Melcher nickte zustimmend.

»Ja, es ist ein wunderbarer Morgen und ein wunderbarer Fruhstuckstisch, von Melcher eigenhandig gedeckt: Waffeln, Kakao, Kaffee, Joghurt, Toastbrot, Butter, Kase, Marmelade, Eingemachtes und Wespen. Was begehrt ihr sonst noch?«

»Hast du auch die Wespen gedeckt?« fragte Johann.

»Nein, das Viehzeug ist ganz von selber gekommen. Es ist wirklich nicht zu glauben, da? wir uns auch in diesem Jahr wieder mit diesem Wespennest abplagen mussen!«

Melcher verscheuchte ein paar Wespen von dem Marmeladenglas. Aber selbst wenn Pelle mit dem wunderbarsten Welpen der Welt auf dem Arm dasa?, so war in seinem Herzen noch immer Platz fur alle anderen Tiere und Insekten unter dem Himmel, und er sagte vorwurfsvoll:

»La? meine Wespen, Papa! Die wollen doch auch im Schreinerhaus wohnen, das kannst du dir doch denken. Genau wie wir!«

Und naturlich verstand Melcher, da? man im Schreinerhaus wohnen wollte. Das verstanden sie alle.

»Es ist seltsam, wie einem diese alte baufallige Bude ans Herz gewachsen ist«, sagte Malin.

Die Hauswand in ihrem Rucken, der rote Giebel des Schreinerhauses, strahlte eine Warme aus, die nicht nur vom Sonnenschein herruhrte, meinte Malin. Sie empfand das ganze Haus beinahe als ein Lebewesen, ein sicheres und gutiges und warmes Lebewesen, das sie alle in ihre Obhut nahm.

»Baufallig – nun, das ist nur halb so schlimm«, sagte Melcher. »Die Holzverschalung mu? hier und da etwas ausgebessert werden, aber das Haus ist aus gesundem alten Kernholz. Ja, allerdings, das Dach ist schadhaft. Wenn das Haus mir gehorte, dann wurde ich es wieder herrichten und eine Wohnung daraus machen, da? euch die Spucke wegbliebe.«

Machte ich mir eine Wohnung zuau?erst im Meer und deckte das Dach neu, dachte Pelle, wahrhaftig, das ware etwas!

»Und dann dieses Grundstuck«, sagte Melcher. »So eins findet man nicht noch einmal.«

Sie sa?en da und a?en ihre Waffeln und schauten auf ihren Garten und ihr Schreinerhaus und fanden alles ganz unvergleichlich schon. Der wilde Jasmin bluhte und sandte seinen su?en Duft aus, die Heckenrosen waren ubersat mit zartrosa Knospen, der Erdboden war grun und voller Bluten wie eine Paradieswiese und wellte sich weich zum Ufer hinab bis an den Steg, wo die Mowen kreischten. O ja, es war alles unbeschreiblich schon.

»Stellt euch doch nur vor, ein einfacher Schreiner hat sein Haus so genau auf den richtigen Platz gestellt«, sagte Melcher. »Mit dem Schuppen im rechten Winkel dazu. Sieht es nicht aus, als ware alles wie von selber aus dem Boden gewachsen? Einen Hofplatz wie diesen hier, dafur hatte der Schreiner eine Medaille bekommen mussen.«

»Papa, es ist doch sicher, da? wir hier immer wohnen bleiben?« fragte Pelle. »Ich meine, jeden Sommer?«

»Aber ja, aber ja«, sagte Melcher. »Und heute kommt Mattsson, er hat angerufen und bei Nisse Grankvist Bescheid gesagt. Nun wird also endlich ein neuer Vertrag gemacht.«

Wahrend Melchersons beim Fruhstuck sa?en, machte Tjorven mit Bootsmann einen Morgenspaziergang. Sie ging zum Anlegesteg, um die Schwane zu futtern. Die kamen jeden Morgen und kriegten altes Brot von ihr, ein Schwanenvater und eine Schwanenmutter und sieben Junge, lauter kleine graue Balle. Als sie gerade da stand, kam ein gro?es Motorboot, eins, das sie nicht kannte. Es hatte drei Personen an Bord. Einer davon war dieser Mattsson, den sie schon kannte, weil er ein paarmal im Jahr kam. Aber der andere, dieser gro?e dicke Kerl mit der Schiffermutze, der das Boot lenkte, der war noch nie auf Saltkrokan gewesen und das Madchen, das dabei war, auch nicht. »Wirf die Leine ruber«, sagte Tjorven. Mattsson schleuderte sie ihr zu, und sie machte sie fest. »Sieh mal an, du bist aber tuchtig«, sagte der mit der Schiffermutze, als er an Land gesprungen war. »Das ist ja ein vorzuglicher Knoten!«

Tjorven lachte.

»Knoten? Das ist ein doppelter Halber Schlag.«

»Hm«, machte der mit der Schiffermutze. »Und wann hast du den gelernt?«

»Das konnte ich schon immer«, sagte Tjorven.

