»Inlandsredaktion. LaSalle. Gute Nachrichten. Es gibt jetzt doch direkte Bilder von DFW Airport. In der Abfertigungshalle sind Partridge, Abrams und Van Canh, die dort auf ihre Anschlu?fluge gewartet haben. Abrams hat sich eben im Buro in Dallas gemeldet: Sie haben die Story und bleiben dran. Und noch besser: Ein Satelliten- Ubertragungswagen hat seinen ursprunglichen Einsatzort verlassen und ist auf dem Weg zum Flughafen, wo er in Kurze eintreffen wird. Ein Satellitenkanal fur die Uberspielung von Dallas nach New York ist gebucht. Wir erwarten Bilder noch rechtzeitig fur die Erstausgabe.«
Obwohl LaSalle versucht hatte, gelassen zu klingen, konnte er die Befriedigung in seiner Stimme nicht ganz unterdrucken. Und wie als Antwort drang vom Hufeisen gedampfter Jubel zu ihm herunter. Crawford Sloane, im Studio, drehte sich um und zeigte LaSalle frohlich den hochgestreckten Daumen.
Ein Assistent legte LaSalle ein Papier vor, er uberflog es kurz und sprach dann weiter: »Ein erster Bericht von Abrams:
Was da in den letzten Minuten von Dallas reingekommen ist, dachte LaSalle, war total professionell. Aber das war auch nicht verwunderlich, denn Abrams, Partridge und Van Canh waren eines der Spitzenteams von CBA News. Rita Abrams, eine fruhere Korrespondentin, die jetzt als leitende Field-Producerin arbeitete, war beruhmt fur ihre schnelle Einschatzung von Situationen und ihren Einfallsreichtum, wenn es darum ging, auch unter schwierigen Bedingungen Stories zu liefern. Harry Partridge war einer der besten Korrespondenten im Geschaft. Er war eigentlich Spezialist fur Kriegsberichterstattung und hatte, wie Crawford Sloane, in Vietnam gearbeitet, aber man konnte sich darauf verlassen, da? er in jeder Situation au?ergewohnliches Material lieferte. Und der Kameramann Min Van Canh, ein Vietnamese, der die amerikanische Staatsburgerschaft angenommen hatte, war beruhmt fur seine hervorragenden Aufnahmen, die oft in den schwierigsten Situationen und ohne Rucksicht auf die eigene Sicherheit entstanden. Da? nun diese drei aus Dallas berichteten, war eine Garantie fur exzellente Resultate.
Es war inzwischen eine Minute nach halb, die Erstausgabe der National Evening News hatte begonnen. Mit einem Regler neben seinem Schreibtisch drehte LaSalle die Lautstarke des von der Decke hangenden Kontrollschirms hoch und horte, wie Crawford Sloane seine Tell-story uber die Flugzeugkollision verlas. Man sah, wie eine Hand - die eines Texters - ihm ein Blatt Papier zuschob. Es war offensichtlich der zusatzliche Bericht, den LaSalle eben verlesen hatte. Sloane uberflog ihn nur kurz und fugte ihn dann aus dem Stegreif in seinen vorbereiteten Text ein. So etwas konnte er ausgezeichnet.
Oben am Hufeisen hatte sich die Stimmung seit LaSalles Durchsage gebessert. Trotz des noch immer herrschenden Drucks und der Zeitnot lag ein frohlicher Optimismus in der Luft, weil man wu?te, da? Dallas in guten Handen war und Bilder sowie ein ausfuhrlicher Bericht eintreffen wurden. Chuck Insen und die anderen kauerten vor den Monitoren, sie diskutierten und trafen Entscheidungen, sie schnitten, stellten um und kurzten, um die notwendige Zeit herauszuschinden. Es sah so aus, als wurde der Bericht uber den korrupten Senator nun doch herausfallen. Man spurte, da? jeder das tat, was alle am besten konnten, namlich unter Zeitdruck und in kritischen Situationen effektiv arbeiten.
Man verstandigte sich in kurzen Satzen.
