Beschriftung oder Firmenlogo. Aber unten an der Fahrertur sah ich eine Seriennummer in Schwarz. Und darunter stand »SSVT UNIT«.
Ich sagte: »Nein, die gehoren nicht zu mir.«
»Sind seit 'ner Stunde da«, sagte er. »Hocken blo? rum.«
Ich konnte niemanden im Van sehen; die Frontscheiben waren dunkel. Ich ging auf den Wagen zu. Ich horte das schwache Knistern eines Funkgerates. Als ich nur noch etwa drei Meter entfernt war, leuchteten die Scheinwerfer auf, der Motor sprang an, und der Van schoss an mir vorbei und den Highway hinunter.
Im Vorbeifahren konnte ich einen Blick auf den Fahrer erhaschen. Er trug einen Overall aus irgendeinem glanzenden Material, wie silbriges Plastik, und uber dem Kopf eine enge Schutzhaube, aus dem selben Material. Ich meinte zu erkennen, dass er um den Hals ein komisches, silbriges Gerat trug. Es sah aus wie eine Gasmaske, nur dass sie silbern war. Aber ich war mir nicht sicher.
Als der Wagen davonfuhr, bemerkte ich an der hinteren Sto?stange zwei grune Aufkleber, beide mit einem gro?en X. Das war das Xymos-Logo. Aber was mich wirklich stutzig machte, war das Nummernschild. Es war aus Nevada.
Der Van war von der Fertigungsanlage gekommen, drau?en in der Wuste.
Ich runzelte die Stirn. Es wurde Zeit, dass ich dem Werk da drau?en einen Besuch abstattete, dachte ich.
Ich holte mein Handy hervor und rief Tim Bergman an. Ich sagte, dass ich mich entschieden hatte und den Beraterjob annehmen wurde.
»Das ist ja prima«, sagte Tim. »Don wird sich sehr freuen.«
»Schon«, sagte ich. »Wann kann ich anfangen?«
II.
IN DER WUSTE
Das Vibrieren des Hubschraubers hatte mich schlafrig gemacht, und ich war wohl eingenickt. Ich wachte auf und gahnte, horte Stimmen in meinem Kopfhorer, lauter Mannerstimmen:
»Und, was genau ist das Problem?« Eine brummige Stimme.
»Anscheinend ist aus dem Werk Material in die Umwelt entwichen. Es war ein Unfall. Und nun sind in der Wuste etliche tote Tiere gefunden worden. In der Nahe des Werks.« Eine vernunftige, sachliche Stimme.
»Wer hat sie gefunden?« Brummbar.
»Ein paar neugierige Umweltschutzer. Sie haben die Betre-ten-verboten-Schilder ignoriert und sich in der Nahe des Gebaudes herumgetrieben. Sie haben sich bei der Firma beschwert und verlangen, das Werk uberprufen zu durfen.«
»Was wir nicht erlauben konnen.«
»Auf keinen Fall.«
»Wie losen wir das Problem?«, fragte eine zaghafte Stimme.
»Ich schlage vor, wir spielen die Gro?enordnung der Kontamination herunter und veroffentlichen Daten, die belegen, dass jede Gefahrdung auszuschlie?en ist.« Sachliche Stimme.
»Nee, verdammt, so wurd ich das nicht machen«, sagte die brummige Stimme. »Wir fahren besser, wenn wir es einfach abstreiten. Es wurde nichts freigesetzt. Ich meine, gibt es denn uberhaupt Beweise dafur, dass was freigesetzt wurde?«
»Na, die toten Tiere. Ein Kojote, ein paar Wustenratten. Vielleicht ein paar Vogel.«
»Mein Gott, in der Natur sterben dauernd irgendwelche Tiere. Ich meine, erinnert ihr euch noch an die Geschichte mit den aufgeschlitzten Kuhen? Angeblich waren Aliens mit UFOs gelandet und hatten die Viecher aufgeschlitzt. Schlie?lich kam raus, dass die Kuhe eines naturlichen Todes gestorben und die Kadaver durch das Verwesungsgas aufgeplatzt waren. Wisst ihr noch?«
»Vage.«
Zaghafte Stimme: »Wir konnen doch nicht so einfach dementieren ...«
»Quatsch, klar konnen wir das.«
»Und was ist mit den Fotos? Die Umweltschutzer haben doch Fotos gemacht, soweit ich wei?.«
»Na und? Was wird auf den Fotos schon zu sehen sein, ein toter Kojote? Niemand regt sich uber einen toten Kojoten auf. Glaubt mir. Pilot? Pilot, wo zum Teufel sind wir?«
Ich offnete die Augen. Ich sa? vorn im Hubschrauber, neben dem Piloten. Wir flogen nach Osten, mitten hinein in das grelle Licht einer tief stehenden Morgensonne. Unter meinen Fu?en sah ich meist flaches Gelande, mit niedrigen Kakteen, Wacholderbuschen und vereinzelten, durren Joshua-Baumen.
