wirkten eindeutig panisch. Hatten die Schwarme Angst vor dem Hubschrauber? Es sah ganz danach aus. Und wahrend ich sie beobachtete, begriff ich auch warum. Die Schwarme waren zwar jetzt schwerer und fester, aber gegen starken Wind konnten sie nach wie vor nichts ausrichten. Der Hubschrauber war gut drei?ig Meter hoch in der Luft, aber der Fallstrom war so stark, dass er die laufenden Gestalten verformte, sie teilweise flach druckte, wahrend sie flohen. Es sah aus, als wurde mit dem Hammer auf sie eingeschlagen.
Die Gestalten verschwanden in der Hohle.
Ich sah Mae. Sie stand im Flussbett und sprach uber ihr Funkgerat mit dem Hubschrauber. Sie brauchte das Funkgerat also tatsachlich. Sie rief mir zu: »Los geht's!« und kam auf mich zugelaufen. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass Bobby vom Hugel weglief, zuruck zu seinem ATV. Aber es war keine Zeit, daruber nachzudenken. Der Hubschrauber schwebte jetzt direkt uber dem Hugel. Sand wirbelte auf, brannte mir in den Augen.
Dann war Mae auch schon neben mir. Wir nahmen unsere Nachtsichtbrillen ab und zogen uns die Sauerstoffmasken uber. Mae drehte mich um und offnete das Tankventil auf meinem Rucken. Ich machte das Gleiche bei ihr. Dann setzten wir die Nachtsichtbrillen wieder auf. Jede Menge Teile klimperten und klapperten jetzt um mein Gesicht herum. Mae klemmte eine Halogentaschenlampe an meinen Gurtel und dann eine an ihren. Sie beugte sich zu mir vor und rief: »Alles klar?«
»Alles klar!«: »Okay, gehen wir!«
Zum Nachdenken blieb keine Zeit. Das war auch besser so. Der Wind vom Hubschrauber toste mir in den Ohren. Zusammen krochen wir den Hang des Hugels hoch, mit flatternder Kleidung. Wir erreichten den Rand, der im dichten, wirbelnden Sand kaum noch zu erkennen war. Wir konnten nicht sehen, was dahinter war. Wir konnten nicht sehen, was unten war. Mae nahm meine Hand, und wir sprangen.
Ich landete auf lockerem Geroll und stolperte halb rutschend auf den Hohleneingang zu. Uber uns drohnten laut die Rotorblatter des Hubschraubers. Mae war direkt neben mir, aber ich konnte sie in dem dichten Sand nicht sehen. Von den Ricky-Gestalten fehlte jede Spur. Am Hohleneingang hielten wir an. Mae holte die Thermitkapseln heraus. Sie gab mir die Magnesiumzunder und warf mir ein Plastikfeuerzeug zu. Ich dachte: Damit zunden wir die Dinger an? Ihr Gesicht war schon zum Teil hinter der beschlagenen Maske verschwunden. Die Nachtsichtbrille verbarg ihre Augen.
Sie deutete auf das Innere der Hohle. Ich nickte.
Sie tippte mir auf die Schulter, zeigte auf meine Brille. Ich verstand nicht, also griff sie neben meine Wange und betatigte einen Schalter.
»... mich jetzt?«, sagte sie.
»Ja, ich hor dich.«
»Okay, dann los.«
Wir drangen in die Hohle ein. Das grune Leuchten war im dichten Staub verschwunden. Wir hatten blo? das Infrarotlicht, das auf unsere Nachtsichtbrillen montiert war. Wir sahen keine Gestalten. Wir horten nichts au?er dem Flattern des Hubschraubers. Aber je tiefer wir in die Hohle vorstie?en, desto schwacher wurde das Gerausch.
Und mit dem Gerausch lie? auch der Wind nach.
Mae war konzentriert. Sie sagte: »Bobby? Horst du mich?«
»Ja, ich hore dich.«
»Mach, dass du herkommst.«
»Ich versuch's ja ...«
»Versuchen reicht nicht. Komm rein, Bobby.«
Ich schuttelte den Kopf. Wie ich Bobby Lembeck kannte, wurde er niemals in dieses Loch steigen. Wir kamen um die Biegung und sahen nichts als Staub in der Luft und die diffusen Konturen von Hohlenwanden. Hier waren die Wande anscheinend glatt, boten keinerlei Moglichkeit fur ein Versteck. Dann sah ich aus der Dammerung vor mir Ricky auftauchen. Er zeigte keinerlei Regung, ging einfach auf uns zu. Dann eine weitere Gestalt von links und noch eine. Die drei bildeten eine Linie. Sie kamen uns mit forschem Schritt entgegen, die Gesichter identisch und ausdruckslos.
