Sie sa? am Kopfende eines langen Tisches, an ihrer Seite Harry Partridge. Leslie Chippingham kam in den Konferenzsaal und nahm ebenfalls seinen Platz ein. Als sein Blick sich mit dem Rita Abrams traf, tauschten die beiden ein verstohlenes Lacheln aus.
Crawford Sloane setzte sich an das gegenuberliegende Ende des Tisches. Er glaubte nicht, zu diesem Zeitpunkt etwas zur Diskussion beitragen zu konnen und hatte zuvor bereits Partridge anvertraut: »Ich komme mir absolut hilflos vor, wie ein Trottel.«
Mit am Tisch sa?en die drei Reporter, die Rita angefordert hatte. Norman Jaeger, der alteste, war ein CBA-Veteran, der bereits alle Stationen der Nachrichtenarbeit durchlaufen hatte. Der freundliche, phantasiebegabte und sehr gelehrte Mann war Reporter fur das renommierte Magazinprogramm des Senders »Hinter den Schlagzeilen«. Seine kurzfristige Freistellung zeigte deutlich, mit welchen weitreichenden Befugnissen man diese Sondereinheit ausgestattet hatte.
Neben Jaeger sa? Iris Everly, Mitte Zwanzig und ein leuchtender Stern der Nachrichtenszene. Die kleine, hubsche Absolventin der Columbia Journalism School besa? ein helles Kopfchen, mit dem sie blitzschnell reagieren konnte. Wenn sie an einer schwierigen Reportage arbeitete, konnte sich ihre Zahigkeit und Gerissenheit mit der eines Rasputin messen.
Karl Owens, der dritte Reporter, war ein Arbeitstier, der sich seinen Ruf durch beharrliche, unermudliche Kleinarbeit erworben hatte; oft waren seine Recherchen, und damit auch die der Korrespondenten, mit denen er arbeitete, noch von Erfolg gekront, wenn andere schon langst aufgegeben hatten. Er lag im Alter genau zwischen Jaeger und Iris Everly, und wahrend er bei weitem nicht so viel Fantasie wie die beiden besa?, konnte man sich auf seine Beharrlichkeit und die grundliche Beherrschung seines Handwerks blind verlassen.
Auf den anderen Platzen am Tisch und direkt dahinter sa?en Teddy Cooper und die beiden Assistenten, ein Texter, den man sich von den National Evening News ausgeliehen hatte, Minh Van Canh, der erste Kameramann des Teams, und eine Sekretarin, die zugleich die Organisatorin der Gruppe war.
»Okay, wir wissen alle, warum wir hier sind«, sagte Rita und eroffnete die Konferenz in geschaftsma?igem Ton. »Wir mussen zunachst daruber reden, wie wir an die Arbeit herangehen. Dazu werde ich etwas uber die Organisation erzahlen, und danach wird Harry die redaktionelle Sto?richtung aufzeigen.«
Rita hielt inne und sah Crawford Sloane am anderen Ende des Tisches an. »Crawf, wir werden hier keine Reden halten. Ich glaube nicht, da? das einer von uns konnte, ohne emotional zu werden. Du hast bestimmt schon genug Kummer, dazu brauchst du nicht noch unsere Strategiediskussionen. Aber eins will ich dir trotzdem sagen, und zwar stellvertretend fur alle: Fur dich, fur deine Familie und auch fur uns, weil es uns am Herzen liegt, werden wir unser gottverdammt Bestes geben!«
Von den anderen Mitgliedern der Gruppe kam zustimmendes Murmeln.
Sloane nickte zweimal und sagte dann mit halb erstickter Stimme: »Danke.«
»Wir werden auf zwei Ebenen arbeiten«, fuhr Rita nun fort, »auf einer langfristigen Ermittlungs- und Berichterstattungsebene und auf der Ebene der taglichen Nachrichtenmeldungen.« Sie wandte sich an den alteren Reporter. »Norm, du kummerst dich um die langfristige Sache.«
»In Ordnung.«
»Iris, du kummerst dich um die Tagesmeldungen und fangst gleich mit dem Spot fur die heutige Abendausgabe an. Aber darauf kommen wir gleich zuruck.«
»Verstanden«, erwiderte Iris Everly forsch und sturzte sich sofort auf die neue Aufgabe: »Zunachst brauch' ich das Video von diesem Chaos heute morgen vor Crawfs Haus.«
Bei der Erwahnung des Zwischenfalls zuckte Sloane zusammen und sah Iris beinahe flehend an, doch sie bemerkte es nicht.
