„Nun — das kann ich leider nicht sagen. Hat sie Ihnen von unserer Flucht berichtet?“
„Wir hatten auf Donna d'Ios Ersuchen eine kurze private Unterhaltung miteinander.“
„Herr Admiral, ich habe eine Information mitgebracht, und es ist mir inzwischen auch gelungen, sie zu dechiffrieren. Ich wei?, was die Merseier planen. Es ist monstros. Ich kann beweisen…“
„Sie werden gute Beweise brauchen, Flandry“, unterbrach ihn Enriques. „Graf Hauksberg hat Sie sehr schwer belastet. Ich brauche Ihnen wohl kaum eigens zu sagen, da? Sie vom Dienst suspendiert sind.“
Flandry ballte die Fauste. Tranen der Wut brannten in seinen Augen. „Herr Admiral“, schrillte er, „ich habe ein Recht darauf, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Von meinen eigenen Leuten. Und Sie hatten mich den Merseiern ausgeliefert.“
„Graf Hauksberg ist als Bevollmachtigter und Vertreter seiner Majestat nach Merseia gegangen. Oberst Abrams und auch Sie waren seinem Befehl unterstellt. Er hat mir mitgeteilt — und ich habe keinen Grund, an der Richtigkeit seiner Angaben zu zweifeln —, da? Sie versucht haben, sich in den Besitz fremder Staatsgeheimnisse zu setzen und die Friedensmission seiner Majestat vorsatzlich zu sabotieren. Die Merseier werden Sie wieder an Graf Hauksberg uberstellen. Es ist wahr, da? ein Kriegsgerichtsverfahren auf einem Planeten oder einem Schiff des Imperiums stattfinden mu?, aber fur die Festsetzung des Termins steht uns eine Zeitspanne bis zu einem Jahr zur Verfugung.“
„Daraus wird nie etwas! Herr Admiral, sie werden eine Gehirnwasche machen und mich toten!“
„Beherrschen Sie sich, Flandry.“
Flandry schluckte. Dragoika bleckte die Zahne, aber sie blieb ruhig liegen. „Darf ich die Anklagepunkte horen, Herr Admiral?“ fragte Flandry.
„Befehlsverweigerung und Meuterei“, sagte Enriques, „Hochverrat, Sabotage, Fahnenflucht, Entfuhrung, Bedrohung und Korperverletzung, Diebstahl, Beleidigung. Soll ich die ganze Liste rezitieren? Ich halte es nicht fur notig. Sie haben inzwischen weitere Delikte hinzugefugt. Sie wu?ten, da? ein Haftbefehl gegen Sie vorlag, doch Sie haben sich nicht gestellt. Sie haben Zwietracht zwischen dem Imperium und einem Verbundeten gesat. Dies gefahrdet nicht nur die beiderseitigen Beziehungen, sondern bringt auch unsere Streitkrafte auf Starkad in Gefahr. Im Moment widersetzen Sie sich Ihrer Verhaftung. Wenn Sie mich sprechen wollten, hatten Sie zumindest an Bord der ›Rieskessel‹ bleiben mussen.“
„Um anschlie?end den Merseiern ausgeliefert zu werden?“
„Vielleicht. Diese Moglichkeit hatte Sie nicht beeinflussen sollen. Denken Sie an Ihren Fahneneid.“
Flandry ging im Raum auf und ab. Plotzlich fuhr er herum und fixierte Enriques. „Sie wissen, ich habe eine Reihe Zahlen von Merseia mitgebracht. Zweifellos haben Sie sie inzwischen weitergegeben. Aber sie mussen bald dechiffriert und nachgepruft werden, um sicherzugehen, da? meine Deutung richtig ist. Und wenn sie richtig ist, kann derjenige, der den Aufklarungsflug unternimmt, in einen Kampf verwickelt werden. In ein Raumgefecht. Lassen wir den Dingen ihren Lauf, schiebt einer die Entscheidung zum nachsten weiter, und Monate vergehen, bis etwas geschieht. Sie kennen die Schwerfalligkeit des Apparates besser als ich. Und das im gunstigsten Fall, namlich, wenn man sich uberhaupt um meine Meldung kummert, um die blo?e Behauptung eines Anfangers, eines Meuterers und Saboteurs. Leicht moglich, da? man sie nicht beachtet und nicht handelt. Wir haben so viele Burokraten. Es blieb mir nichts anderes ubrig, Herr Admiral, ich mu?te es so machen, da? Sie Entscheidungsfreiheit haben.“
Enriques hob kurz die Brauen. „An Selbstbewu?tsein scheint es Ihnen jedenfalls nicht zu fehlen.“
„Jawohl, Herr Admiral. Sie haben doch volle Befehlsgewalt, nicht wahr? Ich meine, im Falle au?ergewohnlicher Umstande konnen Sie alle Ma?nahmen ergreifen, die Sie fur angezeigt halten, ohne vorher das Hauptquartier zu fragen, nicht wahr?“
„Selbstverstandlich.“
„Nun, Herr Admiral, dies ist eine au?ergewohnliche Situation. Man erwartet von Ihnen, da? Sie mit den Leuten von Kursoviki freundschaftliche Beziehungen pflegen. Aber Sie sehen selbst, da? ich derjenige bin, an dem ihnen liegt. Diese Leute denken da sehr geradlinig. Sie sind Barbaren, an Personlichkeiten orientiert. Eine ferne Regierung ist fur sie keine Regierung. Sie fuhlen sich mir verpflichtet — eine Art Blutsverbundenheit oder so. Um also die Allianz mit diesen Leuten zu erhalten, mussen Sie mit mir verhandeln.“
„Und?“
„Wenn Sie keinen Aufklarer in den Raum hinausschicken, um die Richtigkeit meiner Information nachzuprufen, werde ich die Schwesternschaft bitten, das Bundnis aufzulosen.“
„Was?“ Enriques ware fast aufgesprungen.
