scharf und widerlich.
Wir erreichten das Ende der langen Rampe. Mae blieb ruhig; als ein halbes Dutzend Schwarme vor uns aufschwirrte, hielt sie mir wieder eine Kapsel hin. Bevor ich sie anzunden konnte, zogen die Schwarme sich zuruck. Mae ruckte sofort nach.
»Die reinste Lowenbandigung«, sagte sie.
»Bisher«, sagte ich.
Ich wusste nicht, wie lange wir das so durchhalten konnten. Die Hohle war gro?, viel gro?er, als ich sie mir vorgestellt hatte. Sechzehn Kapseln wurden doch niemals ausreichen. Ich fragte mich, ob Mae sich auch Sorgen machte. Sie erweckte nicht den Eindruck. Aber wahrscheinlich lie? sie es sich nicht anmerken.
Irgendetwas knirschte unter meinem Fu?. Ich blickte nach unten und sah, dass der Boden mit tausenden winzigen, zarten, gelben Knochen ubersat war. Wie Vogelknochen. Doch das da waren Fledermausknochen. Mae hatte Recht gehabt: Sie waren alle gefressen worden.
In der oberen Ecke meines Nachtsichtbildes blinkte jetzt ein rotes Licht. Es war irgendeine Warnanzeige, vermutlich fur die Batterie. »Mae ...«, setzte ich an. Dann ging das rote Licht aus, so plotzlich, wie es angegangen war.
»Was ist?«, sagte sie. »Was ist los?«
»Schon gut.«
Und dann endlich kamen wir in den gro?en Raum - es gab nur keinen gro?en Raum, das hei?t, nicht mehr. Er war jetzt vom Boden bis zur Decke mit dunklen Kugeln gefullt, die einen Durchmesser von uber einem halben Meter hatten und mit stacheligen Vorsprungen gespickt waren. Sie sahen aus wie uberdimensionale Seeigel. Sie waren in gro?en Trauben geschichtet. Die Anordnung war methodisch.
Mae sagte: »Hoffentlich ist das nicht das, was ich furchte.« Ihre Stimme war ruhig, distanziert. Fast wissenschaftlich interessiert.
»Ich glaube doch«, sagte ich. Wenn mich nicht alles tauschte, waren diese stacheligen Gebilde eine organische Version der Produktionsanlage von Xymos. »So vermehren sie sich.« Ich trat vor.
»Ich wei? nicht, ob wir reingehen sollten ...«, sagte sie.
»Wir mussen, Mae. Sieh es dir doch an: Es ist geordnet.«
»Glaubst du, es gibt ein Zentrum?«
»Vielleicht.« Und falls ja, wollte ich Thermit draufwerfen. Ich ging weiter.
Es war unheimlich, zwischen diesen Trauben hindurchzugehen. Zahe, schleimige Flussigkeit tropfte von den Spitzen der Stacheln. Und die Kugeln schienen mit einer Art festem Gel beschichtet zu sein, das bebte, sodass es aussah, als wurden sich die Gebilde bewegen, als waren sie lebendig. Ich blieb kurz stehen, um es mir genauer anzuschauen. Und da erkannte ich, dass die Oberflache der Kugeln tatsachlich lebendig war; denn in dem Gel wimmelte es nur so von kriechenden, schwarzen Wurmern. »Mein Gott .«
»Die waren vorher schon da«, sagte Mae ruhig.
»Was?«
»Die Wurmer. Sie haben in der Guanoschicht auf dem Hohlenboden gelebt, als ich das erste Mal hier war. Sie fressen organisches Material und scheiden stark phosphorhaltige Stoffe aus.«
»Und jetzt sind sie an der Schwarmsynthese beteiligt«, sagte ich. »Es hat nicht lange gedauert, blo? ein paar Tage. Aktive Koevolution. Die Kugeln versorgen die Wurmer vermutlich mit Nahrung und sammeln irgendwie deren Ausscheidungen.«
»Oder sie sammeln die Wurmer selbst«, sagte Mae trocken.
»Ja. Vielleicht.« Es war durchaus denkbar. Ameisen zuchteten Blattlause, wie wir Kuhe zuchteten. Andere Insekten bauten Pilze als Nahrungsquelle in Garten an.
Wir traten tiefer in den Raum. Die Schwarme wirbelten an allen Seiten um uns herum, aber sie blieben auf Distanz. Wahrscheinlich ein weiteres noch nie da gewesenes Ereignis, dachte ich: Eindringlinge in ihrem Nest. Sie wussten noch nicht, was sie tun sollten. Ich bewegte mich vorsichtig; unter meinen Fu?en wurde es stellenweise immer rutschiger. Der Boden war mit einer dicken Dreckschicht bedeckt, die an einigen Stellen streifig grun leuchtete. Die Streifen schienen nach innen zu laufen, zum Zentrum hin. Ich hatte das Gefuhl, dass der Boden ein leichtes Gefalle hatte.
