Traum, so sonderbar er sein mochte. Er war nicht mehr einsam in den Welten, die der Schlaf ihm erschlo?. Nur in jener ersten Nacht hatte sein Geist uber unbekannte Schluchten hinweg, die ihn von ihr getrennt hatten, nach Jean gerufen.
Jetzt wanderte er allein und furchtlos in das Universum hinein, das sich ihm auftat.
Am Morgen pflegten sie ihn zu fragen, und dann erzahlte er das, woran er sich erinnern konnte. Manchmal stammelte er und fand die Worte nicht, wenn er Landschaften zu beschreiben versuchte, die offenbar nicht nur jenseits all seiner Erfahrungen lagen, sondern weit uber die Einbildungskraft des Menschen hinausgingen. Dann halfen sie ihm mit neuen Wortern und zeigten ihm Bilder und Farben, um sein Gedachtnis aufzufrischen, und sie versuchten aus seinen Antworten Formen aufzubauen. Oft konnten sie mit den Ergebnissen nichts anfangen, obwohl in Jeffs eigenem Geist seine Traumwelten vollig deutlich und scharf zu sein schienen. Er war einfach unfahig, sie seinen Eltern mitzuteilen. Einige jedoch waren klar genug.
Raum. Kein Planet, keine Landschaft ringsum, keine Welt unter den Fu?en. Nur die Sterne in der samtenen Nacht und vor ihnen schwebend eine gro?e rote Sonne, die wie ein Herz schlug. Gro? und schimmernd in einem Augenblick, schrumpfte sie im nachsten langsam zusammen und wurde gleichzeitig heller, als wurde ihren inneren Feuern neuer Brennstoff zugefuhrt. Sie wanderte das Spektrum hinauf und verweilte am Rande des Gelb, und dann ging der Kreislauf ruckwarts, die Sonne dehnte sich aus, kuhlte sich ab und wurde wieder zu einer zackigen, flammend roten Wolke.
„Das typische variable Pulsieren“, sagte Raschaverak eifrig, „in einer gewaltigen Zeitbeschleunigung gesehen. Ich kann es nicht genau bestimmen, aber der nachste Stern, auf den diese Beschreibung pa?t, ist Rhamsandron 9. Oder es kann Pharanidon 12 sein.“
„Welcher es auch sein mag“, erwiderte Karellen, „das Kind entfernt sich weiter von daheim.“
„Viel weiter“, sagte Raschaverak.
Es hatte die Erde sein konnen. Eine wei?e Sonne hing an einem blauen, mit Wolken gefleckten Himmel, die vor einem Sturm dahinrasten. Ein Berg fiel sanft zu einem Ozean ab, der von dem tosenden Orkan zu Gischt zerspruht wurde. Und doch bewegte sich nichts. Das Bild war erstarrt, wie im Aufzucken eines Blitzes gesehen. Und fern am Horizont war etwas, was nicht irdisch war — eine Reihe von nebligen Saulen, die leise schwankten, als sie aus dem Meer emporstiegen und sich zwischen den Wolken verloren. Sie standen in vollig gleichen Abstanden am Rande des Planeten und waren zu riesig, um kunstlich, aber zu regelma?ig, um naturlich zu sein.
„Sideneus Vier und die Pfeiler der Dammerung“, sagte Raschaverak, und in seiner Stimme lag Ehrfurcht. „Er hat den Mittelpunkt des Universums erreicht.“
„Und er hat seine Reise erst begonnen“, erwiderte Karellen.
Der Planet war vollig flach. Seine ungeheure Schwerkraft hatte langst die Berge seiner feurigen Jugend, Berge, deren machtigste Gipfel nie mehr als wenige Meter hoch gewesen waren, zu einer gleichformigen Ebene zerdruckt. Dennoch war hier Leben, denn die Oberflache war mit einer Myriade geometrischer Linien bedeckt, die umherkrochen, sich bewegten und ihre Farbe anderten. Es war eine zweidimensionale Welt, von Wesen bewohnt, die nicht mehr als Bruchteile eines Zentimeters dick sein konnten.
Und an seinem Himmel stand eine Sonne, wie sie kein Opium esser sich in seinen wildesten Traumen hatte vorstellen konnen. Zu hei?, um wei? zu sein, war sie ein sengender Geist an den Grenzen des Ultravioletts und verbrannte ihren Planeten mit Strahlen, die fur alle irdischen Lebensformen sofort todlich gewesen waren. Uber Millionen von Kilometern rings umher dehnten sich gro?e Gas- und Dunstschleier aus, die in zahllosen Farben schillerten, wenn die Sturme des Ultravioletts durch sie hindurchrasten. Es war eine Sonne, gegen die die bleiche Sonne der Erde so schwach gewesen ware wie ein Gluhwurmchen um Mittag.