Der Pilot flog an den Stromleitungsmasten entlang, die in einer Reihe durch die Wuste marschierten, eine Stahlarmee mit ausgestreckten Armen. Die Masten warfen lange Schatten im Morgenlicht.
Ein korpulenter Mann beugte sich vom Rucksitz vor. Er trug Anzug und Krawatte. »Pilot? Wann sind wir endlich da?«
»Wir haben gerade die Grenze zu Nevada uberquert. Noch zehn Minuten.«
Der Korpulente knurrte und lehnte sich zuruck. Wir hatten uns einander vorgestellt, als wir losflogen, aber ich konnte mich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Ich warf einen Blick nach hinten auf die drei anderen Passagiere, alle in Anzug und Krawatte. Sie waren PR-Berater, die fur Xymos arbeiteten. Von ihrem Au?eren konnte ich darauf schlie?en, wem welche Stimme gehorte. Ein schlanker, nervoser Mann, der die Hande rang. Dann ein Mann im mittleren Alter, mit einer Aktentasche quer uber den Knien. Und der Dicke, alter und brummig, der offensichtlich der Chef war.
»Wieso haben die das Ding uberhaupt in Nevada gebaut?«
»Weniger Vorschriften, laschere Uberprufungen. Kalifornien legt neuen Branchen heutzutage schwere Steine in den Weg. Es hatte ein Jahr Verzogerung gegeben allein schon wegen der Umweltschutzbestimmungen. Und das Genehmigungsverfahren ist um einiges schwieriger. Also sind sie hierher gegangen.«
Brummbar blickte zum Fenster hinaus auf die Wuste. »Was fur ein gottverlassenes Loch«, sagte er. »Ist mir doch schei?egal, was hier drau?en passiert, nicht mein Problem.« Er wandte sich an mich. »Was machen Sie?«
»Ich bin Computerprogrammierer.«
»Haben Sie Schweigepflicht?« Er wollte sich vergewissern, dass ich auch nichts von dem ausplaudern wurde, was ich soeben gehort hatte.
»Ja«, sagte ich.
»Werden Sie im Fertigungswerk arbeiten?«
»Als Berater«, sagte ich. »Ja.«
»Beraten ist eine feine Sache«, stellte er fest und nickte, als ware ich ein Verbundeter. »Keine Verantwortung. Keine Haftung. Man gibt einfach seine Meinung von sich und schaut zu, wie sich keiner drum schert.«
Mit einem Knistern meldete sich die Stimme des Piloten in den Headsets. »Xymos-Molekularproduktion liegt direkt vor uns«, sagte er. »Sie konnen die Anlage schon erkennen.«
Zwanzig Meilen vor uns sah ich eine einsame Ansammlung von niedrigen Gebauden, die sich gegen den Horizont abhoben. Die PR-Leute auf den Rucksitzen beugten sich vor.
»Das ist alles?«, fragte Brummbar. »Mehr ist da nicht?«
»Es ist gro?er, als es von hier aussieht«, entgegnete der Pilot.
Als wir naher kamen, sah ich, dass die Hauser miteinander verbunden waren. Nichts sagende Betonklotze, alle wei? gestrichen. Die PR-Leute waren so erfreut, dass sie fast ap-plaudiert hatten. »He, das macht ja richtig was her.«
»Sieht aus wie ein verdammtes Krankenhaus.«
»Tolle Architektur.«
»Das gibt ein prima Foto.«?
Ich fragte: »Wieso gibt das ein prima Foto?«