zu tun, die sich uber etwas Gedanken machten, das sich spater als vollkommen harmlos erwies; es kam fast taglich vor. Doch Jensen war sehr pflichtbewu?t, er horte aufmerksam zu und machte sich Notizen.

Sein Interesse wuchs, als Erica McLean, die eine verantwortungsbewu?te, vernunftig denkende Frau zu sein schien, ihm von den Flecken auf dem Parkplatz berichtete, die aussahen wie Blut. Er lie? sich von ihr zu der Stelle fuhren und untersuchte die Flecken. Ein Gro?teil der Flussigkeit war inzwischen eingetrocknet, aber einiges war noch so feucht, da? es an den Fingern rot abfarbte. Es gab naturlich keinen Beweis, da? es sich um menschliches Blut handelte. Aber es machte die Geschichte glaubwurdiger, eine Weiterverfolgung war nun unbedingt notwendig.

Er lief zu Priscilla zuruck und fand sie im Gesprach mit einigen Leuten, die neugierig geworden waren und wissen wollten, was vor sich ging.

Ein Mann ergriff das Wort: »Officer, ich war im Supermarkt und habe beobachtet, wie vier Leute, zwei Manner, eine Frau und ein Junge, plotzlich aus dem Laden sturmten. Die hatten es so eilig, da? die Frau ihren Einkaufswagen stehenlie?. Der war voll, aber sie hat ihn einfach stehenlassen.«

»Ich hab' sie auch gesehen«, sagte eine Frau. »Das war Mrs. Sloane, die Frau des Fernsehsprechers. Sie kauft oft hier ein. Als sie ging, sah sie sehr aufgeregt aus, als ware etwas Schlimmes passiert.«

»Eins ist komisch«, warf eine andere Frau ein. »Ein Mann kam auf mich zu und fragte mich, ob ich Mrs. Sloane sei. Und andere hat er auch gefragt.«

Inzwischen redeten alle durcheinander. Der Polizist hob die Stimme. »Diese Dame hier« - er deutete auf Priscilla -»berichtet von einem >kleinen, hellbraunen Bus<. Hat den jemand gesehen?«

»Ja, ich«, sagte der Mann. »Als ich ankam, fuhr der eben auf den Parkplatz. Es war ein Nissan.«

»Haben Sie das Nummernschild gesehen?«

»Es war eine Nummer aus New Jersey, aber mehr wei? ich auch nicht. Ach, noch was, er hatte dunkle Fenster, diese Art Glas, wo man heraus -, aber nicht hineinsehen kann.«

»Moment mal«, sagte der Beamte. »Bitte bleiben Sie alle hier. Ich bin sofort zuruck.«

Er lief zu seinem wei?en Streifenwagen, den er neben dem Supermarkt abgestellt hatte, und griff nach dem Funkgerat.

»Wagen 423 an Revier. Mogliche Entfuhrung auf dem Parkplatz des Grand Union. Brauche Verstarkung. Beschreibung des verdachtigen Fahrzeugs: Nissan Kleinbus, Farbe hellbraun. Zugelassen in New Jersey, Nummer unbekannt. Dunkle Fenster, vermutlich blickdichte Scheiben. Es besteht der Verdacht, da? drei Personen von den unbekannten Insassen des Nissan verschleppt wurden.«

Die Meldung des Beamten ging uber Funk an alle Streifenwagen in Larchmont und in den Nachbarorten Mamaroneck Town und Mamaroneck Village. Uber eine »Notfalleitung« wurde der diensthabende Polizist auf dem Revier alle anderen Einheiten in Westchester County und die New York State Police alarmieren. Die New Jersey State Police wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht informiert.

Vor dem Supermarkt waren bereits die Sirenen von zwei heranjagenden Streifenwagen zu horen, die auf den Hilferuf reagiert hatten.

Zwanzig Minuten waren seit der Abfahrt des Kleinbusses vergangen.

Gute acht Meilen weiter weg fuhr der Nissan auf dem I-95 Thruway und naherte sich der Ausfahrt in den Stra?endschungel der Bronx.

Von Larchmont aus war Luis zugig vorangekommen. Er fuhr, wie die meisten anderen auch, funf Meilen schneller als die erlaubte Hochstgeschwindigkeit - ein gutes Reisetempo, aber doch nicht so schnell, da? die Polizei auf sie aufmerksam wurde. Nun lag das erste Etappenziel, die Ausfahrt 13, vor ihnen. Luis wechselte auf die rechte Spur und verlie? die Autobahn. Er und Miguel hatten sich wahrend der Fahrt immer wieder nach etwaigen Verfolgern umgesehen. Aber es gab keine.

Dennoch trieb Miguel Luis zur Eile. »Schneller! Mach schon!« Seit der Abfahrt fragte er sich, ob es nicht ein Fehler gewesen war, die alte Frau am Leben zu lassen. Vielleicht hatte sie ihm die Geschichte mit dem Film nicht geglaubt und die Polizei alarmiert. Vielleicht waren bereits Beschreibungen von ihnen im Umlauf.

Luis stieg aufs Gas; mit hohem Tempo raste er uber die holprigen Stra?en der Bronx.

Baudelio hatte seit der Abfahrt immer wieder die Lebensfunktionen der beiden betaubten Gefangenen kontrolliert. Es schien alles in Ordnung zu sein. Die Wirkung des Midazolam, das er ihnen injiziert hatte, wurde schatzungsweise noch eine Stunde anhalten. Falls nicht, wurde er ihnen eine weitere Dosis spritzen, doch nur ungern, da dies die viel kompliziertere medizinische Aufgabe, die ihn am Ende der Fahrt erwartete, verzogern konnte.

