gertenschlank, sportlich, blond, aufgekratzt. Sie schien einfach nicht zu altern. Sie trank eine Tasse Tee. Die Teebeutel hatte sie selbst mitgebracht. Ein besonderer biodynamischer Oolong-Tee aus einem Spezialgeschaft in San Francisco. Auch das war unverandert - Ellen war schon immer wahlerisch gewesen, was das Essen anging, schon als Kind. Seit sie erwachsen war, nahm sie stets ihren eigenen Tee, ihre eigenen Salatdressings, ihre eigenen Vitamine mit, wenn sie unterwegs war, alles schon ordentlich verpackt.
»Nein, hab ich nicht«, erwiderte ich. »Ich hab gesagt, ich wurde druber schlafen.« »Druber schlafen? Machst du Witze? Jack, du
»Bin ich nicht.«
»Du solltest was von dem Tee hier trinken«, sagte sie. »Der viele Kaffee ist schlecht fur deine Nerven.«
»Tee hat mehr Koffein als Kaffee.«
»Jack. Du
»Das wei? ich, Ellen.«
»Und eine Beratertatigkeit ... ware das nicht ideal? Die Losung fur alle deine Probleme?«
»Ich wei? nicht«, sagte ich.
»Wieso. Was wei?t du nicht?«
»Ich wei? nicht, ob die mir alles erzahlt haben«, sagte ich. »Ich meine, wenn Xymos wirklich Probleme hat, wieso hat Julia mir dann kein Wort davon gesagt?«
Ellen schuttelte den Kopf. »Ich hab den Eindruck, dass Julia in letzter Zeit uberhaupt wenig erzahlt.« Sie blickte mich an. »Also, warum hast du nicht direkt Ja gesagt?«
»Ich muss mich erst noch ein bisschen umhoren.«
»Wozu denn das, Jack?« In ihrer Stimme schwang Skepsis mit. Ellen benahm sich, als hatte ich ein psychisches Problem, das behoben werden musste. Meine Schwester fing an, mir auf die Nerven zu gehen, dabei waren wir erst zehn Minuten zusammen. Meine gro?e Schwester, die mich wieder behandelte, als ware ich ein kleines Kind. Ich stand auf. »Hor zu, Ellen«, sagte ich. »Ich arbeite seit einer Ewigkeit in dieser Branche, und ich wei?, wie sie funktioniert. Es gibt zwei mogliche Grunde, weshalb Don mich zuruckhaben will. Der erste ist, dass die Firma in der Klemme steckt und sie glauben, dass ich helfen kann.«
»Wie sie gesagt haben.«
»Richtig. Wie sie gesagt haben. Aber die andere Moglichkeit ist die, dass sie einen unglaublichen Schlamassel angerichtet haben, der sich nicht mehr beheben lasst - und dass sie das wissen.«
»Und sie brauchen einen, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben konnen?«
»Richtig. Sie brauchen einen Idioten, dem sie das anhangen konnen.«
Sie runzelte die Stirn. Ich sah, dass sie verunsichert war. »Meinst du wirklich?«
»Ich wei? es nicht, das ist ja der Haken bei der Sache«, erwiderte ich. »Aber ich muss es herausfinden.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Ein bisschen herumtelefonieren. Vielleicht morgen ein kleiner Uberraschungsbesuch bei denen da drau?en.«
»Okay. Das hort sich ganz vernunftig an.«
»Freut mich, dass ich dein Einverstandnis habe.« Ich konnte die Verargerung in meiner Stimme nicht unterdrucken.
»Jack«, sagte sie. Sie stand auf und umarmte mich. »Ich mach mir doch nur Sorgen um dich.«
»Das wei? ich«, sagte ich. »Aber du hilfst mir damit nicht.«
»Okay. Womit kann ich dir denn dann helfen?«
»Pass auf die Kinder auf, wahrend ich telefoniere.«
Als Erstes wollte ich Ricky Morse anrufen, den ich beim Pampers-Kaufen im Supermarkt getroffen hatte. Ich kannte Ricky schon lange; er war bei Xymos, und er ging locker mit Informationen um, sodass er mir vielleicht verraten wurde, was wirklich los war. Das einzige Problem war nur, dass Ricky im Valley arbeitete, und er hatte mir ja schon erzahlt, dass die Musik derzeit im Fertigungswerk spielte. Trotzdem war er meine erste Anlaufstation.
