„Hyperfeldkontakt hergestellt“, sagte der Lautsprecher. „Alle Stationen — Feuer frei!“

Flandry schaltete auf direkte Rundsicht um. Der Merseier zickzackte zwischen den Sternen. Manchmal sah man ihn von vorn, manchmal von der Seite. Es war ein nur fur den Raum entworfenes Schiff, dickbauchig und nach beiden Enden hin verjungt, wie eine Birne mit zwei Stielansatzen. Dragoika sog zischend den Atem ein. Blitze zuckten von neuem.

Eine Titanenfaust schlug zu. Ein betaubendes Krachen brullte durch das Schiff. Querschotte platzten und zerrissen wie Papier. Die Decksplatten kippten aufwarts und schlugen Flandry ins Gesicht.

Augenblicke spater kam er zu sich. Er fiel, fiel ins Bodenlose, blind… nein, dachte er durch das Drohnen in seinem Kopf, die Lichter sind aus, die kunstliche Schwerkraft ist weg. Er tastete umher und merkte, da? er schwerelos schwebte. Seufzend entwich die Luft aus dem Raum. Blut aus seiner Nase bildete kleine Kugeltropfen, die frei in seinem Helm schwebten und ihm die Sicht zu nehmen drohten. Er sog den Mund voll, um sie hinunterzuschlucken. „Dragoika!“ krachzte er. „Dragoika?“

Der kleine Lichtkegel ihrer Helmlaterne schnitt einen Sektor aus der Finsternis. Sie war unsichtbar dahinter, aber ihre Stimme klang klar und fest. „Dommaneek, bist du heil? Was ist geschehen? Hier, hier ist meine Hand.“

„Wir haben einen direkten Treffer bekommen.“ Er schuttelte sich, bewegte Hande und Fu?e und fuhlte Schmerzen in seinem Leib. Ein Wunder, da? nichts ernsthaft verletzt zu sein schien. „Hier drinnen sind alle Anlagen tot“, sagte er. „Ich wei? nicht, in welchem Zustand das Schiff ist. Wir mussen uns vergewissern. Ja, halt dich an mir fest. Sto? dich von den Gegenstanden ab, aber nicht zu fest. Es ist wie beim Schwimmen. Fuhlst du Ubelkeit?“

„Nein. Mir ist wie in einem Traum, sonst nichts.“

Sie gelangten in den Korridor. Metalltrager und verbogene Bleche versperrten den Weg. Die untere Halfte eines Mannes trieb in einer Blutwolke, die Flandry sich vom Helm wischen mu?te. Es war totenstill.

Der nukleare Sprengkorper, der das Schiff getroffen hatte, konnte nicht gro? gewesen sein, aber das Mittschiff war total zerstort. Schotte und andere Zwischenwande waren eingedruckt, doch sie hatten genug von den Hitze- und Druckwellen abgehalten, da? Flandry und Dragoika in ihrem Bugraum am Leben geblieben waren. Er rief in regelma?igen Abstanden in sein Funksprechgerat, bekam aber keine Antwort.

Ein sternenerfulltes Loch gahnte vor ihnen, gro? wie ein Scheunentor. Er befahl Dragoika, sich nicht von der Stelle zu ruhren, fa?te das Ende eines abgerissenen Kabels und stie? sich vom Schiff ab. Saxo war nur als der hellste der zahllosen Diamanten zu erkennen, die das Firmament bedeckten, aber ihr Licht reichte aus, da? er das Schiff uberblicken konnte. Die „Sabik“ war in zwei Teile zerbrochen und schwamm inmitten treibender Trummer. Ein Geschutzturm im Bugteil schien noch intakt zu sein.

Er versuchte noch einmal sein Gluck mit dem Funksprechgerat; hier drau?en, drei?ig Meter vom Schiff entfernt, gab es keine abschirmenden Metallmassen. „Fahnrich Flandry von Abteilung Vier. Bitte melden. Bitte kommen!“

Eine Stimme antwortete, von kosmischen Storgerauschen uberlagert. „Leutnant Ranjit Singh in Abteilung Zwei. Ich ubernehme einstweilen das Kommando. Melden Sie Ihren Zustand und wie viele Leute Sie bei sich haben.“

Flandry tat es. „Sollen wir zu Ihnen kommen, Leutnant?“ endete er.

„Nein. Sehen Sie nach, ob der vordere Geschutzturm funktioniert und sagen Sie Bescheid. Wenn ja, besetzen Sie ihn.“

„Aber wir sind bewegungsunfahig. Der Kreuzer ist langst fort. Niemand wird sich mit uns abgeben.“

„Das bleibt abzuwarten, Fahnrich. Gehen Sie an Ihr Geschutz.“

Tote Korper schwebten in der Panzerkuppel des Geschutzturms. Sie waren nicht verstummelt, aber zwei- oder dreitausend Rontgen mu?ten durch die Panzerung gedrungen sein. Flandry und Dragoika holten sie heraus und lie?en sie im freien Raum treiben.

Das Geschutz war noch brauchbar. Das hydraulische Zielsystem wurde von Batterien betrieben. Flandry unterwies Dragoika in der Bedienung der Handrader. Anschlie?end warteten sie. „Ich hatte nie geglaubt, da? ich an einem solchen Ort sterben wurde“, sagte sie. „Aber ich werde im Kampf sterben, und mit einem guten Kameraden an meiner Seite.“

„Vielleicht uberleben wir“, sagte er.

