»Inlandsredaktion. LaSalle. Habe eben erfahren, da? im Polizeifunk von Larchmont, wiederhole, Larchmont, New York, von einer moglichen Entfuhrung die Rede ist. Keine weiteren Informationen. Unsere Freunde von WCBA gehen der Sache nach und halten uns auf dem laufenden.«
Die Meldung des Inlandschefs war in der ganzen CBA NewsZentrale zu horen. Einige fragten sich, warum LaSalle etwas so Unwichtiges uber die Haussprechanlage durchgegeben hatte. Andere dachten nicht weiter daruber nach und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu. Doch die Chefproduzenten am Hufeisen im Stockwerk uber dem Redaktionssaal hatten aufmerksam zugehort. Einer deutete auf Crawford Sloane, der hinter der geschlossenen Glastur in seinem Buro zu sehen war, und meinte: »Falls es in Larchmont wirklich eine Entfuhrung gegeben hat, sollten wir dankbar sein, da? es nicht Crawf, sondern jemand anderen getroffen hat. Au?er der da drin ist sein Doppelganger.« Die anderen lachten.
Crawford Sloane horte LaSalles Meldung aus dem Lautsprecher auf seinem Schreibtisch. Die Tur hatte er geschlossen, weil er mit dem Prasidenten von CBA News, Leslie Chippingham, ein vertrauliches Gesprach fuhren wollte. Eigentlich hatte Sloane vorgehabt, Chippingham in dessen Buro aufzusuchen, doch der Prasident hatte es vorgezogen, zu ihm zu kommen.
Wahrend der Mitteilung schwiegen beide, und Sloane hob bei der Erwahnung von Larchmont interessiert den Kopf. Zu jedem anderen Zeitpunkt ware er sofort in den Redaktionssaal gelaufen, um Naheres in Erfahrung zu bringen. Doch jetzt wollte er nicht ein Gesprach unterbrechen, das sich zu einer knallharten Konfrontation entwickelt hatte und das, sehr zu seiner Uberraschung, ganz und gar nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte.
14
Der Prasident von CBA News eroffnete das Gesprach. »Crawf, meine Nase sagt mir, da? du ein Problem hast.«
»Deine Nase tauscht sich«, erwiderte Crawford Sloane. »Du bist der mit dem Problem. Es ist leicht zu losen, aber dazu sind einige strukturelle Veranderungen notig. Und zwar sofort.«
Leslie Chippingham seufzte. Er war seit drei?ig Jahren im Nachrichtengeschaft, ein alter Hase, der seine Karriere mit neunzehn als Botenjunge bei NBC's Huntley-Brinkley-Report begonnen hatte, dem journalistischen Aushangeschild dieser Zeit. Seit damals wu?te er, da? man Moderatoren so behutsam behandeln mu?te wie Ming-Vasen und da? sie die gleiche Ehrerbietung verlangten wie gekronte Haupter. Ebendieser Feinfuhligkeit hatte er es, neben anderen Talenten, zu verdanken, da? er sich nach seiner Zeit als Chef im Studio an der Spitze von CBA News hatte halten konnen, wahrend andere in ahnlich hohen Positionen, darunter auch einige Prasidenten, auf fernsehpolitische Nebengleise abgeschoben wurden oder in der Vergessenheit eines fruhen Ruhestands versanken.
Chippingham hatte die Fahigkeit, mit jedem ungezwungen umzugehen, und er konnte dieses Gefuhl auch auf den Gesprachspartner ubertragen. Es ging das Gerucht, wer von ihm gefeuert werde, fuhle sich noch wohl dabei.
»Also schie? los«, sagte er zu Sloane. »Welche Veranderungen?«
»Ich kann mit Chuck Insen nicht mehr zusammenarbeiten. Er mu? weg. Und bei der Auswahl des Nachfolgers will ich die entscheidende Stimme haben.«
»Na schon Du hast recht, was das gro?e Problem betrifft.« Chippingham wahlte seine Worte mit Bedacht und fugte dann hinzu: »Aber es ist vielleicht ein anderes, als du dir vorstellst, Crawf.«
Crawford betrachtete seinen Vorgesetzten, denn das war Chippingham, zumindest der Stellung nach. Was er sah, war eine auch im Sitzen noch hoch aufragende Gestalt, fast zwei Meter gro? und stattliche hundert Kilo schwer. Sein Gesicht war eher interessant als schon, er hatte strahlende Augen und dichte, inzwischen fast graue Locken. Im Lauf der Jahre hatte eine ganze Reihe von Frauen Vergnugen daran gefunden, mit den Handen durch diese Locken zu streichen, wobei dieses Vergnugen immer nur das Vorspiel fur andere gewesen war. Frauen waren Les Chippinghams lebenslange Schwache, ihre Eroberung ein Hobby, dem er nicht widerstehen konnte. Und wegen dieser Schwache stand er im Augenblick vor einem ehelichen und finanziellen Desaster - doch das wu?te Sloane nicht, obwohl er, wie alle anderen, Chippinghams Ruf als Frauenheld kannte.
