Er betrat das Foyer und blieb am Telefon neben dem Zeitungskiosk stehen.
Er wahlte die Nummer seines Kontaktmanns in Queens. Als eine Stimme sich meldete, wu?te er sofort, da? er mit einem festungsahnlichen Haus in Little Columbia verbunden war. Miguel fa?te sich kurz, er nannte keinen Namen, sondern nur die Nummer des Munzfernsprechers, von dem er telefonierte, und hangte dann ein.
Er wartete geduldig neben dem Apparat; als zwei andere Leute sich naherten, gab er vor zu telefonieren. Nach sieben Minuten klingelte es. Eine Stimme bestatigte, da? auch der Sprecher von einem Munzapparat aus telefoniere. So konnte das Gesprach weder zuruckverfolgt noch abgehort werden.
Mit leiser Stimme nannte Miguel, was er brauchte. Man versicherte ihm, da? es erledigt werden konnte. Nach Festlegung der Modalitaten einigte man sich auf einen Preis von sechstausend Dollar. Miguel gab Salaverrys Adresse durch und erklarte, der Name »Plato« verschaffe Zugang zu der Wohnung. Schlie?lich sagte er mit Nachdruck: »Die Sache mu? heute abend passieren und mu? aussehen wie Mord und Selbstmord.«
Man versprach ihm, da? seine Anweisungen prazise ausgefuhrt wurden.
Wenige Minuten vor dem vereinbarten Termin stand Miguel bereits wieder am Treffpunkt an der Third Avenue. Kurz danach fuhr Luis im Leichenwagen vor.
Wahrend Miguel sich aus dem Regen ins Trockene des Wagens fluchtete, sagte er zu Luis: »Wir fahren jetzt zu dem Bestattungsinstitut, demselben wie beim letzten Mal. Wei?t du noch, wo das ist?«
Luis nickte und fuhr in ostlicher Richtung auf die Queensboro Bridge zu.
5
Zu Zeiten einer Nachrichtenflaute wirkte ein gro?er Nachrichtensender wie ein schlafender Riese.
Er arbeitete dann nur mit verminderter Kapazitat, und eine ganze Reihe seiner Talente mu?te »Zeit absitzen«, wie man es in der Branche nannte, und das hie?, da? sie nichts zu tun hatten.
Es hie? aber auch, da? man, wenn etwas Wichtiges passierte, immer eine Menge erfahrener Leute da hatte, die man, so der Jargon, »anheizen« konnte.
Am Freitagmorgen, dem Tag nach der Entfuhrung der Sloane-Familie, war dieser Anheizungsproze? in vollem Gange, denn die Sondereinheit unter der Leitung von Harry Partridge und mit Rita Abrams als Chefproduzentin informierte sich in der Zentrale von CBA News.
Rita, die bereits in der Nacht zuvor aus Minnesota in New York angekommen war, betrat Punkt 8 Uhr die Buroraume, die man der Sondereinheit zugewiesen hatte. Harry Partridge hatte die Nacht in einer vom Sender bereitgestellten Luxussuite im Inter-Continental verbracht und traf kurz nach Rita ein.
Harry kam direkt zur Sache: »Schon was Neues?«
»Null, was die Entfuhrung selbst angeht«, antwortete Rita. »Aber vor Crawfs Haus hat sich 'ne Menschenmenge angesammelt.«
»Was fur Leute?«
Die beiden sa?en in dem als Konferenzraum geplanten Zimmer, und Rita lehnte sich in ihrem Drehstuhl zuruck. Trotz der Kurze ihres Urlaubs schien sie erfrischt, ihre gewohnte Vitalitat und Energie waren wiederhergestellt. Und auch den launigen Zynismus, den ihre Mitarbeiter so an ihr schatzten, hatte sie nicht verloren.
»Heutzutage will doch jeder den Saum eines Moderators beruhren. Jetzt, da Crawfs Fans seine Adresse kennen, stromen sie zu Hunderten, ja zu Tausenden nach Larchmont. Die Polizei wei? nicht mehr, was sie mit ihnen anfangen soll und hat bereits Stra?ensperren errichtet.«
»Haben wir ein Kamerateam vor Ort?«
»Klar doch. Sie haben die ganze Nacht drau?en kampiert. Ich hab' Ihnen gesagt, sie sollen bleiben, bis Crawf zur Arbeit fahrt. Danach la?' ich sie von einem anderen Team ablosen.«
Partridge nickte zustimmend.
»Man kann wohl davon ausgehen, da? die Entfuhrer nicht mehr in der Nahe von Larchmont sind und sich die Dinge jetzt woanders abspielen«, sagte Rita, »aber ich glaube, wir sollten zur Sicherheit noch ein paar Tage dort auf Posten bleiben, falls sich noch irgend etwas ergibt. Au?er naturlich, du hast andere Vorstellungen.«
»Bis jetzt noch nicht«, erwiderte Partridge und fugte dann hinzu: »Du wei?t, da? wir bei der Auswahl unserer Leute so ziemlich freie Hand haben?«
»Das habe ich bereits letzte Nacht erfahren. Ich habe deshalb gleich drei Produzenten angefordert - Norman Jaeger, Iris Everly und Karl Owens. Die werden bald hiersein.«
»Eine hervorragende Wahl.« Partridge kannte die drei gut. Bei CBA gab es kaum bessere.