Bei dem alteren Mann hatte er die Blutung gestoppt und die Kopfwunde verbunden. Nun kam er langsam wieder zur Besinnung, er bewegte sich und stohnte leise. Baudelio zog eine weitere Dosis Midazolam auf eine Spritze und injizierte sie ihm, fur alle Falle. Er hatte keine Ahnung, was sie mit dem Alten machen wurden. Hochstwahrscheinlich wurde Miguel ihn erschie?en und die Leiche verschwinden lassen; wahrend seiner Zeit beim Medellin-Kartell hatte Baudelio so etwas schon oft gesehen. Ihn lie? das kalt. Denn die Sorge um andere Menschen war eine Empfindung, die Baudelio schon vor langer Zeit abgelegt hatte.

Rafael hatte einige braune Decken hervorgeholt, und Baudelio sah nun zu, wie er und Carlos die Frau, den Jungen und den alten Mann darin einwickelten, bis nur noch die Kopfe heraussahen. Am oberen Ende war jeweils ein Stuck Decke ubrig, damit man den Geiseln beim Ausladen die Gesichter bedecken konnte. Mit einem Seil verschnurte Carlos die Bundel; fur einen fluchtigen Beobachter waren sie nun von gewohnlichem Frachtgut nicht mehr zu unterscheiden.

Conner Street in der Bronx war ein heruntergekommenes, graues und deprimierendes Viertel. Luis kannte den Weg, sie waren ihn zur Probe bereits zweimal abgefahren. Bei einer Texaco Tankstelle bogen sie rechts in ein halb verlassenes Industriegebiet ein. Die am Stra?enrand in gro?en Abstanden geparkten Lastwagen sahen aus, als wurden sie schon lange dort stehen. Menschen waren kaum zu sehen.

Vor der langen tur- und fensterlosen Mauer eines verlassenen Lagerhauses hielt Luis an. Im selben Augenblick fuhr ein Lastwagen, der auf der anderen Stra?enseite gewartet hatte, auf den Kleinbus zu und hielt kurz vor ihm an. Es war ein wei?er CMC mit der Aufschrift »Superbread« auf beiden Seiten.

Nachforschungen hatten ergeben, da? es ein Produkt mit dem Namen »Superbread« nicht gab. Der Lastwagen war eins von sechs Fahrzeugen, die Miguel, als Reprasentant einer nicht existenten Autoverleihfirma auftretend, gleich nach seiner Ankunft gekauft hatte. Der GMC war bereits gelegentlich fur die Beschattung und auch fur andere Zwecke benutzt worden. Rafael hatte ihn und die anderen Fahrzeuge schon mehrmals neu lackiert und die Aufschriften geandert. An diesem Vormittag sa? Socorro, die einzige Frau der Truppe, am Steuer des Lasters. Sie sprang jetzt heraus, lief nach hinten und offnete die Heckturen.

Gleichzeitig ging auch beim Nissan die Tur auf. Rafael und Carlos sprangen heraus und trugen die verschnurten Bundel eilig zum Lastwagen. Baudelio packte seine Arzttasche zusammen und folgte ihnen.

Miguel und Luis hatten im Kleinbus zu tun. Miguel zog die dunkle Plastikfolie von den Fenstern; sie hatte ihren Zweck erfullt und war nun ein Identifikationsmerkmal, das man verschwinden lassen mu?te. Luis klaubte zwei New Yorker Nummernschilder unter dem Fahrersitz hervor, die er schon vor Beginn der Aktion dort versteckt hatte.

Nachdem er sich umgesehen hatte, um sicherzugehen, da? ihn niemand beobachtete, tauschte er die Kennzeichen aus New Jersey gegen die New Yorker aus. Es dauerte nur wenige Sekunden, weil alle Fahrzeuge der Gruppe spezielle, aufklappbare Schildhalterungen besa?en. Mit wenigen Handgriffen konnte die Klappe angehoben und die Schilder ausgewechselt werden. Ein Federmechanismus lie? die Klappe dann wieder zuruckschnellen.

Bald nach seiner Ankunft in Amerika hatte Miguel sich uber seine Unterweltkontakte eine Reihe von Nummernschildern aus New Jersey und New York besorgt. Dabei handelte es sich um Schilder von Autos, die zwar nicht mehr in Gebrauch waren, fur die aber weiterhin Zulassungsgebuhren bezahlt wurden.

Das Zulassungssystem von New York, New Jersey und den meisten anderen Staaten machte es moglich, Nummernschilder fur Fahrzeuge zu erhalten, die schon langst in ihre Einzelteile zerlegt und verschrottet waren. Die Zulassungsstelle war nur an der Zulassungsgebuhr und einem, ebenso leicht zu beschaffenden Versicherungsnachweis fur das nicht mehr existierende Fahrzeug interessiert. Weder die Behorde noch die Versicherung, die jeden Vertrag beliebig verlangerte, solange nur die Pramie gezahlt wurde, wollten je das Fahrzeug selbst sehen.

In Kriminellenkreisen florierte das Geschaft mit solchen Nummernschildern, die zwar illegal, bei der Polizei aber nicht als solche registriert waren und deren Wert deshalb die wirklichen Kosten um ein Vielfaches ubertraf.

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