„Mach dir nichts vor. Es ist deiner nicht wurdig.“

„Nicht wurdig? Solange ich noch nicht tot bin, gebe ich nicht auf.“

„Ich verstehe. Vielleicht ist es das, was euch vaz-Terranern so gro? gemacht hat.“

Der Merseier kam.

Es war ein Zerstorer, und er schien Schwierigkeiten mit den Triebwerken zu haben. Sein Kapitan mu?te erkannt haben, da? er sich wahrend der Reparaturzeit aus dem Gefecht zuruckziehen mu?te, wenn er nicht leichte Beute fur den Gegner sein wollte. Nun naherte er sich langsam der „Sabik“, um das Wrack zu untersuchen und, wenn notig, den letzten Widerstand zu brechen.

Der Zerstorer hatte seine Raketen verschossen, aber mehrere Geschutze eroffneten das Feuer mit Granaten und Strahlen. Die beiden Wrackteile der „Sabik“ gluhten auf, zerbrachen und spuckten weitere Trummerteile in alle Richtungen.

Flandry hockte auf dem Sattel und kurbelte das Geschutz in Feuerstellung. Der unstabilisierte Rumpf reagierte mit einer Gegendrehung. Flandry mu?te warten, bis der Zerstorer mit seinem Heck ins Fadenkreuz kam, dann druckte er ab.

Das Krachen der Detonation war noch nicht verhallt, da sah er, wie sich in der Bordwand des Zerstorers ein Loch offnete. Luft und wei? kondensierender Wasserdampf stromten aus.

Das langsam um seine Achse rotierende Wrack lie? ihn zu keinem zweiten Schu? kommen. Er wartete und fluchte vor Ungeduld. Als der Zerstorer wieder in Sicht kam, hatte er sich weiter entfernt und das Heckstuck der „Sabik“ pulverisiert. Flandry zielte wieder und gab Feuer. Seine Granate ri? ein zweites Loch mittschiffs in den Zerstorer. Sein Kapitan hatte genug und drehte ab. Als Flandrys Geschutz zum drittenmal in Schu?position kam, war das Schiff mit blo?em Auge kaum noch auszumachen. Flandry sprang von seinem Sitz und umarmte Dragoika. Beide brachen in Triumphgeschrei aus.

* * *

„Umbriel“ und „Antarctica“: aufgerissen, zerschlagen, lahm, angefullt mit Verwundeten, aber siegreich — naherten sich dem Planeten. Die Aufklarer hatten ihre Arbeit langst getan und Kurs auf die Grenze des Imperiums genommen. Aber Ranjit Singh wollte seinen Mannern einen Blick auf das gewahren, wofur sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten.

Flandry und Dragoika standen neben ihm auf der Brucke der „Umbriel“. Der Planet fullte den ganzen Bildschirm aus. Er war kaum gro?er als der Erdmond und schien wie er weder eine Atmosphare noch Wasser oder Leben irgendeiner Art zu besitzen. Kahle und zerkluftete Berge erhoben sich aus aschenfarbenen Ebenen. Ode, leer und blind wie ein Totenschadel zog er seine Bahn.

„Ein Planet“, hauchte der selbsternannte Kapitan. „Ein Irrlaufer, ein sonnenloser Planet.“

„Er ist auf Kollisionskurs mit Saxo, Kapitan“, sagte Flandry. Er war zu Tode erschopft. „In knapp funf Jahren wird er die Sonne treffen. Soviel Masse entspricht der Energie von drei Jahren Sonnenausstrahlung, und diese Energie wird sich irgendwie entladen, innerhalb weniger Sekunden. Und Saxo ist ein wei?er Zwerg, der in einigen Millionen Jahren expandieren wird. Die innere Unstabilitat mu? jetzt schon im Wachsen sein. Der Aufschlag dieser Masse durfte genugen. Saxo wird zu einer Nova werden. Explodieren.“

„Und unsere Flotte…“

„Richtig. Die Sache klingt unwahrscheinlich. Die interstellaren Entfernungen sind zu gro?. Aber das Universum ist noch gro?er. Ganz gleich wie unwahrscheinlich es erscheint, alles was moglich ist, mu? einmal geschehen. Dies ist so ein Fall. Merseiische Entdecker haben diesen Planeten gefunden und seinen Kurs und seine Geschwindigkeit berechnet. Brechdan erkannte, was es bedeutete. Ich vermute, da? er beabsichtigte, den Konflikt auf Starkad auszuweiten, Schritt fur Schritt, wie es ihm sein Fahrplan vorschrieb, bis eines Tages unsere Hauptstreitmacht im Raum Saxo-Starkad versammelt ware, kurz vor der Explosion. Wahrscheinlich hatten wir den Planeten nicht bemerkt. Er kommt fast senkrecht auf die ekliptische Ebene herunter, und gegen Ende seiner Reise wird er in Saxos Helligkeit untertauchen. Seine Geschwindigkeit betragt schon jetzt siebenhundert Kilometer pro Sekunde und wird noch wachsen, je mehr sich Saxos Anziehungskraft auswirkt. Wir hatten uns uberhaupt nicht in der Richtung umgesehen, sondern unsere Aufmerksamkeit auf Brechdans Streitkrafte konzentriert. Sie aber hatten

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×