Uberflu?, aber sie hat keinen Horizont.“
„Aber hier, naturlich.?“ unterbrach ihn der Overlord sanft.
Professor Chance, der keinen Sinn fur Humor hatte und sich dessen irgendwie bewu?t war, sah seinen Besucher argwohnisch an. „Hier“, fuhr er fort, „leiden wir nicht an der alten Anfechtung, da? Mu?e etwas Boses ist. Aber wir sind nicht der Meinung, da? es genugt, passive Empfanger von Unterhaltung zu sein.
Jeder einzelne auf dieser Insel hat seinen Ehrgeiz, der sich sehr einfach in Worte fassen la?t. Er besteht darin, irgend etwas, so klein es auch sein mag, besser zu machen als irgendein anderer. Naturlich ist das ein Ideal, das wir nicht alle erreichen. Aber in dieser modernen Welt ist die Hauptsache, ein Ideal zu haben. Es zu erreichen ist erheblich weniger wichtig.“
Der Inspektor schien nicht geneigt, hierzu etwas zu bemerken. Er hatte die Schutzbekleidung abgelegt, trug aber noch immer die dunkle Brille, selbst in dem gedampften Licht des Versammlungsraums. Der Dekan fragte sich, ob sie notwendig oder blo?e Tarnung ware. Tatsachlich machte sie die ohnehin schwierige Aufgabe, die Gedanken des Overlords zu lesen, vollig unmoglich. Der Overlord schien jedoch keine Einwendungen gegen die etwas herausfordernden Erklarungen zu haben, die ihm vorgetragen worden waren, oder gegen die in ihnen enthaltene Kritik an der Politik seiner Rasse hinsichtlich der Erde.
Der Dekan war im Begriff, den Angriff fortzusetzen, als Professor Sperling, der Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung, beschlo?, sich als Dritter in den Kampf einzumischen. „Wie Sie zweifellos wissen, mein Herr, war eines der gro?en Probleme unserer Kultur die Spaltung zwischen Kunst und Wissenschaft. Ich mochte sehr gerne Ihre Ansicht uber diese Frage horen. Sind Sie der Meinung, da? alle Kunstler anomal sind? Da? ihre Arbeit, oder auf jeden Fall der Antrieb dazu, das Ergebnis eines tiefwurzelnden seelischen Unbefriedigtseins ist?“
Professor Chance rausperte sich nachdrucklich, aber der Inspektor kam ihm zuvor. „Man hat mir gesagt, da? alle Menschen in gewissem Ma?e Kunstler sind, so da? jeder fahig ist, irgend etwas zu schaffen, wenn auch nur in einem primitiven Stadium. Zum Beispiel ist mir gestern in Ihren Schulen aufgefallen, wieviel Wert auf den eigenen Ausdruck im Zeichnen, Malen und Modellieren gelegt wird. Der Antrieb dazu schien ganz allgemein zu sein, selbst unter denen, die offenbar bestimmt sind, wissenschaftliche Spezialisten zu werden. Wenn also alle Kunstler anomal und alle Menschen Kunstler sind, so haben wir eine interessante Schlu?folgerung.“
Alle warteten darauf, da? er den Satz vollende, aber wenn es ihren Zwecken diente, konnten die Overlords untadelig taktvoll sein.
Der Inspektor uberstand das Symphoniekonzert glanzend, was erheblich mehr war, als man von vielen der menschlichen Zuhorer sagen konnte. Das einzige Zugestandnis an den Publikumsgeschmack war Strawinskis „Psalmensymphonie“ gewesen; das ubrige Programm war aggressiv modernistisch. Wie man auch sonst daruber denken mochte — die Darbietung war hervorragend, denn der Stolz der Kolonie, einige der besten Musiker der Welt zu haben, war nicht unbegrundet. Es hatte unter den Komponisten allerhand Streit um die Ehre gegeben, in das Programm aufgenommen zu werden, obwohl einige Zyniker bezweifelten, da? es uberhaupt eine Ehre ware. Da nichts uber das Gegenteil bekannt war, schien es nicht ausgeschlossen, da? die Overlords uberhaupt kein Ohr fur Musik hatten.
Es wurde jedoch beobachtet, da? Thanthalteresco nach dem Konzert die drei Komponisten aufsuchte, die anwesend gewesen waren, und sie alle zu ihrer „gro?en Genialitat“, wie er es nannte, begluckwunschte. Das veranla?te sie, sich mit geschmeichelten, aber sehr verdutzten Mienen zuruckzuziehen.
Erst am dritten Tage hatte George Greggson Gelegenheit, dem Inspektor zu begegnen. Das Theater hatte eine Art „gemischte Platte“ angerichtet statt eines einzelnen Gerichts: zwei Einakter, einen Sketch von einem weltberuhmten Darsteller und ein Ballett. Auch diese Darbietungen wurden hervorragend durchgefuhrt, und die Prophezeiung eines Kritikers: „Jetzt werden wir wenigstens entdecken, ob die Overlords gahnen konnen“, erwies sich als falsch. Tatsachlich lachte der Inspektor mehrmals und an den richtigen Stellen.
Und doch konnte man es nicht bestimmt wissen. Vielleicht spielte er selbst eine glanzende Rolle vor und folgte der Auffuhrung nur mit der Logik, wahrend seine eigenen seltsamen Empfindungen vollig unberuhrt blieben, so wie ein Anthropologe an einem primitiven Ritus teilnimmt. Die Tatsache, da? er die angemessenen Tone hervorbrachte und die erwarteten Antworten gab, bewies in Wirklichkeit uberhaupt nichts.
