Arthur Haileys neuer Thriller spielt in der erbarmungslosen Welt der Fernsehjournalisten. Macht, Geltungssucht und Geld regieren ihr Leben. Kaltblutig und schnell mussen sie sein, fur Menschlichkeit gibt es kein Budget. Crawford Sloane ist der Star von GBA-TV, der rucksichtslose Herrscher im Nachrichtenstudio, der die Faden der Macht zu seinem Vorteil zu ziehen wei?.
Harry Partridge kennt er noch aus Vietnam. Aber wahrend Sloane damals den Ruhm des taglichen TV- Auftritts suchte, lockte Partridge die Gefahr. Wochenlang tauchte der Einzelganger unter, um seine sensationellen Reportagen zu drehen. Jessica, die ihn einmal liebte, hat er deshalb verloren -an Sloane, den Konkurrenten, den Gegner. Die Sloanes fuhren eine gluckliche Ehe, und ihr Familienleben scheint von keiner Seite gefahrdet. Doch eines Tages passiert die Katastrophe: Die sudamerikanische Terror-Organisation »Sendero Luminoso« schlagt zu. Jessica, ihr Sohn Nicky und Sloanes Viter werden entfuhrt und verschleppt. Crawford Sloane, der Sensationsreporter, steht plotzlich selbst im Mittelpunkt einer schrecklichen Sensation. Es beginnt eine dramatische Jagd der Medien auf die Geiselnehmer. Harry Partridge ubernimmt den gefahrlichsten Auftrag seines Lebens. Er soll die Entfuhrten im Dschungel Sudamerikas aufspuren, wo sie von einer Gruppe schwerbewaffneter Terroristen gefangengehalten werden. Die Zeit lauft...
Foto: Sheila Hailey
Arthur Hailey wurde am 4. April 1920 in England geboren. 1947 emigrierte er nach Kanada. Seit 1969 lebt er auf den Bahamas. Hailey ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Thriller-Autoren. Seine Romane (u.a. »Hotel« und »Airport« ) wurden weltweit in 30 Landern verlegt.
Dennoch mochte ich darauf hinweisen, da? in diesem Punkt Mr. Forsyth als erster die Spuren gelegt hat. - A. H.
Erster Teil
1
In der Zentrale von CBA Television News in New York traf die Nachricht uber den havarierten Airbus A 300, der brennend den Flughafen von Dallas-Fort Worth anflog, erst wenige Minuten vor der Erstausgabe der National Evening News ein, der landesweit ausgestrahlten Abendnachrichten.
Um 18 Uhr 21 ostlicher Sommerzeit meldete der Redaktionschef in Dallas uber die interne Kommunikationsanlage einem Redakteur am Hufeisen in New York: »In DFW kann es jeden Moment zu einer Flugzeugkatastrophe kommen. Vorausgegangen ist eine Kollision zwischen einer kleinen Maschine und einem vollbesetzten Airbus. Die kleine Maschine ist abgesturzt. Der Airbus hat Feuer gefangen, versucht aber eine Notlandung. Bei Polizei und Rettungsdiensten laufen die Drahte hei?.«
»Herr im Himmel!« meldete sich aufgeregt ein zweiter Redakteur am Hufeisen. »Wie sieht's aus mit Bildern fur uns?«
Am Hufeisen, einem riesigen Tisch mit Platz fur zwolf Personen, wurde die Spitzensendung der Fernsehstation, die Abendnachrichten, entworfen und geplant. Jeden Tag wurde von den fruhen Morgenstunden bis zu den letzten Sendesekunden spatabends daran gefeilt. Beim Rivalen CBS hie? dieser Platz »das Fischglas«, bei ABC »die Felge« und bei der NBC einfach »der Tisch«. Doch sosehr die Namen auch variieren mochten, sie alle hatten dieselbe Bedeutung.
An diesem Tisch kamen die fuhrenden Kopfe des Senders zusammen, um uber Auswahl und Ablauf der Nachrichten zu entscheiden: der Studioleiter, der Chefsprecher, die Chefproduzenten, der Direktor, Redakteure, Texter, der Bildchef und die Assistenten. Daruber hinaus gab es, bereit zum Einsatz wie die Instrumente eines Orchesters, ein halbes Dutzend Computerterminals, Fernschreiber, eine Phalanx hochmoderner Telefone und TV- Schirme, auf denen man vom ungeschnittenen Videomaterial uber sendebereite Beitrage bis hin zu den Sendungen der Konkurrenz alles abrufen konnte.