Da holte er ein blankes, ganz neues Kronenstuck aus der Tasche und schenkte es ihr. Sie starrte verblufft darauf, und dann lachelte sie ihn an. »Das ist gut bezahlt fur einen doppelten Halben Schlag.«

Jetzt horte er ihr aber nicht mehr zu und beachtete sie uberhaupt nicht mehr. »Komm, Lotta«, rief er, und das Madchen sprang an Land. Tjorven fand sie riesig fein mit den engen hellblauen langen Hosen und dem wei?en Jumper und dem schonen braunen, dauergewellten Haar. Die Gluckliche, die hatte eine Dauerwelle und war doch hochstens so alt wie Teddy. Sie sah allerdings unfreundlich aus und sagte Tjorven nicht guten Tag. Aber sie hatte einen kleinen wei?en Pudel auf dem Arm, und Tjorven sah sich nach Bootsmann um. Es ware vielleicht nett fur ihn, wenn er mal mit einem Pudel zusammenkame. Aber Bootsmann war am Ufer entlanggeschlendert und halbwegs bis zur Landzunge gelangt.

Ja, da war er eben selber schuld, denn jetzt ging Lotta mit ihrem Pudel fort. Mattsson wollte zum Schreinerhaus, das war Tjorven klar. Weshalb er diese beiden anderen mitschleppte, konnte sie nicht begreifen, und sie dachte auch nicht weiter daruber nach, folgte ihnen aber auf den Fersen, denn sie wollte ja auch dorthin und Pelle aufsuchen.

»Aha, da ist ja endlich Herr Mattsson«, sagte Melcher, als er die Besucher durch die Gartenpforte kommen sah. »Bitte, treten Sie naher, wir wollen nur eben den Tisch abraumen, dann konnen wir den Vertrag hier unterschreiben.«

Mattsson war ein kleiner, nervoser und wichtigtuerischer Herr, und er trug einen Anzug, den Malin grausig fand. Der war kariert und geradezu wunderbar ha?lich. Doch der Anzug konnte nicht allein schuld daran sein, da? sie ein ausgesprochenes Unbehagen empfand, als sie Mattsson sah und auch die beiden anderen.

Mattsson stellte seine Begleitung vor.

»Dies ist Herr Direktor Karlberg und seine Tochter … Sie wollen sich gern einmal das Schreinerhaus ansehen.«

»Das la?t sich wohl machen«, sagte Melcher. »Aber warum wollen sie das denn?«

Mattsson erklarte es ihm. Es sei namlich so, da? Frau Sjoblom das Schreinerhaus zu verkaufen gedenke. Sie sei alt und habe keine Lust mehr zu vermieten, und darum …

»Nun mal langsam«, sagte Melcher. »Ich bin hier schon Mieter, wenn ich mich nicht ganz irre. Und ich sollte heute einen neuen Vertrag unterschreiben auf ein Jahr oder wie, Herr Mattsson?«

»Das geht leider nicht«, sagte Mattsson. »Frau Sjoblom will verkaufen, dagegen ist nichts zu sagen. Wollen Sie wohnen bleiben, dann kaufen Sie doch den Besitz selbst. Das hei?t, falls Sie ein besseres Angebot machen konnen als Direktor Karlberg.«

Melcher begann zu zittern, er fuhlte, wie eine verzweifelte Wut in ihm hochstieg, die ihn fast erstickte. Wie konnte einfach jemand daherkommen und mit ein paar Worten ihm und seinen Kindern alles, aber auch alles zerstoren? Vor zwei Minuten haben sie noch hier gesessen und sind frohlich und glucklich gewesen, und im nachsten Augenblick liegt alles in Schutt und Asche und ist zu Ende. Kaufen Sie den Besitz – welch ein Hohn! Du liebe Gute, er konnte nicht einmal eine Hundehutte kaufen bei seinen Einkunften! Eine Jahresmiete zur Zeit, die konnte er zusammenkratzen, das schaffte er schon noch, und deshalb hatte er voller Zuversicht einer langen Reihe von Jahren hier im Schreinerhaus entgegengesehen. Endlich hatte er einen Platz gefunden, wo seine Kinder Wurzeln schlagen und die Sommer ihrer Kindheit verleben durften, so wie er es selbst gehabt hatte, Sommer, an die sie ihr Leben lang denken konnten. Und dann kommt da ein Mensch und sagt ein paar Worte, und alles ist zu Ende!

Er traute sich nicht, seine Kinder anzusehen. Da horte er Pelles zitternde Stimme:

»Papa, du hast aber doch gesagt, wir wurden immer hier wohnen.«

Melcher schluckte heftig. Ja, was hatte er nicht alles gesagt! Da? sie immer hier wohnen wurden! Und da? es Schlu? sein solle mit dem Geheule, das hatte er wohl auch gesagt, und da stand er nun und hatte in seiner Ohnmacht am liebsten geheult wie ein Hund. Wahrend Mattsson zwei Meter von ihm entfernt an den Mehlbeerbaum gelehnt stand und aussah, als ware dies ein ganz gewohnlicher Tag und ein ganz alltagliches kleines Geschaft.

»Wollen Sie«, sagte Melcher bitter, »wollen Sie wirklich, da? wir hier ausziehen, ich und meine Kinder?«

»Nicht gleich naturlich«, sagte Mattsson. »Wenn aber Direktor Karlberg kauft – er oder jemand anders –,

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