Obwohl George entschlossen gewesen war, mit dem Inspektor zu sprechen, mi?lang ihm das vollig. Nach der Auffuhrung wechselten sie einige Begru?ungsworte, dann wurde der Besucher weggedrangt. Es war vollig unmoglich, ihn von seiner Umgebung abzusondern, und George ging in gro?ter Enttauschung nach Hause. Er wu?te keineswegs genau, was er sagen wollte, selbst wenn er die Gelegenheit gehabt hatte, aber irgendwie war er uberzeugt, da? er das Gesprach auf Jeff hatte bringen konnen. Und jetzt war die Gelegenheit vorbeigegangen.
Seine schlechte Laune dauerte zwei Tage. Das Flugzeug des Inspektors war inmitten vieler Versicherungen gegenseitiger Freundschaft abgeflogen. Niemand hatte daran gedacht, Jeff zu fragen, und der Junge mu?te lange uberlegt haben, ehe er sich an George wandte.
„Paps“, sagte er kurz vor dem Schlafengehen, „du kennst den Overlord, der hier zu Besuch gewesen ist?“
„Ja“, erwiderte George grimmig.
„Er war in unserer Schule, und ich horte ihn mit einigen der Lehrer sprechen. Ich habe nicht richtig verstanden, was er sagte, aber ich glaube, ich habe seine Stimme erkannt. Das ist der, der mir gesagt hat, da? ich weglaufen solle, als die gro?e Flutwelle kam.“
„Wei?t du das ganz bestimmt?“
Jeff zogerte einen Augenblick. „Nicht ganz. Aber wenn er es nicht war, so war es ein anderer Overlord. Ich uberlegte, ob ich ihm danken solle. Aber jetzt ist er weg, nicht wahr?“
„Ja“, sagte George, „das furchte ich. Aber vielleicht haben wir noch einmal eine andere Gelegenheit. Sei jetzt ein guter Junge, geh schlafen, und zerbrich dir den Kopf nicht mehr daruber.“
Als Jeff glucklich zu Bett gebracht und auch Jennifer versorgt war, kam Jean zuruck, setzte sich auf den Teppich neben Georges Stuhl und lehnte sich gegen seine Beine. Das war eine Gewohnheit, die er argerlich sentimental fand, aber es lohnte nicht, deswegen Streit anzufangen. Er machte nur seine Knie so knochig wie moglich.
„Was denkst du jetzt daruber?“ fragte Jean mit muder, bedruckter Stimme. „Glaubst du, da? es wirklich geschehen ist?“
„Es ist geschehen“, erwiderte George, „aber vielleicht ist es toricht, da? wir uns daruber Gedanken machen. Schlie?lich wurden die meisten Eltern dankbar sein, und ich bin naturlich dankbar. Die Erklarung kann ganz einfach sein. Wir wissen, da? die Overlords sich fur die Kolonie interessieren; deshalb haben sie sie zweifellos mit ihren Instrumenten beobachtet, ungeachtet des Versprechens, das sie gegeben haben. Vielleicht hat gerade einer an ihrem Fernsehgerat gedreht und hat die Flut kommen sehen. Es ware ganz naturlich, jemanden zu warnen, der in Gefahr ist.“
„Aber er kannte Jeffs Namen, vergi? das nicht. Nein, wir werden beobachtet. Es ist irgend etwas Sonderbares an uns, etwas, was ihre Aufmerksamkeit erregt. Das habe ich seit Ruperts Gesellschaft gespurt. Es ist merkwurdig, wie das unser Leben verandert hat.“
George blickte mit Sympathie, aber mit keinem anderen Gefuhl auf sie nieder. Es war sonderbar, wie sehr man sich in so kurzer Zeit verandern konnte. Er hatte sie gern. Sie hatte seine Kinder geboren und war ein Teil seines Lebens. Aber wieviel war von der Liebe, die eine nicht deutlich in Erinnerung gebliebene Person namens George Greggson einstmals fur einen entschwindenden Traum namens Jean Morrel empfunden hatte, ubriggeblieben? Seine Liebe war jetzt zwischen Jeff und Jennifer einerseits und Carolle andererseits geteilt. Er glaubte nicht, da? Jean von Carolle wu?te, und er hatte die Absicht, mit ihr daruber zu sprechen, ehe jemand anders es tat. Aber irgendwie hatte er sich nie dazu entschlie?en konnen.
„Also gut, Jeff wird beobachtet, beschutzt sollte man eher sagen. Meinst du nicht, das sollte uns stolz machen? Vielleicht haben die Overlords fur ihn eine gro?e Zukunft geplant. Ich frage mich, was das wohl sein mag.“
Er war sich bewu?t, da? er so redete, um Jean zu beruhigen. Er war selbst nicht sehr besorgt, sondern nur verwundert und erstaunt, und ganz plotzlich kam ihm ein neuer Gedanke, der ihm eigentlich schon fruher hatte einfallen mussen. Seine Augen wanderten automatisch zum Kinderzimmer. „Ich mochte wissen, ob es nur Jeff betrifft“, sagte er.
Zu gegebener Zeit legte der Inspektor seinen Bericht vor. Die Inselbewohner hatten viel darum gegeben,