»Ach, und ich habe bereits die Buros aufgeteilt. Willst du deins sehen?«
Rita fuhrte ihn durch die funf nebeneinanderliegenden Buros, die zur Operationsbasis der Sondereinheit werden sollten. Die Nachrichtenabteilungen gro?er Sender waren standig im Umbruch, da laufend Projekte angefangen und wieder aufgegeben wurden; Raumlichkeiten waren deshalb fast immer verfugbar, wenn sie gebraucht wurden.
Partridge hatte ein eigenes Buro, Rita ebenfalls. Zwei weitere, bereits mit Tischen vollgestellte Buros waren fur die ubrigen Reporter, Kamerateams und die Hilfskrafte gedacht. Der Einzug war schon in vollem Gange. Partridge und Rita begru?ten die Neuankommlinge, bevor sie in das funfte und gro?te Zimmer, den Konferenzraum, zuruckkehrten und sich wieder an die Planung machten.
Partridge nahm den Faden wieder auf. »Ich mochte mich zuerst mit allen Leuten zusammensetzen, die mit uns arbeiten werden. Wir konnen die Verantwortlichkeiten abstecken und dann gleich mit der Arbeit am Bericht fur die Abendausgabe beginnen.«
Rita sah auf die Uhr: 8 Uhr 45.
»Ich werde die Konferenz fur zehn Uhr ansetzen«, sagte sie. »Aber im Augenblick mochte ich erst einmal wissen, was in Larchmont so alles passiert.«
»In all den Jahren, die ich jetzt schon hier lebe«, sagte der Polizeisergeant aus Larchmont, »habe ich so etwas noch nie gesehen.«
Er sprach mit FBI-Sonderagent Havelock, der vor ein paar Minuten das Haus verlassen hatte, um sich die Masse der Schaulustigen anzusehen. Schon seit Tagesanbruch wurde die Menge immer gro?er, sie drangte sich auf dem Burgersteig vor dem Haus der Sloanes. Mit wenig Erfolg versuchte die Polizei, die Menge von der Stra?e fernzuhalten, da sie den Verkehr behinderte. Otis Havelock, der im Haus ubernachtet hatte, befurchtete, da? Sloane, der sich im Haus zur Arbeit fertigmachte, von der Menge belastigt wurde. Vor dem Tor drangten sich Fernsehteams und andere Reporter. Als Havelock auftauchte, richteten sich die Kameras auf ihn, Fragen wurden ihm zugerufen.
»Haben Sie von den Entfuhrern schon etwas gehort?«
»Wie geht es Sloane?«
»Konnen wir mit Crawford sprechen?«
»Wer sind Sie?«
Als Antwort schuttelte Havelock nur den Kopf und winkte ab.
Die Menge hinter der Presse schien sich noch diszipliniert zu verhalten, doch Havelocks Erscheinen hatten das Stimmengemurmel betrachtlich anwachsen lassen.
Der FBI-Mann beklagte sich bei dem Sergeant. »Konnen Sie und Ihre Leute nicht wenigstens diese Stra?e freihalten?«
»Wir versuchen es. Der Chief hat Stra?ensperren angeordnet. Wir lassen keine Autos und Fu?ganger mehr durch, bis auf die Anwohner naturlich. Und dann versuchen wir, die Leute von hier wegzubekommen. Das wird mindestens eine Stunde dauern. Bei den ganzen Kameras will der Chief nicht, da? wir den Leuten zu nahe treten.«
»Wissen Sie schon, woher die alle kommen?«
»Ich hab' ein paar gefragt«, antwortete der Sergeant. »Die meisten sind von au?erhalb Larchmonts. Die haben wahrscheinlich die ganze Aufregung im Fernsehen gesehen, und jetzt wollen sie personlich einen Blick auf Mr. Sloane werfen. Die Stra?en in der Nachbarschaft sind voll mit ihren Autos.«
Es hatte zu regnen begonnen, aber das schien die Schaulustigen nicht zu entmutigen. Sie spannten hochstens Regenschirme auf oder schlugen die Kragen ihrer Mantel hoch.
Havelock kehrte ins Haus zuruck. Drinnen sagte er zu Crawford Sloane, der mude und erschopft aussah: »Wir nehmen zwei zivile FBI-Autos. Sie sitzen im zweiten und gehen im Fond in Deckung. Dann fahren wir so schnell wie moglich los.«
»Ausgeschlossen«, erwiderte Sloane. »Da drau?en warten Leute von den Medien. Ich bin einer von ihnen