»Das Bildmaterial ist zu lahm.«
»Kurzen, dann wird's griffiger.«
»Schneideraum: Raus mit >Korruption<. Aber falls wir Dallas nicht kriegen, kommt's wieder rein.«
»Die letzten funfzehn Sekunden von dem Clip sind todlich. Da erzahlen wir den Leuten doch nur, was sie schon wissen.«
»Die Oma in Omaha bestimmt nicht.«
»Dann wird sie's auch nie erfahren. Raus damit.«
»Erster Teil abgeschlossen. Sind jetzt auf Werbung. Hangen vierzig Sekunden hinter der Zeit.«
»Was hat die Konkurrenz uber Dallas gebracht?«
»Eine Tell-story, wie wir.«
»Ich brauch' 'n Aufrei?er und 'ne Schlu?zeile fur >Drogenrazzia<, aber schnell.«
»Raus damit. Das bringt doch nichts.«
»Was wir hier machen ist ungefahr so, als wenn du 'nen erwachsenen Mann in 'nen Kinderanzug steckst.«
Ein Beobachter, der mit der Szene nicht vertraut ist, wird sich vielleicht fragen:
Und jemand, der sich im Nachrichtengewerbe auskennt, wird vielleicht antworten:
So war um 18 Uhr 40, nach den ersten zehn Minuten der halbstundigen Nachrichtensendung, fur die Leute am Hufeisen und die im Redaktionssaal, im Studio und im Kontrollraum die einzig wichtige Frage: »Werden wir von DFW einen Bildbericht bekommen oder nicht?«
2
Fur die funf Journalisten im Flughafen von Dallas-Fort Worth hatte die Serie der Ereignisse schon einige Stunden fruher begonnen und gegen 17 Uhr 10 zentraler Sommerzeit einen ersten Hohepunkt erreicht.
Die funf waren Harry Partridge, Rita Abrams, Minh Van Canh, Ken O'Hara, der Tontechniker des Teams, und Graham Broderick, ein Auslandskorrespondent der
Alle waren sie mude und erschopft, nicht nur von der langen Reise, sondern von zwei strapaziosen und gefahrlichen Monaten, in denen sie uber schmutzige Kriege in wenig erfreulichen Teilen Lateinamerikas zu berichten hatten.
Die Wartezeit verbrachten sie in einer Bar im Terminal 2E, eine der vierundzwanzig immer voll besetzten Bars des Flughafens. Die Einrichtung strahlte eine gewisse gestylte Nuchternheit aus. Eine Gartenmauerimitation mit Pflanzenkasten diente als Trennwand, die mit hellblauem Karostoff bespannte Deckenverkleidung wurde von versteckten Lichtquellen pinkfarben beleuchtet. Der Mann von der
Von ihrem Tisch am Fenster sahen sie hinaus auf das Flugfeld und das Gate 20. Von dort sollte Harry Partridge in wenigen Minuten mit einer Maschine der American Airlines nach Toronto abfliegen. Doch an diesem Abend mu?te er sich in Geduld uben, eine einstundige Verspatung war eben bekanntgegeben worden.
Partridge, eine lange, schlaksige Gestalt, hatte einen unordentlichen, blonden Haarschopf, der ihn trotz seiner gut vierzig Jahre und der ersten grauen Strahnen noch immer sehr jungenhaft wirken lie?. Im Augenblick sa? er entspannt in seinem Sessel, verspatete Fluge und auch alles andere waren ihm gleichgultig. Drei Wochen Erholungsurlaub lagen vor ihm, und den hatte er auch dringend notig.
Rita Abrams wartete auf einen Anschlu?flug nach Minneapolis - St. Paul, von wo aus sie zur Farm eines Freundes in Minnesota weiterfahren wollte, um dort ein paar freie Tage zu verbringen. Sie hatte auch ein Wochenendrendezvous mit einem verheirateten CBA-Manager eingeplant, doch das behielt sie fur sich. Minh Van Canh und Ken O'Hara wollten nach New York. Graham Broderick ebenfalls.
Partridge, Rita und Minh arbeiteten haufig zusammen. O'Hara hatte sie als Tontechniker auf dieser Reise zum ersten Mal begleitet. Er war jung, bla?, bleistiftdunn und verbrachte fast seine ganze Freizeit mit der Nase in Elektronikmagazinen; auch jetzt hatte er eins aufgeschlagen.