einen Blick zu, den er am liebsten gleich wieder vergessen hatte.
Er kroch aus der Kiste. Im Laderaum war es stockfinster. Die Helmlaterne seines Raumanzugs warf einen dunnen Lichtkegel, dem er nachgehen konnte. Langsam und unbeholfen kletterte er uber Sacke und Kisten zur Tur.
Im Schiff war es still. Die gedrosselte Maschine brummte. Ventilatoren rauschten. Das Schiff mu?te sich bereits in einer Umlaufbahn um Starkad befinden und wartete anscheinend auf die Landegenehmigung. Er hatte uberlebt. Die Merseier waren nur Meter an seinem Versteck vorbeigekommen; er hatte sie sprechen horen konnen. Aber dann waren sie gegangen, und die „Rieskessel“ hatte von neuem beschleunigt. Es mu?te Persis gelungen sein, den Kapitan bei Laune zu halten; wie, daran mochte er nicht denken.
Er offnete die Tur und spahte vorsichtig hinaus. Der Korridor lag leer vor ihm. Aus dem Vorschiff, wo die Mannschaftsquartiere lagen, erklang eine quarrende, nichtmenschliche Musik, einem Froschkonzert nicht unahnlich. Kapitan Brummelmann schien es mit der Landung nicht eilig zu haben, und seine Besatzung benutzte die Gelegenheit zum Faulenzen.
Flandry stahl sich durch den Korridor zum nachstbesten Beiboot, erreichte ungesehen die Schleusenkammer und kroch in die Pilotenkanzel. Dann schlo? er den Helm. Die Pumpen sogen fauchend Luft aus der Schleusenkammer. Sobald er den Einstieg des Beiboots verriegelt hatte, offnete sich das au?ere Schleusentor selbsttatig.
Der Raum mit seinen Myriaden Sternen glitzerte vor ihm. Er lie? das Boot mit der geringsten Beschleunigung aus der Kammer gleiten. Starkad hing wie eine immense dunkle Scheibe unter ihm. Allmahlich verstarkte er die Schubkraft und scho? in weiten Spiralen abwarts. Die Geographie des Planeten war klar in seiner Erinnerung. Er wurde keine Schwierigkeit haben, Ujanka zu finden — Ujanka, die Stadt, die er gerettet hatte.
14
Dragoika richtete sich halb von ihrer Couch auf. „Geh nicht wie ein gefangenes Tier umher, Dommaneek“, sagte sie. „Komm an meine Seite und ruhe dich aus.“
Durch das Fenster drangen die Gerausche ungezahlter Fu?e, das Klirren von Waffen, ein Stimmengewirr wie ferne Brandung. Die Leute von Kursoviki hatten das Haus umstellt und drangten sich auf den Gassen, soweit das Auge reichte. Lanzen und Axte, Helme und Gewehrlaufe blinkten in Saxos hartem Licht. Es war kein aufruhrerischer Haufen; es waren die Krieger von Ujanka, herbeigerufen von der Schwesternschaft. Andere bewachten die Schiffe und das Hafenkastell. Mein Gott, dachte Flandry. Und alles meinetwegen!
Er folgte ihrer Aufforderung und warf sich auf die andere Couch. Zwischen ihnen stand ein kleiner Tisch, dessen Form einer Blume nachempfunden war. Eine Karaffe und Glaser standen darauf. Dragoika schlurfte. „Willst du nicht mit mir trinken, Dommaneek?“
„Ich… ja, danke.“ Er konnte nicht ablehnen, obwohl der starkadische Wein wie Essig auf seiner Zunge brannte. Au?erdem konnte es nicht schaden, wenn er sich an die einheimische Kost gewohnte; moglicherweise mu?te er lange davon leben.
„Wie ist es euch gegangen?“ fragte Flandry lahm.
„Wie immer. Wir haben dich vermi?t, Dommaneek, ich und Ferok und deine anderen alten Kameraden. Wie froh bin ich, da? die ›Archer‹ gerade im Hafen liegt.“
„Ein gro?es Gluck fur mich.“
„Nein, nein, jeder hatte dir geholfen. Das Volk dort unten, die Seeleute, Handwerker und Bauern, sind genauso zornig wie ich.“ Dragoikas kurzer Schwanz zuckte, ihre Segelohren stellten sich auswarts. „Sie haben dich zum Gesetzlosen erklart, nicht?“
„Ich wei? nicht, wie die Situation ist. Ich wage keine Sprechfunkverbindung herzustellen. Die Merseier konnten es abhoren. So mu?te ich deinem Boten eine Nachricht fur unsere Leute mitgeben. Jetzt bin ich neugierig, ob Admiral Enriques darauf eingeht und einen vertrauenswurdigen Mann herschickt.“
„Ich wei?. Und mein Bote hat den vaz-Terranern klargemacht, da? sie meinen Dommaneek nicht gefangennehmen werden, es sei denn, sie wollen den Krieg.“
„Aber das hattest du nicht tun sollen!“
„Sie wollen keinen Krieg. Sie brauchen uns mehr als wir sie, um so mehr, als sie sich mit den vaz-Siravo von Zletovar nicht einigen konnten.“
„Nicht?“ Flandry schuttelte bekummert den Kopf und versank in dusteres Schweigen.
