Broderick war das funfte Rad am Wagen, obwohl er und die Fernsehleute oft zusammenarbeiteten und sich im allgemeinen gut verstanden. Doch im Augenblick suchte der Mann von der
Drei aus der Gruppe hatten bereits einige Glaser zuviel. Die Ausnahmen waren Van Canh, der nur Mineralwasser trank, und der Tontechniker, der sich noch immer an seinem ersten Glas Bier festhielt und alle weiteren Einladungen ablehnte.
»Hor zu, du reicher Stinker«, sagte Broderick zu Partridge, der seine Brieftasche aus der Jacke gezogen hatte. »Wenn ich sage, ich zahl' fur die Runde, dann tu' ich's auch.« Er legte zwei Scheine, einen Zwanziger und einen Funfer, auf das Tablett, mit dem der Kellner die drei doppelten Scotch und das Mineralwasser gebracht hatte. »Nur weil du doppelt soviel wie ich fur die halbe Arbeit einsteckst, mu?t du nicht gleich den Wohltater fur 'n Zeitungsfritzen spielen.«
»O Mann«, warf Rita dazwischen. »Brod, nicht schon wieder die alte Leier.«
Rita hatte uberlaut gesprochen, wie sie es manchmal tat. Zwei Uniformierte des Flughafensicherheitsdienstes hatten eben die Bar betreten und sahen sich nun neugierig nach ihr um. Rita bemerkte es lachelte und winkte ihnen zu. Die Manner musterten die Gruppe und die Ansammlung von Kameras und Ausrustungsgegenstanden, auf denen uberall deutlich das CBA-Logo prangte. Sie erwiderten das Lacheln und gingen weiter.
Harry Partridge, der die Szene beobachtet hatte, dachte: Heute sieht man Rita ihr Alter an. Obwohl sie eine Sinnlichkeit verstromte, die viele Manner in ihren Bann gezogen hatte, waren die verraterischen Linien in ihrem Gesicht unubersehbar; und die professionelle Harte, mit der sie von sich selbst ebensoviel verlangte wie von ihren Mitarbeitern, au?erte sich manchmal in einer gewissen herrischen Manieriertheit, die sie nicht eben attraktiv machte. Im Augenblick gab es dafur einen konkreten Grund: die Belastungen und die schwere Arbeit, die sie in den vergangenen zwei Monaten mit Harry und den anderen geteilt hatte.
Rita war dreiundvierzig und hatte noch bis vor sechs Jahren als Korrespondentin vor der Kamera gestanden, wenn auch bereits weniger haufig als in ihren jungeren und attraktiveren Jahren. Jeder wu?te, da? es ein gemeines und ungerechtes System war, in dem Manner noch vor der Kamera auftreten konnten, wenn sich in ihrem Gesicht schon das Alter bemerkbar machte, wahrend Frauen beiseite geschoben wurden wie eine Geliebte, von der man genug hat. Einige wenige Frauen hatten versucht, dagegen anzukampfen - Christine Craft etwa, eine Reporterin und Moderatorin, war sogar vor Gericht gezogen -doch ohne Erfolg.
Rita hatte sich, anstatt den aussichtslosen Kampf aufzunehmen, der Arbeit hinter der Kamera zugewandt und dabei triumphale Erfolge gefeiert. Anfangs hatte sie verschiedene Chefproduzenten bedrangt, ihr schwierige Aufgaben im Ausland zu geben, die sonst immer an Manner gingen. Eine Zeitlang hatten sich ihre Vorgesetzten geweigert, doch schlie?lich nachgegeben, und bald wurde Rita, zusammen mit Harry, automatisch in die Gegenden geschickt, wo die Kampfe am hartesten und das Leben am schwierigsten waren.
Broderick hatte uber Ritas letzte Bemerkung nachgedacht und sagte nun: »Wenn ihr Fernsehheinis wenigstens irgendwas Wichtiges machen wurdet. Euer winziges Nachrichtenloch jeden Abend bringt doch immer nur die Brosel vom Tisch des Weltgeschehens. Wie lang ist es... neunzehn Minuten?«
»Wenn die Presse es schon unbedingt auf uns Wehrlose abgesehen hat«, meinte Partridge freundlich, »dann sollte sie wenigstens bei der Wahrheit bleiben. Es sind einundzwanzig und eine halbe Minute.«
»Bleiben noch sieben Minuten fur Werbung«, erganzte Rita, »und davon wird unter anderem auch Harrys wahnsinniges Gehalt gezahlt, bei dem du ganz grun vor Neid wirst.«
Rita hat mit ihrer gewohnt unverblumten Art den Nagel auf den Kopf getroffen, was die Eifersucht betraf. Die Zeitungsleute reagierten immer empfindlich, wenn es um den Unterschied zwischen ihren eigenen und den beim Fernsehen gezahlten Gehaltern ging. Im Vergleich zu Partridge mit einem Jahresgehalt von 250000 Dollar verdiente Broderick als erstklassiger, hochst kompetenter Reporter nur bescheidene 85000 Dollar.
