten auch ihre Mutterpflichten solche Interessen aus ihrem Geist verbannt.
George wu?te, da? es keinen Zweck hatte, sich uber ein Ratsel Gedanken zu machen, das nie gelost werden konnte, und doch erwachte er bisweilen in der Stille der Nacht und grubelte. Er entsann sich seines Zusammentreffens mit Jan Rodricks auf dem Dach von Ruperts Haus und der wenigen Worte, die er mit dem einzigen menschlichen Wesen gesprochen hatte, das erfolgreich dem Verbot der Overlords getrotzt hatte. Nichts im Reich des Ubernaturlichen, dachte George, konnte unheimlicher sein als die einfache wissenschaftliche Tatsache, da?, obwohl fast zehn Jahre seit seinem Gesprach mit Jan verstrichen waren, jener weit entfernte Reisende jetzt erst um wenige Tage alter geworden war.
Das Universum war ungeheuer gro?, aber diese Tatsache erschreckte ihn weniger als dessen Geheimnisse. George war kein Mensch, der lange uber solche Dinge nachdachte, doch bisweilen kam es ihm vor, als waren die Menschen wie Kinder, die sich auf einem abgeschlossenen Spielplatz belustigten, beschutzt vor den harten Wirklichkeiten der Au?enwelt. Jan Rodricks hatte sich gegen diesen Schutz emport und war ihm entflohen, niemand wu?te wohin. Aber in dieser Sache stand George vollig auf Seiten der Overlords. Er hatte nicht den Wunsch, das zu sehen, was in der unbekannten Finsternis lauerte, jenseits des kleinen Lichtkreises, den die Lampe der Wissenschaft warf.
„Wie kommt es“, beklagte sich George, „da? Jeff immer irgendwo anders ist, wenn ich zufallig zu Hause bin? Wo ist er heute hin?“
Jean sah von ihrer Strickerei auf, einer vorweltlichen Beschaftigung, die neuerdings mit viel Erfolg wieder aufgenommen war.
Solche Moden kamen und gingen auf der Insel ziemlich schnell. Das Hauptergebnis dieser seltsamen Laune war, da? die Manner jetzt alle vielfarbige Pullover geschenkt bekamen, viel zu warm, um sie bei Tage zu tragen, aber nach Sonnenuntergang ganz nutzlich.
„Er ist mit einigen Freunden nach Sparta hinuber“, erwiderte Jean. „Er hat versprochen, zum Essen zuruck zu sein.“
„Ich bin eigentlich nach Hause gekommen, um zu arbeiten“, sagte George nachdenklich, „aber es ist ein schoner Tag, und ich glaube, ich gehe selbst zum Schwimmen hinaus. Was fur einen Fisch soll ich dir mitbringen?“
George hatte nie irgend etwas gefangen, und die Fische in der Lagune waren viel zu schlau, um sich fangen zu lassen. Jean wollte gerade auf diese Tatsache hinweisen, als die Stille des Nachmittags durch einen Ton zerrissen wurde, der noch in diesem friedlichen Zeitalter dazu angetan war, das Blut erstarren zu lassen und einen Angstschauer durch das Gehirn zu jagen.
Es war das an- und abschwellende Geheul einer Sirene, die ihr Gefahrensignal in konzentrischen Kreisen aufs Meer hinaussandte.
Seit fast hundert Jahren hatte sich hier in der brodelnden Finsternis tief unter dem Grunde des Ozeans der Druck vermehrt. Obwohl die Unterwasserschlucht vor geologischen Zeitaltern gebildet war, hatten sich die gemarterten Felsen nie an ihre neue Lage gewohnt. Unzahlige Male waren die Schichten zerbrochen und hatten sich verschoben, wenn das unvorstellbare Gewicht des Wassers ihr empfindliches Gleichgewicht storte. Jetzt waren sie bereit, sich wieder zu bewegen.
Jeff untersuchte die Felsbuchten an dem schmalen Strand von Sparta, eine Beschaftigung, die er unendlich interessant fand. Man wu?te nie, was fur exotische Geschopfe man hier finden wurde. Es war ein Marchenland fur jedes Kind, und im Augenblick gehorte es ihm ganz allein, denn seine Freunde waren auf die Berge hinaufgestiegen.