»Wie weit noch?«, sagte Mae. Sie klang noch immer ruhig, aber ich glaubte ihr diese Ruhe nicht. Ich war es auch nicht; als ich nach hinten blickte, konnte ich den Eingang des Raumes nicht mehr sehen, weil er von den Kugeln verdeckt wurde.
Und auf einmal waren wir im Zentrum, denn die Trauben liefen in einem offenen Raum aus, und direkt vor uns sah ich etwas, das so aussah wie eine Miniaturausgabe des Hugels drau?en. Er war etwas uber einen Meter hoch und kreisrund, und ringsherum ragten flache flugelartige Ausbuchtungen nach au?en. Auch er war grun gestreift. Blasser Rauch stieg von den Flugeln auf.
Wir traten naher.
»Es ist hei?«, sagte Mae. Und das stimmte. Die Hitze war extrem; deshalb qualmte es. Mae sagte: »Was meinst du, was da drin ist?«
Ich blickte auf den Boden. Ich sah, dass die grunen Streifen von den Kugeln zu dem Hugel in der Mitte fuhrten. Ich sagte: »Assembler.« Die stacheligen Seeigel generierten organisches Rohmaterial. Es floss ins Zentrum, wo die Assembler die endgultigen Molekule produzierten. Dort fand die Endmontage statt.
»Dann ist das da das Herz«, sagte Mae.
»Ja. Konnte man so sagen.«
Die Schwarme waren jetzt um uns herum, verharrten hinten bei den Trauben. Offenbar wurden sie nicht ins Zentrum kommen. Aber sie waren uberall, warteten auf uns.
»Wie viele willst du?«, fragte Mae leise, wahrend sie das Thermit aus ihrem Rucksack nahm.
Ich sah mir all die Schwarme an.
»Funf fur hier«, sagte ich. »Den Rest brauchen wir, um rauszukommen.«
»Wir konnen nicht funf auf einmal anzunden .«
»Schon gut.« Ich streckte meine Hand aus. »Gib sie mir.«
»Aber Jack .«
»Mach schon, Mae.«
Sie gab mir funf Kapseln. Ich ging naher an den Hugel heran und warf die Kapseln unangezundet hinein. Die Schwarme drum herum summten, kamen aber noch immer nicht auf uns zu.
»Okay«, sagte Mae. Sie verstand sofort, was ich vorhatte. Sie holte noch mehr Kapseln heraus.
»Jetzt vier«, sagte ich mit Blick auf die Schwarme. Sie waren unruhig, bewegten sich hin und her. Ich wusste nicht, wie lange sie noch blieben, wo sie waren. »Drei fur dich, eine fur mich. Du kummerst dich um die Schwarme.«
»Alles klar ...« Sie gab mir eine Kapsel. Ich zundete die anderen fur sie an. Sie warf sie in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Die Schwarme tanzten davon.
Sie zahlte: »Drei ... zwei ... eins ...
Wir kauerten uns hin, duckten uns vor der grellen Lichtexplosion. Ich horte ein Knacken; als ich wieder hinsah, brachen einige von den Kugelgebilden auf und fielen auseinander. Stacheln rollten uber den Boden. Ohne zu zogern, entzundete ich die nachste Kapsel, und als sie wei?e Funken spie, warf ich sie in den Hugel.
»Raus hier!«
Wir liefen Richtung Eingang. Vor uns zerbrockelten die Kugeln. Mae sprang leichtfu?ig uber die fallenden Stacheln und lief weiter. Ich folgte ihr, zahlte im Geiste . drei . zwei . eins .
Eine Art schrilles Kreischen ertonte, hei?es Gas brauste heran, eine Detonation krachte so laut, dass es mir in den Ohren stach. Die Druckwelle schleuderte mich zu Boden, und ich rutschte im Schlamm weiter. Ich spurte die Stacheln am ganzen Korper. Meine Nachtsichtbrille war heruntergefallen, und rings um mich herum war alles schwarz.
»Mae«, sagte ich. »Mae ...«
»Es hat eine Explosion gegeben«, sagte sie mit uberraschter Stimme.
»Mae, wo bist du? Ich kann nichts sehen.«
Es war stockfinster. Ich konnte nicht mal meine Hand vor Augen erkennen. Ich steckte tief unten in