Als ware sein Gedankengang nie unterbrochen worden, fuhr der Mann von der
»Ein bloder Vergleich«, erwiderte Rita gereizt, »weil jeder wei?, da? ein Bild mehr wert ist als tausend Worte. Wir haben Hunderte von Bildern und wir bringen die Leute dorthin, wo die Nachrichten passieren, damit sie es selber sehen konnen. Eine Zeitung hat das noch nie geschafft.«
Broderick, seinen doppelten Scotch in der einen Hand, winkte mit der anderen ab. »Ist nicht relevant.« Das letzte Wort machte ihm Schwierigkeiten; er sprach es »revelant« aus.
Nun war es Minh Van Canh, fur gewohnlich kein gro?er Redner, der fragte: »Warum nicht?«
»Weil ihr alle Dinosaurier seid. Die gro?en, landesweiten Sender sterben langsam. Ihr wart ja nie mehr als ein Schlagzeilenservice, und jetzt nehmen euch die Lokalsender sogar das noch ab, weil sie mit neuer Technologie auch an Nachrichten von drau?en rankommen und euch Berichte klauen.«
»Nun ja«, meinte Partridge, immer noch angenehm entspannt, »es gibt Leute, die behaupten das seit Jahren. Aber schau uns doch an. Wir sind immer noch da, und wir sind immer noch stark, weil die Leute unsere Nachrichten wegen der Qualitat ansehen.«
»Genauso ist es«, sagte Rita. »Und du irrst dich au?erdem, Brod, wenn du meinst, da? die Nachrichten der Lokalsender besser werden. Werden sie namlich nicht. Sie werden schlechter. Einige Leute, die mit hohen Erwartungen die gro?en Sender verlassen haben, um bei den lokalen zu arbeiten, kommen jetzt enttauscht wieder zuruck.«
»Und warum?« wollte Broderick wissen.
»Weil das Management der lokalen die Nachrichten nur im Hinblick auf Werbewirksamkeit und damit zu erzielende Einnahmen betrachtet. Diese neue Technologie, die du erwahnt hast, dient ihnen nur dazu, um die niedersten Instinkte ihrer Zuschauer zu kitzeln. Und wenn sie wirklich jemand von der Nachrichtenredaktion auf eine gro?e Story ansetzen, dann ist er meistens noch ein halbes Kind, ein Anfanger, der mit der Erfahrung und den Moglichkeiten unserer Reporter nicht konkurrieren kann.«
Harry Partridge gahnte. Das Schlimme an dieser Unterhaltung war, da? sie aufgewarmter Kaffee war, ein Spiel, um die Zeit zu uberbrucken. Sie verlangte keine intellektuelle Anstrengung, die ganze Sache hatten sie schon viel zu oft durchgespielt.
Plotzlich bemerkte er in der Nahe verstarkte Aktivitat.
Die beiden Sicherheitsbeamten waren noch immer in der Bar, die sie zuvor lassig durchschlendert hatten. Doch nun wurden sie plotzlich aktiv und rissen ihre Funkgerate ans Ohr. Offenbar eine wichtige Meldung. Partridge verstand einige Fetzen. »...Alarmstufe Zwei... Kollision in der Luft... nahert sich Landebahn einssieben, links... Sicherheitsdienst Treffpunkt...« Die beiden Beamten sturzten hinaus.
Die anderen aus der Gruppe hatten es ebenfalls mitbekommen. »Hehl« rief Minh Van Canh. »Vielleicht...«
Rita sprang auf. »Ich seh mal nach, was los ist.« Sie verlie? eilig den Raum.
Van Canh und O'Hara packten Kamera und Audiogerate zusammen. Partridge und Broderick taten das gleiche mit ihrem Gepack.
Einer der Sicherheitsbeamten war noch in Sichtweite. Rita holte ihn bei einem Schalter der American Airlines ein, und dabei fiel ihr auf, da? er das jugendlich attraktive Aussehen eines Footballspielers hatte.
»Ich bin von CBA News.« Sie zeigte ihm ihren Presseausweis.
Er musterte sie unverhohlen. »Ja, ich wei?.«
Unter anderen Umstanden, dachte sie kurz, hatte sie ihn vielleicht mit den Reizen einer alteren Frau bekannt gemacht. Doch dazu war leider keine Zeit. »Was ist los?« fragte sie.
Der Beamte zogerte. »Sie mussen sich ans Informationsburo wenden... «
»Spater«, erwiderte Rita ungeduldig. »Es ist ein Notfall, oder? Sagen Sie schon.«
»Muskegon Airlines hat Probleme. Einer ihrer Airbusse hatte eine Kollision. Versucht, mit Feuer an Bord zu landen. Wir haben Alarmstufe Zwei, das hei?t, samtliche Rettungsdienste sind unterwegs in Richtung Rollbahn eins-sieben, links.« Seine Stimme klang besorgt. »Sieht ziemlich schlimm aus.«
»Ich will mein Kamerateam da drau?en haben. Und zwar sofort. In welche Richtung mussen wir?«
Der Sicherheitsbeamte schuttelte den Kopf. »Wenn Sie es ohne Begleitung versuchen, kommen Sie nicht weiter als bis zur Flugfeldrampe. Man wird Sie verhaften.«
Rita fiel etwas ein, das sie einmal gehort hatte: Da? der DFW Airport stolz sei auf seine gute Zusammenarbeit mit den Medien. Sie deutete auf das Funkgerat des Beamten. »Konnen Sie mit dem Ding das