Das Hufeisen lag im dritten Stock des CBA-News-Gebaudes, im offenen Zentralbereich der Etage. An der einen Seite schlossen sich Buros an, in die sich die leitenden Mitarbeiter der Nachrichtenredaktion zu verschiedenen Zeiten des Tages von der Hektik des Hufeisens zu etwas stillerem Arbeiten zuruckzogen.
An diesem Tag hatte, wie gewohnt, Chuck Insen, der Studioleiter, den Vorsitz am Hufeisen. Insen war hager und jahzornig, ein alter Hase im Nachrichtengeschaft, der seine Karriere bei den Printmedien begonnen hatte und auch heute noch unbeirrt die Inlandsnachrichten den internationalen vorzog. Mit zweiundfunfzig war er, nach Fernsehma?staben, fast schon ein alter Mann, doch er zeigte auch nach vier Jahren in einem Job, der andere in zwei Jahren aufgerieben hatte, noch keinerlei Ermudungserscheinungen. Chuck Insen konnte sehr harsch sein und war es haufig auch, Witzeleien oder privaten Klatsch gab es bei ihm nicht - aus einem sehr einfachen Grund: Der Arbeitsdruck lie? dazu keine Zeit.
In diesem Augenblick, an einem Mittwoch Mitte September, war der Stre? gro?er denn je. Seit den fruhen Morgenstunden wurde am Aufbau der Abendnachrichten, an der Auswahl der Themen und der Sendezeit, die man ihnen zuma?, gearbeitet; man diskutierte, verwarf und verbesserte. Korrespondenten aus der ganzen Welt hatten Ideen eingebracht, hatten Auftrage erhalten und sie ausgefuhrt. Entstanden war daraus ein Sendeplan mit acht Korrespondentenberichten von je etwa eineinhalb bis zwei Minuten Lange sowie zwei »Voice-overs« und vier »Tell-stories« von durchschnittlich zwanzig Sekunden. Ein Voice-over war ein vom Moderator verlesener Bericht mit Bildunterlegung, eine »Tell-story« ein Sprecherbericht ohne Bilder.
Aber nach der uberraschenden Meldung aus Dallas mu?te jetzt, knappe acht Minuten vor Sendebeginn, das gesamte Nachrichtenprogramm umgeworfen werden. Obwohl niemand wu?te, wie viele Informationen hereinkommen und ob uberhaupt Bilder verfugbar sein wurden, mu?te zumindest ein Bericht gekippt, andere gekurzt werden, um den Vorfall in Dallas aufnehmen zu konnen. Das zeitliche und inhaltliche Gleichgewicht der Sendung machte daruber hinaus eine Umstellung der Berichte notwendig. Nur eins war im Moment klar: die Sendung wurde anlaufen, bevor man mit der Arbeit fertig war. Aber das war haufig der Fall.
»Ein neuer Ablauf, Leute.« Der knappe Befehl kam von Insen. »Wir fangen mit Dallas an. Crawf wird eine Tell-story machen. Haben wir schon Agenturmeldungen?«
»AP ist eben reingekommen.« Die Antwort kam von Crawford Sloane, dem Chefsprecher. Er las gerade das Telex der Associated Press, das man ihm Sekunden vorher in die Hand gedruckt hatte.
Sloane, mit seinem furchigen Gesicht, den graumelierten Haaren, dem vorspringenden Kinn und dem selbstsicheren und uberzeugenden Auftreten - ein vertrauter Anblick fur allabendlich etwa siebzehn Millionen Zuschauer - sa? am Hufeisen wie gewohnt in seinem privilegierten Sessel rechts neben dem Studioleiter. Auch Crawf Sloane war ein Nachrichtenprofi der alten Schule, der bestandig die Karriereleiter emporgeklettert war, vor allem nach seinem erfolgreichen Einsatz als CBA-Korrespondent in Vietnam. Nach einer Zeit als Berichterstatter am Wei?en Haus moderierte er nun schon seit drei Jahren die Abendnachrichten und war inzwischen eine nationale Institution, einer aus der Medienelite.
In wenigen Minuten wurde Sloane in das Sendestudio hinuntergehen. Und bis dahin mu?te er aus dem Telefonbericht aus Dallas und den zusatzlichen Informationen der AP-Meldung seine Tell-story gestrickt haben. Er wurde den Text selber verfassen. Nicht jeder Sprecher schrieb sein eigenes Material, aber Sloane zog es vor, seine Moderation soweit wie moglich mit eigenen Texten zu bestreiten.
Insens angespannte Stimme war wieder zu horen. Nach einem raschen Blick auf den ursprunglichen