Ein halbes Dutzend neuer Tanzer traten in den Kreis und begannen eine Horra, den Tanz der judischen Bauern. Der Horra-Ring wurde immer gro?er und gro?er, bis alle Anwesenden auf den Beinen waren und sich au?en um den ersten Ring ein zweiter bildete. Joab und Ari zogen Kitty mit in diesen au?eren Kreis. Der Kreis bewegte sich in eine Richtung, bis die Tanzer plotzlich mit einem Sprung kehrtmachten und sich in die entgegengesetzte Richtung bewegten. Das Tanzen und Singen hatte schon vier Stunden gedauert, und immer noch ging es mit unverminderter Lebhaftigkeit weiter. David und Jordana entfernten sich unbemerkt und gingen durch die Raume des Sarazenenschlosses, bis von der Musik und dem Rhythmus der Trommel fast nichts mehr zu horen war. Sie kamen zu einer kleinen Zelle in der Mauer der ostlichen Winde. Hier war nichts mehr zu horen au?er dem Gerausch des Windes, der aus dem Jesreel-Tal kam. David breitete seine Decke auf der Erde aus, und sie umarmten sich zartlich und liebend.
»David!« rief Jordana leise und mit bebender Stimme. »David, ich liebe dich so sehr!«
Der Wind erstarb, und sie horten wilde Musik.
»David — David — David —«, flusterte Jordana, wahrend sie ihre Lippen an seinen Hals druckte, und auch David wiederholte immer wieder ihren Namen.
Dann lag Jordana still in seinen Armen, und seine Finger strichen sanft uber ihre Lippen, ihre Augen und durch das Haar.
»Ich bin eine Blume zu Scharon und eine Rose im Thal«, flusterte Jordana. »Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin, meine Schone, und komm her! Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube la?t sich horen in unserem Lande.«
Es wurde so still, da? sie ihre Herzen schlagen horen konnten.
»Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet. Oh, David — sag es mir, sag es mir.«
David flusterte, den Mund an ihrem Ohr: »Siehe, meine Freundin, du bist schon! Siehe, schon bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen Zopfen. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die gelagert sind am Berge Gilead herab. Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur, und deine Rede lieblich. Deine Bruste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden.«
David und Jordana fielen eng umschlungen in einen glucklichen Schlaf.
Um vier Uhr morgens wurde das Fleisch der gebratenen Lammer zerteilt und auf arabische Art mit hei?em Kaffee gereicht. Als Ehrengast bekam Kitty die erste Scheibe. Das leidenschaftliche Singen und Tanzen hatte ein wenig nachgelassen; viele lagen Arm in Arm. Das Lamm schmeckte wunderbar.
Im Licht des niederbrennenden Feuers betrachtete Kitty Fremont die Gesichter in der Runde. Was war das fur eine Armee, der diese jungen Leute angehorten? Was fur Soldaten waren das, ohne Uniform und Rang? Was war das fur ein Heer, in dem die Frauen Seite an Seite mit ihren Mannern kampften? Wer waren sie, diese jungen Lowen von Judaa?
Sie richtete ihren Blick auf das Gesicht Ari ben Kanaans, und ein Schauder fuhr durch ihren Korper. Wie ein elektrischer Schlag traf sie die Erkenntnis: dies war keine Armee gewohnlicher Sterblicher! Diese jungen Leute waren die alten Hebraer! Diese Gesichter waren die Gesichter von Dan und Reuben und Juda und Ephraim! Das hier waren Samsons und Deborahs, Joabs und Sauls, Miriams und Davids.
Es war das Heer Israels, und keine Macht der Welt konnte ihm Einhalt gebieten, denn in diesen Mannern und Frauen war die Kraft Gottes!
VI.
INSTITUT FUR INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN Chatham-House London Tagelang hatte Cecil Bradshaw, der Experte fur die nahostliche Politik, in seinem Buro in Chatham-House die Berichte verschiedener amtlicher Stellen uber die Situation in Palastina studiert, sich Auszuge daraus gemacht und zu einem Ergebnis zu kommen versucht. