nennen konnte, war ungewi?. Sie waren unpolitisch, gingen aber auf geistige und kunstlerische Unabhangigkeit hinaus. Und wer wu?te, was sich daraus entwickeln konnte? Die Overlords konnten vielleicht die Zukunft Neu- Athens klarer voraussehen als seine Grunder, und sie mochten nicht damit einverstanden sein. Naturlich, wenn Karellen einen Beobachter, Inspektor oder wie man ihn sonst nennen wollte, zu entsenden wunschte, so war dagegen nichts zu machen. Vor zwanzig Jahren hatten die Overlords angekundigt, da? sie ihre ganzen Uberwachungsmittel ausgeschaltet hatten, so da? die Menschheit sich nicht langer beobachtet zu fuhlen brauche. Jedoch die Tatsache, da? solche Mittel noch immer vorhanden waren, bedeutete, da? den Overlords nichts verborgen bleiben konnte, wenn sie es wirklich wissen wollten.
Manche auf der Insel begru?ten diesen Besuch als eine Gelegenheit, etliche der kleineren Ratsel der Overlord-Psychologie zu losen, namlich ihr Verhaltnis zur Kunst. Betrachteten sie Kunst als eine kindische Verirrung der menschlichen Rasse? Besa?en sie selbst irgendeine Form von Kunst? War in diesem Falle der Zweck des Besuchs rein asthetisch, oder hatte Karellen weniger harmlose Beweggrunde?
All diese Angelegenheiten wurden endlos erortert, wahrend man die Vorbereitungen traf. Man wu?te nichts uber den Overlord, dessen Besuch erwartet wurde, aber man nahm an, da? er Kultur in unbegrenztem Umfang in sich aufnehmen konne. Wenigstens wurde das Experiment versucht und das Verhalten des Opfers von einer Schar sehr kluger Kopfe beobachtet werden.
Der jetzige Ratsprasident war der Philosoph Charles Yan Sen, ein ironischer, aber im Grunde heiterer Mann, noch nicht sechzig Jahre alt und daher noch in der Blute des Lebens. Plato hatte in ihm das Beispiel des Philosophen-Staatsmannes gesehen, obwohl Sen keineswegs mit Plato einverstanden war, den er im Verdacht hatte, Sokrates groblich mi?zuverstehen. Sen war einer der Inselbewohner, die entschlossen waren, den Besuch nach Moglichkeit auszunutzen, wenn auch nur, um den Overlords zu zeigen, da? die Menschen noch sehr viel Initiative besa?en und noch nicht, wie er es ausdruckte, vollig gezahmt waren.
Nichts in Neu-Athen wurde ohne eine Kommission getan, dieses letzte Merkmal der Demokratie. Tatsachlich hatte irgend jemand einmal die Kolonie als ein System von ineinandergreifenden Kommissionen bezeichnet. Aber das System funktionierte, dank der geduldigen Studien der Sozialpsychologen, die die wirklichen Grunder Neu- Athens gewesen waren. Da die Gemeinschaft nicht allzu gro? war, konnte jeder an der Verwaltung Anteil nehmen und im besten Sinne des Wortes ein Burger sein.
Es war fast unvermeidlich, da? George, als fuhrendes Mitglied der Kunstlerhierarchie, dem Empfangskomitee angehorte. Aber er traf seine Ma?nahmen. Wenn die Overlords die Kolonie studieren wollten, wunschte George sie gleichfalls zu studieren. Jean war nicht sehr glucklich daruber. Seit jenem Abend bei Rupert Boyce empfand sie eine gewisse Feindseligkeit gegen die Overlords, obwohl sie keinen Grund dafur angeben konnte. Sie wunschte nur, so wenig wie moglich mit ihnen zu tun zu haben, und fur sie war einer der Hauptanziehungspunkte der Insel die erhoffte Unabhangigkeit gewesen. Jetzt furchtete sie, da? diese Unabhangigkeit bedroht sein konne.
Der Overlord traf ganz zwanglos in einem gewohnlichen, von Menschen gebauten Flugzeug ein, zur Enttauschung derjenigen, die etwas Sensationelles erwartet hatten. Es hatte Karellen selbst sein konnen, denn niemand war jemals imstande gewesen, mit einiger Zuverlassigkeit einen Overlord von einem anderen zu unterscheiden. Sie schienen alle mit Hilfe des gleichen Pragestocks hergestellt worden zu sein. Vielleicht waren sie es sogar — durch einen unbekannten biologischen Vorgang.
Nach dem ersten Tage horten die Inselbewohner auf, dem Regierungswagen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, wenn er auf seinen Besichtigungsfahrten vorbeibrummte. Der richtige Name des Besuchers, Thanthalteresco, erwies sich fur den allgemeinen Gebrauch als zu schwierig, und er wurde bald „der Inspektor“ genannt. Das war ein recht passender Name, denn seine Wi?begier und sein Verlangen nach statistischem Material waren unersattlich.
Charles Yan Sen war ganz erschopft, als er lange nach Mitternacht den Inspektor zu dem Flugzeug zuruckbegleitet hatte, das als sein Stutzpunkt diente. Dort wurde er zweifellos die Nacht durcharbeiten, wahrend seine menschlichen Gastgeber sich der Schwache des Schlafes hingaben.
Frau Sen begru?te ihren Mann bei seiner Ruckkehr voller Sorge. Sie hingen sehr aneinander, obwohl er sie scherzhaft Xanthippe nannte, wenn sie Gaste hatten. Sie hatte vor langer Zeit gedroht, die passende Rache zu nehmen, indem sie ihm einen Schierlingsbecher braute, aber glucklicherweise war dieses Kraut im neuen Athen weniger alltaglich als im alten.