»Erste Lektion«, sagte Mae und hielt mir eine Thermitkapsel hin.
»Hoffen wir,
Mae sagte: »Countdown drei ... zwei ... eins ... und
Ich drehte mich weg, duckte den Kopf unter den Arm, als auch schon ein blendend wei?er Ball den Tunnel erhellte. Obwohl ich die Augen geschlossen hatte, war es so grell, dass ich Punkte sah, als ich die Augen wieder offnete. Ich drehte mich um.
Mae ging schon weiter. Der Staub in der Luft war eine Spur dunkler gefarbt. Von den drei Gestalten war nichts zu sehen.
»Sind sie abgehauen?«
»Nein. Verdampft«, sagte sie. Sie klang zufrieden.
»Neue Gegebenheiten«, sagte ich. Ich fasste Mut. Falls die Programmierannahmen noch immer zutrafen, dann waren die Schwarme schwach, wenn sie auf vollig unbekannte Situationen reagieren mussten. Mit der Zeit wurden sie lernen, mit der Zeit wurden sie Strategien entwickeln, um mit den neuen Bedingungen umzugehen. Aber zu Anfang waren ihre Reaktionen desorganisiert, chaotisch. Das war eine Schwache von verteilter Intelligenz. Sie war stark, und sie war flexibel, aber sie reagierte langsam auf noch nie da gewesene Umstande.
»Hoffen wir's«, sagte Mae.
Wir erreichten das klaffende Loch im Hohlenboden, von dem Mae erzahlt hatte. Durch die Nachtsichtbrille sah ich eine Art abgeschragte Rampe. Vier oder funf Gestalten kamen auf uns zu, und hinter ihnen schienen noch mehr zu sein. Sie sahen alle aus wie Ricky, aber viele von ihnen waren nicht so gut ausgeformt. Und die hinteren waren blo? wirbelnde Wolken. Das trommelnde Gerausch wurde lauter.
»Zweite Lektion.« Mae hielt mir eine Kapsel hin. Sie zischte wei?, als ich sie entzundete. Mae rollte sie vorsichtig die Rampe hinunter. Die Gestalten zogerten, als sie sahen, was auf sie zukam.
»Verdammt«, sagte ich, doch dann musste ich mich schon wegdrehen und meine Augen vor dem Explosionsblitz abschirmen. Donnernd breitete sich das Gas im engen Gang aus. Ich spurte sengende Hitze an meinem Rucken auflodern. Als ich wieder hinsah, waren die meisten Schwarme unter uns verschwunden. Aber ein paar waren zuruckgewichen, offenbar unversehrt.
Sie lernten.
Schnell.
»Nachste Lektion«, sagte Mae und hielt mir diesmal zwei Kapseln hin. Ich zundete beide an, und Mae rollte eine die Rampe hinunter und warf die andere ein Stuck weiter. Die Explosionen krachten gleichzeitig, und ein gewaltiger Schwall hei?e Luft brauste auf uns zu. Mein Hemd fing Feuer. Mae loschte es, indem sie mit der flachen Hand rasch auf mich einschlug.
Als wir wieder hinschauten, waren keine Gestalten mehr zu sehen und auch keine Schwarme.
Wir gingen die Rampe hinunter, immer tiefer in die Hohle.
Wir hatten mit zwanzig Thermitkapseln angefangen. Jetzt hatten wir noch sechzehn, und wir waren erst ein kurzes Stuck die Rampe hinunter, die in den gro?en Raum am Ende fuhrte. Mae ging jetzt sehr schnell - ich hatte Muhe, mit ihr Schritt zu halten -, aber ihre Instinkte waren gut. Die wenigen Schwarme, die vor uns auftauchten, wichen rasch zuruck.
Wir scheuchten sie vor uns her in den unteren Raum.
Mae sagte: »Bobby, wo bleibst du?«
Das Headset knisterte. »... bin - jetzt ...«
»Bobby, komm endlich, verdammt.«
Doch die ganze Zeit drangen wir immer tiefer in die Hohle ein, und bald horten wir nur noch statisches Rauschen. Hier unten hing Staub in der Luft, der die Infrarotstrahlen diffus machte. Die Wande und den Boden unmittelbar vor uns konnten wir deutlich sehen, aber dahinter war es stockfinster. Die Dunkelheit und das eingeschrankte Gesichtsfeld waren beangstigend. Um zu wissen, was rechts und links von mir war, drehte ich standig den Kopf und schwenkte den Lichtstrahl hin und her. Ich hatte jetzt wieder den Faulnisgeruch in der Nase,