„Hexanerax Zwei und nirgends sonst im bekannten Universum“, sagte Raschaverak. „Nur eine Handvoll unserer Schiffe ist je dorthin gekommen, und niemals hat eines eine Landung versucht, denn wer hatte denken konnen, da? auf solchen Planeten Leben zu existieren vermochte?“
„Offenbar“, sagte Karellen, „seid ihr Wissenschaftler nicht so grundlich gewesen, wie ihr geglaubt hattet. Wenn diese — Linien — intelligent sind, ist es interessant zu erfahren, wie sie sich verstandigen. Ich mochte wissen, ob ihnen die Dritte Dimension bekannt ist.“
Es war eine Welt, die nie die Bedeutung von Nacht und Tag, von Jahren oder Jahreszeiten kennen konnte. Sechs farbige Sonnen teilten ihren Himmel, so da? nur ein Wechsel der Beleuchtung eintrat, niemals Dunkelheit. Durch den Zusammenprall und Kampf widerstreitender Gravitaten hindurch wanderte der Planet die Schleifen und Windungen seiner unfa?lich verwickelten Bahn entlang, ohne jemals auf den gleichen Pfad zuruckzukehren. Jeder Augenblick war einzig! Die Stellung zueinander, die die sechs Sonnen jetzt am Himmel einnahmen, wurde sich diesseits der Ewigkeit nicht wiederholen.
Und selbst hier war Leben. Obwohl der Planet von den zentralen Feuern in einem Zeitalter versengt werden und an den au?eren Grenzen in einem anderen Zeitalter erstarren mochte, gab es hier doch Intelligenz. Die gro?en, vielfacettigen Kristalle waren zu schwierigen geometrischen Mustern geformt und standen regungslos in den Zeitaltern der Kalte, wahrend sie langsam an den mineralischen Adern entlangwuchsen, wenn die Welt wieder warm war. Es kam nicht darauf an, ob sie tausend Jahre brauchten, um einen einzigen Gedanken zu denken. Das Universum war noch jung, und die Zeit dehnte sich endlos vor ihnen.
„Ich habe alle unsere Aufnahmen durchsucht“, sagte Raschaverak. „Wir wissen nichts von so einer Welt oder einer solchen Zusammenfassung von Sonnen. Wenn sie innerhalb unseres Universums existierte, hatten die Astronomen sie entdeckt, selbst wenn sie au?erhalb der Reichweite unserer Schiffe lage.“
„Also hat er die Milchstra?e verlassen.“
„Ja. Sicherlich kann es jetzt nicht mehr lange dauern.“
„Wer wei?? Er traumt nur. Wenn er erwacht, ist er noch der gleiche. Es ist nur die erste Phase. Wir werden bald genug erfahren, wann die Veranderung beginnt.“
„Wir sind uns schon fruher begegnet, Herr Greggson“, sagte der Overlord ernst. „Mein Name ist Raschaverak. Ohne Zweifel erinnern Sie sich.“
„Ja“, sagte George. „Jene Party bei Rupert Boyce werde ich kaum vergessen. Und ich nahm an, da? wir uns wiederbegegnen wurden.“
„Sagen Sie, warum haben Sie um diese Unterredung gebeten?“
„Ich denke, das wissen Sie schon.“
„Vielleicht. Aber es wird uns beiden helfen, wenn Sie es mir in Ihren eigenen Worten sagen. Es wird Sie vielleicht uberraschen, aber auch ich versuche zu verstehen, und in manchem ist meine Unwissenheit ebenso gro? wie die Ihre.“
George sah den Overlord verwundert an. Dieser Gedanke war ihm nie gekommen. Er hatte unterbewu?t angenommen, da? die Overlords alles Wissen und alle Macht besa?en, da? sie die Dinge, die Jeff geschahen, verstunden und wahrscheinlich dafur verantwortlich waren.
„Ich nehme an“, fuhr George fort, „da? Sie die Berichte kennen, die ich dem Psychologen der Insel ubergeben habe, so da? Sie uber die Traume Bescheid wissen.“
„Ja, daruber wissen wir Bescheid.“
„Ich habe nie angenommen, da? sie einfach Phantasien eines Kindes waren. Sie waren so unglaublich, da? sie — ich wei?, das klingt lacherlich — auf irgendeiner Wirklichkeit beruhen mu?ten.“
Er sah Raschaverak besorgt an und wu?te nicht, ob er auf eine Bestatigung oder eine Verneinung hoffte. Der Overlord sagte nichts und sah ihn nur mit seinen gro?en, ruhigen Augen an. Sie sa?en sich fast Auge in Auge gegenuber, denn der Raum, der offensichtlich fur solche Unterredungen entworfen worden war, hatte zwei verschiedene Fu?boden, und der machtige Stuhl des Overlords stand einen guten Meter tiefer als Georges Stuhl. Es war als freundliche Geste gedacht, beruhigend fur die Manner, die solche Zusammenkunfte erbaten und denen selten leicht ums Herz war.
„Wir waren anfangs besorgt, aber nicht wirklich beunruhigt. Jeff erschien, wenn er aufwachte, vollig normal, und seine Traume storten ihn offenbar nicht. Und dann eines Nachts.“ Er zogerte und sah den Overlord beschworend an. „Ich habe nie an das Ubernaturliche geglaubt. Ich bin kein Wissenschaftler, aber ich nehme an, da? es eine vernunftige Erklarung fur alles gibt.“
„Die gibt es“, sagte Raschaverak. „Ich wei?, was Sie gesehen haben. Ich habe es beobachtet.“
„Das habe ich immer vermutet. Aber Karellen hatte versprochen, da? Sie uns nie mit Ihren Instrumenten belauern wurden. Warum haben Sie dieses Versprechen gebrochen?“
„Ich habe es nie gebrochen. Der Oberkontrolleur sagte, die menschliche Rasse wurde nicht langer unter