„War es ein Erfolg?“ fragte sie, als ihr Mann sich zu einer verspateten Mahlzeit niederlie?.
„Ich glaube schon, aber man kann nie sagen, was in diesen merkwurdigen Kopfen vorgeht. Er war bestimmt interessiert und machte uns sogar Komplimente. Ich habe mich ubrigens dafur entschuldigt, da? ich ihn nicht hierher eingeladen habe. Er sagte, das verstehe er durchaus, und er habe keine Lust, sich den Kopf an unserer Zimmerdecke zu sto?en.“
„Was hast du ihm heute gezeigt?“
„Die geschaftliche Seite der Kolonie, die er nicht so langweilig zu finden schien, wie ich es immer tue. Er stellte jede Frage, die du dir nur vorstellen kannst, uber Produktion, uber unser Budget, unsere Erzvorkommen, die Geburtenziffer, wie wir unsere Nahrung bekommen und so weiter. Glucklicherweise hatte ich Sekretar Harrison bei mir, und er hatte alle Jahresberichte seit Bestehen der Kolonie mitgebracht. Du hattest horen mussen, wie sie mit den Statistiken um sich warfen. Der Inspektor hat sich die Akten ausgeliehen, und ich mochte wetten, da? er, wenn wir ihn morgen sehen, uns alle Zahlen nennen kann. Ich empfinde diese Art geistiger Leistungen sehr bedruckend.“
Er gahnte und begann lustlos in seinem Essen zu stochern.
„Morgen durfte es interessanter werden. Wir besichtigen die Schulen und die Akademie. Dann werde ich zur Abwechslung einige Fragen stellen. Ich mochte wissen, wie die Overlords ihre Kinder erziehen, angenommen naturlich, da? sie uberhaupt Kinder haben.“
Diese Frage sollte Charles Sen nie beantwortet bekommen, aber in anderen Punkten war der Inspektor auffallend gesprachig. Er pflegte unangenehmen Fragen in einer Art auszuweichen, die erfreulich anzusehen war, doch dann wurde er wieder, ganz unerwartet, geradezu vertrauensselig.
Das erste wirklich intime Gesprach hatten sie, als sie von der Schule, die der Hauptstolz der Kolonie war, wegfuhren. „Es ist eine gro?e Verantwortung“, hatte Dr. Sen bemerkt, „diese jungen Gemuter fur die Zukunft zu schulen. Glucklicherweise sind menschliche Wesen widerstandsfahig. Nur eine sehr schlechte Erziehung kann dauernden Schaden anrichten. Selbst wenn unsere Ziele mi?verstanden werden, durften unsere kleinen Opfer wahrscheinlich daruber hinwegkommen. Und wie Sie gesehen haben, scheinen sie vollig glucklich zu sein.“ Er hielt einen Augenblick inne, dann blickte er verschmitzt auf die hochaufragende Gestalt seines Begleiters. Der Inspektor war vollig in ein die Sonnenstrahlen zuruckwerfendes, silberiges Gewand gehullt, so da? nicht ein Zentimeter seines Korpers dem starken Sonnenlicht ausgesetzt war. Dr. Sen bemerkte, da? die gro?en Augen hinter der gro?en Brille ihn gefuhllos beobachteten oder vielleicht auch mit Gefuhlen, die er nicht verstehen konnte.
„Unser Problem bei der Erziehung dieser Kinder mu?, nehme ich an, sehr ahnlich sein wie das Ihre, wenn Sie mit der menschlichen Rasse zu tun haben. Meinen Sie nicht auch?“
„Gewisserma?en“, gab der Overlord ernst zu. „Aber man kann vielleicht einen noch besseren Vergleich in der Geschichte Ihrer Kolonialmachte finden. Das Romische und das Britische Reich sind uns aus diesem Grunde immer sehr interessant gewesen. Der Fall Indien ist besonders lehrreich. Der Hauptunterschied zwischen uns und den Briten in Indien war, da? sie keine wirklichen Beweggrunde hatten, dorthin zu gehen — keine bewu?ten Ziele, das hei?t, abgesehen von so alltaglichen und vorubergehenden wie Handel oder Feindschaft gegen andere europaische Machte. Sie fanden sich als Besitzer eines Reiches, ehe sie wu?ten, was sie damit anfangen sollten, und waren nie wirklich glucklich, bis sie es wieder losgeworden waren.“
„Und mochten Sie“, fragte Dr. Sen, nicht imstande, dieser Gelegenheit zu widerstehen, „Ihr Reich loswerden, wenn die Zeit kommt?“
„Ohne jedes Zogern“, erwiderte der Inspektor.
Dr. Sen ging nicht weiter auf die Sache ein. Die Unumwundenheit der Antwort war nicht schmeichelhaft; au?erdem waren sie jetzt bei der Akademie angekommen, wo die versammelten Padagogen warteten, um ihre geistigen Fahigkeiten an einem wirklichen, lebenden Overlord zu scharfen.
„Wie unser hervorragender Kollege Ihnen gesagt haben wird“, bemerkte Professor Chance, Dekan an der Universitat von NeuAthen, „ist es unsere Hauptaufgabe, den Geist unserer Menschen wachzuhalten und sie zu befahigen, alle ihre Moglichkeiten zu erkennen. Au?erhalb dieser Insel“ — seine Handbewegung umschrieb die ubrige Erdkugel — „hat die menschliche Rasse, furchte ich, ihre Initiative verloren. Sie hat Frieden, sie hat