Der Tag war still und friedlich. Kein Windhauch regte sich, und selbst das standige Murmeln am Fu? der Klippe hatte sich zu einem dumpfen Unterton gema?igt. Eine blendende Sonne hing in halber Hohe am Himmel, aber Jeffs mahagonibrauner Korper war jetzt vollig unempfindlich gegen ihre Angriffe.
Der Strand war hier ein schmaler Sandstreifen, der steil zur Lagune abfiel. Wenn Jeff in das glasklare Wasser hinunterblickte, konnte er die uberspulten Felsen sehen, die ihm ebenso vertraut waren wie irgendwelche Felsformationen an Land. Etwa zehn Meter tief wolbten sich die mit Pflanzen bewachsenen Spanten eines alten Schoners zu der Welt empor, die er vor fast zwei Jahrhunderten verlassen hatte. Jeff und seine Freunde hatten das Wrack oft untersucht, aber ihre Hoffnungen, einen verborgenen Schatz zu finden, waren enttauscht worden. Sie hatten nichts weiter erbeutet als einen mit Muscheln bedeckten Kompa?.
Da wurde der Strand auf einmal gepackt und bekam einen einzigen plotzlichen Sto?. Die Erschutterung verging so schnell, da? Jeff sich fragte, ob er es sich eingebildet habe. Vielleicht war es ein plotzlicher Schwindelanfall gewesen, denn alles um ihn her blieb vollig unverandert. Das Wasser der Lagune war unbewegt, der Himmel ohne Wolken oder drohende Anzeichen. Und dann begann etwas sehr Sonderbares zu geschehen.
Schneller als irgendeine Flut verebben konnte, wich das Wasser von der Kuste zuruck. Jeff beobachtete, tief verwundert und nicht im geringsten angstlich, wie der nasse Sand hervortrat und in der Sonne blinkte. Er folgte dem zuruckweichenden Ozean, entschlossen, sich dieses Wunder, das die Unterwasserwelt seiner Untersuchung erschlo?, zunutze zu machen. Jetzt war das Wasser so weit gesunken, da? der zerbrochene Mast des alten Wracks in die Luft ragte und die an ihm wachsenden Pflanzen schlaff herabhingen, da sie ihre Stutze durch das Wasser verloren hatten. Jeff eilte vorwarts, voll eifriger Wi?begier, welche Wunder wohl jetzt enthullt werden wurden.
Da horte er den Ton vom Felsen her. Er hatte nie etwas Ahnliches gehort, und er blieb stehen, um daruber nachzudenken, wobei seine nackten Fu?e langsam in den feuchten Sand einsanken. Ein gro?er Fisch wand sich wenige Meter entfernt im Todeskampf, aber Jeff achtete kaum darauf. Er stand aufmerksam lauschend da, wahrend das Gerausch vom Felsen her immer starker wurde.
Es war ein achzender, gurgelnder Ton, als ob ein Flu? durch einen engen Kanal stromt. Es war die Stimme der widerstrebend zuruckweichenden See, die zornig daruber war, auch nur fur einen Augenblick ihr rechtma?ig besessenes Land hergeben zu mussen. Zwischen den anmutigen Korallenzweigen hindurch, durch die verborgenen Unterwasserhohlen stromten Millionen Tonnen Wasser aus der Lagune in die Weite des Pazifiks. Sehr bald und sehr schnell wurden sie zuruckkehren.
Eine der Rettungsgruppen fand Stunden spater Jeff auf einem gro?en Korallenblock, der zwanzig Meter uber den normalen Wasserstand hinaufgeschleudert worden war. Jeff schien nicht besonders verangstigt zu sein, aber uber den Verlust seines Fahrrades war er ganz aufgebracht. Er war auch sehr hungrig, da die teilweise Zerstorung des Dammes ihn von zu Hause abgeschnitten hatte. Als er gerettet war, uberlegte er, ob er nach Athen zuruckschwimmen solle, und wenn sich die Stromung nicht vollig verandert hatte, wurde er zweifellos ohne gro?e Muhe hinubergekommen sein.
Jean und George hatten den ganzen Ablauf der Ereignisse mit angesehen, als der Tsunami die Insel traf. Obwohl die tieferliegenden Teile von Neu-Athen schwer beschadigt waren, hatte es keine Verluste an Menschenleben gegeben. Die Seismographen hatten nur funfzehn Minuten vorher ihr Warnungssignal geben