ihn zu sehen. Alle Statistiken und Berichte wanderten in die unersattlichen Gedachtnisse der gro?en Rechenmaschinen, die einige der unsichtbaren Krafte hinter Karellen, aber langst nicht alle, darstellten. Noch bevor diese unpersonlichen elektrischen Gehirne jedoch zu ihren Schlu?folgerungen gekommen waren, hatte der Inspektor seine eigenen Ratschlage gegeben. In den Gedanken und der Sprache der menschlichen Rasse ausgedruckt, hatten sie etwa folgenderma?en gelautet:
„Wir brauchen keine Schritte hinsichtlich der Kolonie zu unternehmen. Es ist ein interessantes Experiment, kann aber in keiner Weise die Zukunft beruhren. Ihre kunstlerischen Bemuhungen gehen uns nichts an, und es gibt keinen Beweis dafur, da? irgendwelche wissenschaftlichen Forschungen gefahrliche Bahnen einschlagen.
Wie geplant, konnte ich die Schulberichte uber den Untertan Zero sehen, ohne Aufsehen zu erregen. Die darauf bezuglichen Statistiken sind hier angefugt, und man wird sehen, da? bisher noch keine Anzeichen einer ungewohnlichen Entwicklung zu bemerken sind. Aber wie wir wissen, kundigt sich ein Durchbruch selten vor her an.
Ich bin auch dem Vater des Untertans begegnet und hatte den Eindruck, da? er mit mir zu sprechen wunschte. Glucklicherweise vermochte ich das zu vermeiden. Ohne Zweifel argwohnt er irgend etwas, obwohl er naturlich niemals die Wahrheit erraten oder den Verlauf irgendwie beeinflussen kann.
Ich bekomme immer mehr Mitleid mit diesen Menschen.“
George Greggson hatte dem Urteil des Inspektors zugestimmt, da? Jeff nichts Ungewohnliches an sich hatte. Da war nur dieser verbluffende Vorfall, so erstaunlich wie ein vereinzelter Donnerschlag an einem langen, ruhigen Tag. Und danach — nichts mehr.
Jeff besa? die ganze Energie und Wi?begierde, die alle andern Siebenjahrigen haben. Er war intelligent, wenn er es sein wollte, war aber nicht in Gefahr, ein Genie zu werden. Bisweilen dachte Jean etwas mude, da? er vollkommen der klassischen Definition eines kleinen Jungen entsprache: Larm, von Schmutz umgeben, wobei es gar nicht so einfach war, den Schmutz zu entdecken, der sich erst betrachtliche Zeit ansammeln mu?te, bis er auf Jeffs sonnverbrannter Haut sichtbar wurde.
Abwechselnd konnte er zartlich oder murrisch sein, zuruckhaltend oder uberstromend. Er bevorzugte weder Mutter noch Vater, und die Ankunft seiner kleinen Schwester hatte keine Anzeichen von Eifersucht in ihm hervorgerufen. Seine Gesundheit war einwandfrei; er war in seinem Leben nicht einen einzigen Tag krank gewesen. Aber in diesen Zeiten und in solchem Klima war das auch nichts Ungewohnliches.
Jeff war keiner von den Jungen, die sich in Gesellschaft ihres Vaters langweilen und ihn moglichst bald verlassen, um zu Gleichaltrigen zu gehen. Offenbar hatte er die gleichen kunstlerischen Anlagen wie George, und sobald er laufen konnte, war er regelma?ig hinter den Kulissen des Theaters der Kolonie zu finden. Beinahe sah das Theater ihn als heimlichen Talisman an, und er war schon sehr geschickt darin, Beruhmtheiten von Buhne und Film, die zu Besuch kamen, Strau?e zu uberreichen.
Ja, Jeff war ein durchaus normaler Junge. Damit beruhigte sich George, wenn sie zusammen uber das ziemlich begrenzte Gebiet der Insel wanderten. Sie sprachen miteinander, wie Sohne und Vater es seit Anbeginn der Zeit getan haben, au?er da? es in die sem Zeitalter soviel mehr zu besprechen gab. Obwohl Jeff die Insel nie verlie?, konnte er durch die allgegenwartigen Augen der Bildschirme von der umgebenden Welt alles sehen, was er sehen wollte. Er empfand, wie alle Angehorigen der Kolonie, eine leise Verachtung fur die ubrige Menschheit. Die Kolonie war die Auslese, die Vorhut des Fortschritts. Sie wurde die Menschheit zu Hohen fuhren, die die Overlords erreicht hatten, und vielleicht daruber hinaus. Sicherlich nicht morgen, aber eines Tages.
Sie ahnten nicht, da? dieser Tag viel zu bald kommen wurde.