Ich rief in seinem Buro an, aber die Empfangssekretarin meldete sich: »Tut mir Leid, Mr. Morse ist nicht in seinem Buro.«
»Wann erwarten Sie ihn zuruck?«
»Das wei? ich wirklich nicht. Soll ich Sie mit seiner Mailbox verbinden?«
Ich sprach Ricky eine Nachricht auf. Dann wahlte ich seine Privatnummer.
Seine Frau kam an den Apparat. Mary promovierte gerade in franzosischer Geschichte; ich stellte mir vor, wie sie das Baby wiegte, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Scho?. Ich sagte: »Wie geht's dir, Mary?«
»Danke, gut, Jack.«
»Wie geht's dem Baby? Ricky hat mir erzahlt, ihr habt keine Probleme mit Ausschlag am Po, von der Windel. Ich bin neidisch.« Ich bemuhte mich um einen lockeren Tonfall. Nur ein privater Anruf.
Mary lachte. »Sie ist ein braves Baby, und wir hatten noch keine Kolik, Gott sei Dank. Aber Ricky ist nicht immer da«, sagte sie. »Ausschlag gab's schon bei uns.«
Ich sagte: »Ich wurde gern mit Ricky sprechen. Ist er da?«
»Nein, Jack. Er ist schon die ganze Woche nicht da. Er ist in der Fertigung in Nevada.«
»Ach ja, stimmt.« Mir fiel wieder ein, dass Ricky das im Supermarkt erwahnt hatte.
»Warst du schon mal da drau?en in diesem Werk?«, fragte Mary. Ich meinte, einen beklommenen Unterton wahrzunehmen.
»Nein, noch nie, aber .«
»Julia ist oft dort, nicht? Was erzahlt sie denn so davon?« Eindeutig besorgt.
»Na ja, nicht viel. Soviel ich wei?, haben sie eine neue Technologie entwickelt, die noch sehr geheim ist. Wieso?«
Sie zogerte. »Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein ...«
»Was denn?«
»Na, manchmal, wenn Ricky anruft, hort er sich irgendwie komisch an.«
»Inwiefern?«
»Er hat bestimmt viel um die Ohren und ist gestresst, aber er sagt manchmal merkwurdige Sachen. Ich werde oft nicht aus ihm schlau. Und er weicht mir aus. Als ob er, ich wei? nicht, was zu verbergen hatte.«
»Etwas zu verbergen .«
Sie lachte auf, als wollte sie sich entschuldigen. »Ich hab sogar schon gedacht, er hat vielleicht eine Affare. Na ja, diese Mae Chang ist auch da drau?en, und er hatte schon immer was fur sie ubrig. Sie ist so hubsch.«
Ich hatte nicht gewusst, dass Mae Chang da drau?en war. »Sie auch?«
»Ja. Ich glaube, etliche von den Leuten, die bei MediaTronics fur dich gearbeitet haben, sind zurzeit dort.«
»Hor mal, Mary«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass Ricky eine Affare hat. Das sieht ihm einfach nicht ahnlich. Und Mae auch nicht.«
»Stille Wasser sind tief«, sagte sie und meinte offenbar Mae. »Und ich stille noch, ich meine, ich hab also noch nicht abgenommen, meine Oberschenkel sind die reinsten Hammelkeulen.«
»Ich glaube nicht, dass .«
»Sie reiben beim Gehen aneinander. Man hort es sogar.«
»Mary, ich bin sicher .«
»Ist mit Julia alles in Ordnung, Jack? Sie benimmt sich nicht komisch?«
»Nicht mehr als sonst«, sagte ich, um einen Scherz zu machen.
Ich fuhlte mich mies, als ich das sagte. Seit Tagen hatte ich den Wunsch, dass jemand offen mit mir uber Julia reden wurde, aber jetzt, trotz Gemeinsamkeiten, konnte ich mich Mary nicht anvertrauen. Ich hielt den Mund. Ich sagte: »Julia hat auch ganz schon viel Stress, und sie ist manchmal ein bisschen sonderbar.«
»Hat sie schon mal was uber eine schwarze Wolke gesagt?«
»Ah ... nein.«
»Die neue Welt? Bei der Geburt der neuen Weltordnung dabei zu sein?«
Das horte sich fur mich nach Verschworungsgerede an. Wie die Leute, die sich Sorgen wegen der