»Das bekommst du«, sagte Rita. »Es ist bereits auf dem Weg hierher.«
Zu Owens, dem dritten Reporter, sagte sie: »Karl, du wechselst zwischen den beiden Projekten hin und her, je nachdem, wo du gebraucht wirst.« Dann fugte sie hinzu: »Und ich werde mit jedem von euch dreien eng zusammenarbeiten.«
Nun wandte sie sich Cooper zu: »Teddy, soweit ich wei?, willst du nach Larchmont.«
Cooper sah grinsend auf. »Jawohl, Madam. Um rumzuschnuffeln und ein bi?chen Sherlock Holmes zu spielen.« Zu den anderen gewandt fugte er hinzu: »Das kann ich namlich besonders gut.«
»Teddy«, warf Partridge dazwischen, der zum ersten Mal etwas sagte, »jeder in diesem Zimmer ist besonders gut. Deswegen sind wir ja hier.«
Doch Cooper lie? sich nicht einschuchtern und meinte strahlend: »Dann werde ich mich ja richtig zu Hause fuhlen.«
»Sobald dieses Treffen beendet ist«, teilte Rita ihm mit, fahrt Minh mit zwei neuen Kamerateams nach Larchmont. Du wirst ihn begleiten, Teddy, und dich dort mit Bert Fisher treffen, dem Nachrichtenbeschaffer unserer lokalen Tochterstation. Das ist bereits arrangiert. Fisher war gestern der erste an der Geschichte. Er wird dich herumfahren und dich mit allen Leuten bekannt machen, die du sehen willst.«
»So ein Teufelskerl. Das mu? ich mir notieren: Fischen gehn mit Fisher.«
Leise sagte Norm Jaeger zu Karl Owens: »Bevor dieser Auftrag beendet ist, dreh' ich diesem englischen Klugschei?er den Hals um.«
»Minh«, sagte Iris Everly zum Kameramann, »kann ich bitte mit dir noch kurz sprechen, bevor du nach Larchmont fahrst?«
Minh Van Canh, dessen kantiges, dunkles Gesicht so undurchdringlich war wie immer, nickte.
»Damit hatten wir das Grobste«, sagte Rita. »Und jetzt, was viel wichtiger ist, unser redaktionelles Vorgehen. Harry, du bist dran.«
»Meiner Meinung nach sollte es unser erstes Ziel sein«, begann Partridge, »mehr uber die Entfuhrer in Erfahrung zu bringen. Wer sind sie? Woher kommen sie? Es ist naturlich durchaus moglich, da? sie uns das bald selber sagen, aber wir sollten nicht darauf warten. Im Augenblick kann ich euch noch nicht sagen, wie wir zu den entsprechenden Antworten kommen; au?er da? wir uns eingehend und grundlichst mit all dem beschaftigen, was bis jetzt passiert ist, und jede Information, die neu hereinkommt, mitberucksichtigen. Ich will, da? heute jeder von euch alle bereits verfugbaren Daten studiert und sich einpragt. Die Tafeln werden uns dabei helfen.« Er deutete auf die Wandtafeln mit »Ereignisablauf« und »Vermischtes« und erganzte: »Die werden noch heute vormittag auf den neuesten Stand gebracht.«
»Sobald jeder auf dem laufenden ist, will ich, da? wir uns, gemeinsam und in kleineren Gruppen, jede einzelne Information immer wieder vornehmen, sie zerpflucken und uns Gedanken daruber machen. Wenn wir das tun, mu? einfach etwas dabei herauskommen, das wei? ich aus Erfahrung.«
Die Gruppe am Tisch horte aufmerksam zu, wahrend Partridge fortfuhr.
»Eins kann ich euch mit Bestimmtheit sagen. Irgendwo haben diese Leute, die Entfuhrer, Spuren hinterlassen. Jeder hinterla?t Spuren, und wenn er sie noch so sorgfaltig zu verwischen sucht. Der Trick ist nur, sie zu finden.« Er nickte Jaeger zu. »Das wird vorwiegend deine Aufgabe sein, Norman.«
»Schon verstanden«, erwiderte Jaeger.
»Jetzt zur kurzfristigen Berichterstattung, Iris, wegen der Meldung fur die heutige Abendausgabe. Ich wei?, da? du dir schon Gedanken gemacht hast. Was sind fur dich die wesentlichen Punkte? Hast du dir schon einen Aufbau
uberlegt?«
Sie antwortete, ohne lange zu zogern: »Wenn es keine dramatischen Entwicklungen gibt, wie zum Beispiel eine Nachricht von den Entfuhrern, sollten wir uns nach der Feststellung, da? es nichts Neues gibt, dem Unfall vor Crawfs Haus von heute morgen zuwenden. Und dann, da es der erste ganze Tag nach der Entfuhrung ist, eine Rekapitulation der Ereignisse von gestern. Ich hab' mir die Aufzeichnung von gestern abend angesehen, das war ein ziemliches Durcheinander. Heute abend bringen wir da Ordnung rein. Und ich mochte auch einige Zeugen aus Larchmont noch einmal interviewen« - Iris sah auf ihre Notizen - »vor allem diese alte Dame, Priscilla Rhea, die macht sich vor der Kamera namlich sehr gut. Vielleicht fallt ihr und auch einigen anderen noch was Neues ein.«
»Was ist mit Reaktionen?« fragte Jaeger. »Aus Washington zum Beispiel.«
Partridge antwortete: »Nur ein kurzer Clip, wahrscheinlich mit dem Prasidenten. Vielleicht noch ein paar Interviews mit Burgern auf der Stra?e, falls wir die Zeit haben.«
»Also nichts vom Capitol Hill?«
»Morgen vielleicht«, sagte Partridge. »Vielleicht aber auch nie. Dort will doch jeder nur seinen Senf