4
Die Traume begannen sechs Wochen spater. In der Dunkelheit der subtropischen Nacht schwamm George Greggson langsam aufwarts, dem Bewu?tsein entgegen. Er wu?te nicht, was ihn aufgeweckt hatte, und einen Augenblick lang lag er in verwirrter Betaubung da. Dann begriff er, da? er allein war. Jean war aufgestanden und lautlos ins Kinderzimmer gegangen.
Sie sprach leise mit Jeff, zu leise, als da? er hatte horen konnen, was sie sagte.
George schwang sich aus dem Bett, ging ihr nach, und uberlegte, was Jean gestort haben mochte.
Das einzige Licht im Kinderzimmer kam von den mit Leuchtfarbe gemalten Mustern an den Wanden. Bei ihrem matten Schimmer konnte George Jean neben Jeffs Bett sitzen sehen. Sie drehte sich um, als er hereinkam, und flusterte: „Stor Puppi nicht!“
„Was ist los?“
„Ich wu?te, da? Jeff mich brauchte. Dadurch bin ich aufgewacht.“
Die nuchterne Einfachheit dieser Erklarung rief in George ein Gefuhl banger Befurchtung hervor. ›Ich wu?te, da? Jeff mich brauchte.‹ Wie konnte sie das wissen? fragte er sich, sagte aber nur: „Hat er Alptraume gehabt?“
„Ich wei? es nicht genau“, sagte Jean. „Er scheint jetzt wieder ganz in Ordnung zu sein. Aber er war verangstigt, als ich hereinkam.“
„Ich war gar nicht angstlich, Mammi“, sagte eine kleine, em porte Stimme. „Aber es war so ein merkwurdiger Platz.“
„Was war es?“ fragte George. „Erzahle mir alles daruber.“
„Da waren Berge“, sagte Jeff vertraumt. „Sie waren sehr hoch, aber es lag kein Schnee auf ihnen, so wie auf den Bergen, die ich sonst gesehen habe. Einige von ihnen brannten.“
„Du meinst — Vulkane?“
„Nicht eigentlich. Sie brannten ganz und gar, mit merkwurdigen, blauen Flammen. Und wahrend ich sie betrachtete, ging die Sonne auf.“
„Weiter. Warum horst du auf?“
Jeff sah seinen Vater verwirrt an. „Das ist das andere, was ich nicht verstehe, Paps. Sie ging so schnell auf, und sie war viel zu gro?. Und. es war nicht die richtige Farbe. Es war so ein schones Blau.“
Ein langes Schweigen, bei dem das Herz zu frosteln begann, folgte. Dann sagte George ruhig: „Ist das alles?“
„Ja, ich begann mich einsam zu fuhlen, und dann kam Mammi und weckte mich.“
George zauste das wirre Haar seines Sohnes mit einer Hand, wahrend er mit der andern den Schlafanzug fester um sich zog. Er fuhlte sich plotzlich sehr kalt und sehr klein. Aber in seiner Stimme war nichts davon zu spuren, als er jetzt zu Jeff sagte: „Das ist nur ein dummer Traum. Du hast zum Abendbrot zuviel gegessen. Vergi? das alles, schlafe weiter und sei ein guter Junge!“
„Das will ich, Paps“, erwiderte Jeff. Er hielt einen Augenblick inne, dann fugte er nachdenklich hinzu: „Ich glaube, ich versuche, wieder dorthin zu gehen.“
„Eine blaue Sonne?“ sagte Karellen wenige Stunden spater. „Das mu? die Identifizierung sehr leicht gemacht haben.“
„Ja“, erwiderte Raschaverak. „Es ist zweifellos Alphanidon Zwei. Die Schwefelberge bestatigen das. Und es ist interessant, die Verzerrung der Zeitma?e zu beobachten. Der Planet dreht sich ziemlich langsam, er mu? also in wenigen Minuten viele Stunden beobachtet haben.“
„Das ist alles, was Sie entdecken konnen?“
„Ja, ohne das Kind unmittelbar zu fragen.“
„Das durfen wir nicht tun. Die Ereignisse mussen ohne unsere Einmischung ihren naturlichen Gang gehen. Wenn seine Eltern an uns herantreten, konnen wir ihn vielleicht fragen.“
„Sie werden wohl nie zu uns kommen, und wenn sie es tun, kann es zu spat sein.“
„Ich furchte, dagegen konnen wir nichts machen. Wir sollten nie vergessen, da? unsere Wi?begier in diesen Dingen ohne Bedeutung ist. Sie ist nicht wichtiger als das Gluck der Menschheit.“ Er streckte die Hand aus, um die Verbindung zu unterbrechen. „Sie setzen naturlich die Uberwachung fort und berichten mir alle Ergebnisse. Aber mischen Sie sich in keiner Weise ein.“
Als Jeff erwachte, schien er ganz wie immer. Dafur wenigstens, dachte George, sollten sie dankbar sein. Aber in seinem Herzen wuchs die Furcht.
Fur Jeff war es nur ein Spiel. Es hatte noch nicht begonnen, ihn zu angstigen. Ein Traum war nur ein