Offenbar wollten sie Zeit gewinnen, bis Hilfe kam. Einarsen lie? sich auf nichts ein. „Neu-Brasilien“ und „Murdochsland“ scherten nach rechts aus, um den Kreuzer anzugreifen. „Umbriel“ und „Sabik“ beschleunigten und hielten direkt auf das gegnerische Schlachtschiff zu. Nur „Antarctica“ setzte ihren bisherigen Kurs fort und begleitete die beiden Aufklarer.
„Jetzt geht's los“, murmelte Flandry. Sein erstes Raumgefecht, aufregend und verwirrend wie seine erste Frau. Er gierte danach, in einem Geschutzturm zu stehen und zu kampfen, aber das war ihm verwehrt. Er schlo? seinen Helm und beobachtete den Bildschirm.
Minutenlang war au?er Sternen nichts zu sehen. Dann lief ein Drohnen und Vibrieren durch den Schiffsrumpf. Die „Sabik“ hatte eine Raketensalve abgefeuert, Riesengeschosse, wie sie nur ein Schlachtschiff tragen konnte. Er sah nicht, ob sie trafen; die Entfernung war noch zu gro?. Aber dann platzten ganz in der Nahe Explosionen im Raum, ein riesiger Feuerball nach dem anderen, gluhend, anschwellend und verloschend. Hatte der Bildschirm ihre tatsachliche Helligkeit wiedergegeben, ware jeder Betrachter erblindet. Flandry spurte die Druckwellen der sich ausdehnenden Gase; der Boden unter seinen Fu?en wurde wie von einem Erdbeben erschuttert, und die metallenen Wande drohnten.
„Was war das?“ schrie Dragoika, von Entsetzen gepackt.
„Der Feind hat auf uns geschossen. Aber wir haben seine Raketen abgefangen und zerstort.“
Wieder und wieder tobten die entfesselten Energien. Eine Explosion warf ihn fast zu Boden. Er horte die Meldungen der Stationen und erfuhr, da? der Schiffsrumpf aufgeplatzt war. Die Querschotte riegelten die Sektion ab, doch ein Geschutzturm war vernichtet, ein anderer ausgefallen. Er wu?te, da? viele Besatzungsmitglieder allein durch die starke Dosis radioaktiver Strahlung zum Tode verurteilt waren, wenn sie nicht innerhalb eines Tages medizinische Hilfe bekamen.
Nun wurde das feindliche Schlachtschiff auf dem Bildschirm sichtbar. Wie ein Spielzeug zuerst, aber dann wuchs es, wurde zu einem Hai, einem Wal, einem Leviathan aus Stahl, waffenstarrend und Blitze schleudernd.
Der Kampf wurde nicht von lebenden Wesen gefuhrt. Sie bedienten Geschutze, Raketenrampen und Maschinen. Alles ubrige ubernahmen elektronisch gesteuerte Automaten. Raketen rasten auf andere Raketen zu, Computer ma?en sich mit anderen Computern. Die Hande von Menschen und Merseiern bedienten lediglich Nahkampfwaffen wie Strahlgeschutze und Laser, aber ihre Chancen, dem Gegner ernsthaften Schaden zuzufugen, waren angesichts der ungeheuren Geschwindigkeiten nur gering.
Die beiden Schiffe schossen aneinander vorbei. Zuckende Feuer sprangen durch den Raum, Donner rollte durch die Decks. Wande und Strebepfeiler bogen sich, Stahlplatten schmolzen. Eine Detonation schleuderte Flandry und Dragoika an die Wand. Blutend und betaubt blieben sie liegen, wahrend der Sturm anhielt und voruberging.
Langsam und wie Betrunkene wankend standen sie auf. Wilde Rufe und Schreie sagten ihnen, da? ihre Trommelfelle nicht geplatzt waren. Die Tur war eingedruckt und lie? schwarzen Qualm ein. Chemische Feuerloscher zischten. Jemand rief nach einem Arzt.
Der Bildschirm war nicht ausgefallen. Flandry sah die „Umbriel“ weit voraus. Ihr Bug klaffte offen, vom Rumpf hatten sich Platten gelost, andere waren halbflussig erstarrt. Aber ihre Maschinen funktionierten. Sie machte Fahrt, wie auch die „Sabik“.
Er beobachtete und lauschte auf die eingehenden Meldungen, bis er das Geschehen rekonstruieren und Dragoika verstandlich machen konnte. „Wir haben es geschafft. Einer unserer Zerstorer bekam einen Volltreffer und ist Staub und Gas, aber auch der feindliche Kreuzer ist erledigt. Wir sind an mehreren Stellen beschadigt, drei Geschutzturme und zwei Raketenrampen sind ausgefallen. Ein paar Leitungen zum Hauptcomputer sind unterbrochen, und wir mussen mit einer kleineren Anlage arbeiten, bis die Ingenieure den Schaden behoben haben. Und die Verluste sind ziemlich hoch. Aber wir haben das feindliche Schlachtschiff manovrierunfahig gemacht. Ein Treffer ins Heck. Die Triebwerke arbeiten nicht mehr. Mit ihm brauchen wir nicht mehr zu rechnen.“
Die Flotte formierte sich von neuem und setzte ihren Weg fort. Auf dem Bildschirm losten sich zwei kleine grune Punkte aus der Formation und eilten voraus. „Siehst du die?“ sagte Flandry. „Unsere Aufklarer. Wir mussen sie abschirmen, wahrend sie ihre Aufgabe erfullen. Und das bedeutet, wenn ich mich nicht sehr tausche, da? wir diese Merseier von Saxo an den Hals bekommen.“
„Sechs von ihnen gegen vier von uns“, zahlte Dragoika. „Das sieht nicht mehr so gut aus wie eben, als sie nur zwei und wir funf hatten.“
Flandry sah, wie die grunen Lichter sich auffacherten. Das Ziel dieses Manovers konnte nur sein, keinen der roten Punkte durchzulassen und die Aufklarer zu schutzen. Es war ein gefahrliches Manover, weil es den Gegner einlud, die Schiffe einzeln anzugreifen und zu vernichten.