Chippingham selbst mu?te im Augenblick seine personlichen Sorgen beiseite lassen und sich auf Crawford Sloane konzentrieren. Denn das Gesprach mit ihm war, wie jedes mit einem Moderator, ein Drahtseilakt.
»Hor auf, um den hei?en Brei zu reden«, sagte Sloane, »und komm zur Sache.«
»Das wollte ich eben«, entgegnete Chippingham. »Wie wir beide wissen, hat sich bei uns in letzter Zeit einiges geandert...«
»Um Himmels willen, Les, naturlich hat sich das!« warf Sloane ungeduldig ein. »Deshalb habe ich ja Probleme mit Insen. Wir mussen die Struktur unserer Nachrichten verandern -weniger schnelle Schlagzeilen und dafur die wichtigen Meldung grundlicher recherchiert.«
»Ich wei?, was du meinst. Wir haben schon ofters daruber gesprochen. Aber ich kenne auch Chucks Haltung, und der war ubrigens heute morgen bei mir und hat sich uber dich beklagt.«
Sloane ri? uberrascht die Augen auf. Er hatte nicht erwartet, da? der Studioleiter in ihrem Streit die Initiative ubernahm; es war ganz und gar nicht der gewohnte Lauf der Dinge. »Und was glaubt er, was du tun kannst?« fragte er.
Chippingham zogerte. »Zum Teufel, wahrscheinlich hat's wenig Sinn, wenn ich es dir verschweige. Er glaubt, ihr beide seid so weit voneinander entfernt, da? ein Versohnung unmoglich ist. Er will, da? du gehst.«
Der Chefsprecher warf den Kopf zuruck und lachte. »Und da? er bleibt. Das ist doch lacherlich.«
Der Prasident sah ihm direkt in die Augen. »Wirklich?«
»Naturlich. Und das wei?t du ganz genau.«
»Ich hab's fruher mal gewu?t. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.« Vor ihnen beiden lag Neuland. Chippingham machte vorsichtig den ersten Schritt.
»Ich will, da? du eins verstehst, Crawf: Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Seit dem Ausverkauf der gro?en Sender ist alles im Flu?. Du wei?t so gut wie ich, da? unsere neuen Herren - nicht nur bei uns, sondern auch bei den anderen Sendern - ihre ganz personlichen Ansichten uber die Macht der Nachrichtensprecher haben. Diese Halbgotter an der Spitze der Muttergesellschaften mochten namlich diese Macht beschneiden, und sie sind auch nicht eben glucklich uber eure Riesengehalter, weil sie glauben, da? sie dafur nicht den entsprechenden Gegenwert bekommen. In letzter Zeit gab es sogar Geruchte uber heimliche, private Absprachen.«
»Welche Art von Absprachen?« fragte Sloane scharf.
»Soweit ich wei?, die Art, wie die Herren Unternehmer sie in ihren exklusiven Clubs und Privathausern treffen. Zum Beispiel: >Wir sagen unserem Sender, da? er deinem Sender nicht die Leute abwirbt, wenn du mir versprichst, da? deiner die unseren in Ruhe la?t. Auf diese Weise treiben wir uns nicht gegenseitig dauernd die Gehalter in die Hohe und konnen dann endlich anfangen, ein paar von den ganz gro?en zu kurzenc.«
»Das sind ja Kartellabsprachen, Wettbewerbsbeschrankungen. Und die sind verdammt noch mal illegal.«
»Nur wenn du beweisen kannst, da? sie wirklich zustande gekommen sind«, sagte Chippingham. »Aber wie kannst du das, wenn sie bei ein paar Drinks im Links Club oder im Metropolitan getroffen wurden, und wenn es keine Unterlagen, uberhaupt nichts Schriftliches gibt?«
Wahrend Sloane schwieg, wurde Chippingham noch einmal deutlich. »Im Endeffekt lauft es darauf hinaus, Crawf, da? du im Augenblick nicht zuviel Druck machen solltest.«
»Insen will einen anderen an meiner Stelle«, sagte Sloane unvermittelt. »Wen?«
»Er erwahnte Harry Partridge.«
Dann fuhr er fort: »Ach, und Chuck Insen hat mir noch was gesagt: Falls es zu einer Entscheidung zwischen dir und ihm kommt, ist er fest entschlossen zu kampfen. Er hat gedroht, bis an die Spitze zu gehen.«
»Und das hei?t?«
»Das hei?t, da? er mit Margot Lloyd-Mason sprechen wird.«
Crawford explodierte. »Mit dieser Hexe. Das wurde er nicht wagen!«
»Ich glaube schon. Sie ist vielleicht eine Hexe, aber sie hat auch die Macht.«
Les Chippingham wu?te das nur zu gut.