„Du hast mir wenig von deinen Taten berichtet“, fuhr Dragoika fort. „Nur, da? du ein gro?es Geheimnis bewahrst. Was ist es?“
„Es tut mir leid, aber ich darf es nicht einmal dir sagen.“
Sie seufzte. „Wie du willst. Dann erzahl mir von deiner Reise.“
Er versuchte es, und weil sie sich so um ein Verstehen bemuhte, geriet er unversehens in Fahrt und berichtete ausfuhrlicher, als er eigentlich wollte, von seiner Flucht, wobei er, um ihre Gefuhle nicht zu verletzen, aus Persis einen Freund machte.
Dann summte sein Funksprechgerat. Er hob sein Handgelenk vor den Mund, druckte den Sendeknopf und meldete sich.
„Admiral Enriques“, sagte es aus dem winzigen Lautsprecher. „Ich komme mit zwei Begleitern in einer Boudreau X-7. Wo soll ich landen?“
Enriques personlich? Mein Gott, habe ich mich in die Nesseln gesetzt! Er stammelte die Richtungsangaben. Eine leichte Maschine, so hatte er in seinem Brief vorgeschlagen, konne auf dem Turm von Dragoikas Haus niedergehen. „Wissen Sie, Herr Admiral, die Leute hier, sie sind — ah — aufgeregt und haben sich bewaffnet. Wenn Sie auf dem Turm landen, konnen Sie moglichen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen.“
„Haben Sie das veranla?t?“
„Nein, Herr Admiral. Ich meine, nicht direkt. Aber alle sind in voller Kriegsausrustung und bewachen das Haus. Sie wollen mich niemandem ausliefern, der mir, wie sie glauben, feindlich gesonnen ist. Sie drohen mit einem Angriff auf unseren Stutzpunkt, wenn… Ganz aufrichtig gesprochen, Herr Admiral, ich habe nicht versucht, unsere Verbundeten gegen Sie aufzuwiegeln. Ich kann alles erklaren.“
„Das mochte ich Ihnen raten“, sagte Enriques. „Sie sind unter Arrest, aber wir verzichten einstweilen darauf, Sie in Gewahrsam zu nehmen. In drei Minuten landen wir. Ende.“
„Was hat er gesagt?“ zischte Dragoika. Ihr Fell war gestraubt.
Flandry sagte es ihr. Sie glitt von der Couch und nahm ein Schwert von der Wand. „Ich rufe ein paar Krieger herbei, um sicherzugehen, da? er sein Versprechen halt.“
„Das wird er, davon bin ich uberzeugt. Aber der Anblick seiner Maschine konnte Unruhe hervorrufen. Konnen wir den Leuten in den Stra?en sagen, da? es ein Unterhandler ist?“
Dragoika lief hinaus, und Flandry horte, wie sie die wartende Menge beruhigte. Flandry sa? auf der Couch, den Kopf in die Hande gestutzt, und sprang erst auf, als zwei bewaffnete Krieger Enriques hereingeleiteten. Der Admiral war allein. Zogernd legte Dragoika ihr Schwert auf den Tisch.
„Stehen Sie bequem“, schnarrte Enriques. Er war klein, ausgezehrt und grauhaarig, mit einer scharfen Hakennase. „Wollen Sie mich nicht der Hausherrin vorstellen?“
„Ah… Vizeadmiral Juan Enriques… Kapitan Dragoika von den Janjevar va-Radovik.“
Der Offizier klappte die Hacken zusammen und verneigte sich. Dragoika betrachtete ihn einen Moment, dann hob sie in Erwiderung seines Gru?es die rechte Hand an die Stirn.
„Mochten Sie nicht Platz nehmen, Herr Admiral?“
Enriques wartete, bis Dragoika es sich auf ihrer Couch bequem gemacht hatte, dann setzte er sich steif. Flandry blieb stehen. Schwei? prickelte auf seiner Haut.
„Bitte, Herr Admiral“, platzte er heraus. „Ist Donna d'Io gesund und wohlauf?“
„Ja, wenn man von einer gewissen nervosen Erschopfung absieht. Sie landete kurz nach dem Eintreffen Ihrer Botschaft. Der Kapitan der ›Rieskessel‹ hat sein Schiff unter allen moglichen Vorwanden in einer Umlaufbahn gehalten. Als wir durch Sie erfuhren, da? Donna d'Io an Bord war, boten wir ihm an, eine Maschine aufsteigen zu lassen, um sie zu holen. Darauf landete er. Was ist dort vorgegangen?“