„Ich wurde es fur eine ausgeglichene Partie halten“, sagte Flandry. „Schlie?lich haben wir das Schlachtschiff, wahrend die schwerste Einheit der Merseier ein Kreuzer ist. Wenn wir den Feind die nachsten paar Stunden abwehren konnen, haben wir erreicht, was wir wollten.“
„Aber was ist das, Dommaneek? Du hast immer nur von einer Bedrohung hier drau?en gesprochen.“ Dragoika nahm ihn bei den Schultern und blickte ihm fest in die Augen. „Kannst du es mir nicht sagen?“
Er hatte es tun konnen, ohne eine Geheimhaltungspflicht zu verletzen, die noch von Bedeutung gewesen ware. Aber er wollte nicht. „Nun“, sagte er, „wir haben Nachrichten uber ein Objekt. Unsere Kundschafter mussen hingehen und herausbringen, was damit ist. Sie tun das auf eine sehr interessante Weise. Sie entfernen sich von dem Objekt, schneller als das Licht fliegen kann, verstehst du, und so konnen sie Bilder davon aufnehmen, nicht wie es jetzt ist, sondern wie es zu verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit war. Oder wo es in der Vergangenheit war. Und weil sie wissen, wo sie suchen mussen, konnen ihre Instrumente es aus mehr als einem Lichtjahr Entfernung beobachten. Das hei?t, uber eine Zeitspanne von uber einem Jahr hinweg. Auf dieser Basis konnen sie dann errechnen, wie es sich in den nachsten Jahren verhalten wird.“
Furcht trat in ihre Augen. „Sie konnen uber die Zeit selbst hinwegreichen?“ flusterte sie. „In die Vergangenheit mit den Geistern der Verstorbenen? Ihr wagt zuviel, ihr vaz-Terraner. Eines Tages werden die verborgenen Nachte ihren Zorn uber euch ausgie?en.“
Er bi? sich auf die Lippen. „Das habe ich mich oft gefragt, Dragoika. Aber was konnen wir tun? Unser Kurs wurde vor langer Zeit fur uns festgelegt, bevor wir unsere Heimatwelt verlie?en. Es gibt kein Zuruck.“
Eine Erschutterung durchlief das Schiff, gefolgt von einem Gerausch wie einem dumpfen Trommelwirbel.
„Wir feuern Raketen! Es geht wieder los!“
Noch eine Salve und noch eine. Einarsen schien gewillt, die letzten schweren Waffen aus den Magazinen abzuschie?en. Trafen eine oder zwei, konnte es den Ausgang des Gefechts entscheiden. Trafen sie nicht, war wenig verloren; die einsatzfahigen Schiffe des Gegners verfugten nicht uber gleichwertige Waffen. Die Salven horten auf.
„Schau hin, Dommaneek!“ schrie Dragoika. „Ein rotes Licht ist ausgegangen!“
„Ja… ja, wir haben einen Zerstorer erwischt. Hurra!“ Die ubrigen Raketen schienen pariert worden zu sein. Die roten Punkte naherten sich rasch. Die Deckenbeleuchtung flackerte und verlosch. Nach ein paar Sekunden ging sie wieder an, aber das Licht blieb trub. Also war auch das Stromaggregat ausgefallen. Und er konnte nichts tun als den Bildschirm zu beobachten!
Der Begleitzerstorer des feindlichen Kreuzers trennte sich von ihm und verfolgte die „Umbriel“. Flandry bi? die Zahne zusammen, bis seine Backenmuskeln schmerzten. „Sie haben gemerkt, da? wir hier Schwierigkeiten haben“, knirschte er. „Sie glauben, da? der Kreuzer allein mit uns fertig wird. Und vielleicht haben sie recht.“
„Was meinst du damit?“ fragte Dragoika.
„Wir konnen nicht ausweichen, bis eine bestimmte Maschine repariert ist.“ Mehr konnte Flandry nicht sagen, denn wie sollte er ihr in ihrer Sprache klarmachen, da? Phasenwechsel, also der Ubergang von einer Geschwindigkeitsstufe zur nachsten, nicht mehr moglich waren? „Wir werden hier sitzen bleiben und schie?en mussen.“
Die „Sabik“ war nicht ganz hilflos. Sie konnte abbremsen und die Lichtgeschwindigkeit unterschreiten, doch ware das ein Verzweiflungsmanover gewesen. Bei Uberlichtgeschwindigkeit mu?te der Feind den Phasengleichklang erreichen, wenn er der „Sabik“ Schaden zufugen wollte, was ihn ebenso verwundbar machte. Aber der Kreuzer besa? jetzt die gro?ere Fahigkeit, dem Feuer seines Gegenspielers auszuweichen. Die „Sabik“ hatte au?er ihren Antiraketen keinen Schutzschild mehr. Alles sah nach einem Ringen Brust an Brust aus.