Flandry nickte. „Ja. Dann werde ich die gesamten Bemuhungen unserer Regierung sabotieren. Wir haben auf Starkad nichts zu suchen und konnen dann alle nach Hause gehen. Ich wette, da? auch die Merseier nach Hause gehen werden, wenn Sie dem alten Runei erzahlen, da? Sie sich mit Ihren Schutzlingen entzweit haben und den Planeten raumen.“
Enriques stand auf. „Sie haben Ihr ungeheures Geheimnis noch nicht enthullt.“
Flandry sagte die Zahlen, doch der Admiral winkte ab. „Diese Zahlen stehen in Ihrem Brief. Ich kenne sie. Ist das alles?“
„Jawohl, Herr Admiral. Mehr ist nicht notig.“
„Wie ist Ihre Interpretation?“
Flandry sagte es ihm.
Enriques schwieg. Er schob die Unterlippe vor und dachte nach. Er wanderte zum Fenster, blickte auf die Menge hinunter und hob seinen Blick zum Himmel.
„Und Sie glauben das?“ fragte er endlich.
„Ja. Eine andere passende Erklarung konnte ich nicht finden, und ich hatte Zeit genug. Ich wurde mein Leben darauf setzen.“
Enriques sah ihn an. „Wurden Sie das?“
„Ich tue es bereits, Herr Admiral.“
„Vielleicht. Angenommen, ich schickte einen Aufklarer los. Wurden Sie an Bord gehen?“
Flandry glaubte nicht recht zu horen. „W-wieso… ja, jawohl, Herr Admiral!“ Seine Stimme drohte sich zu uberschlagen.
„Hm. Soviel Vertrauen bringen Sie mir entgegen? Nun, es ware ratsam, wenn Sie an Bord des Aufklarers gingen. Als Geisel fur Ihre Behauptung, sozusagen.“ Enriques stand sinnend da. Die Stille wuchs.
Auf einmal sagte der Admiral: „Gut, Flandry. Die Anklage gegen Sie wird einstweilen ausgesetzt, das gleiche gilt fur den Haftbefehl. Sie werden hiermit vorubergehend wieder in den Dienst ubernommen und unterstehen meinem Kommando. Sie werden mit meiner Maschine nach Highport zuruckkehren und dort auf weitere Befehle warten.“
Flandry salutierte. „Jawohl, Herr Admiral.“
Dragoika erhob sich. „Was hast du gesagt, Dommaneek?“
„Das Mi?verstandnis ist im Moment aufgeklart, glaube ich. Ich werde mit dem Admiral zum Stutzpunkt fliegen.“
„Und dann?“
„Dann? Nun, ah, dann werden wir ein fliegendes Schiff besteigen und eine Schlacht schlagen, die diesem ganzen Krieg vielleicht ein Ende machen wird.“
„Du hast nur sein Wort“, wendete sie ein.
„Haltst du ihn nicht fur ehrenhaft?“
„Doch. Aber ich konnte mich irren. In der Schwesternschaft und unter dem einfachen Volk wird es welche geben, die eine List vermuten. Blut verbindet uns mit dir. Ich glaube, es wurde am besten sein, wenn ich mit dir ginge. Dann warst du sicher.“
„Aber — aber…“
„Au?erdem ist dies auch unser Krieg“, fuhr Dragoika fort. „Soll von uns keiner teilnehmen? Ich nehme im Namen der Schwesternschaft und fur mich selbst das Recht in Anspruch. Du wirst nicht ohne mich gehen.“
„Schwierigkeiten?“ fragte Enriques ungeduldig.
Flandry erklarte es ihm.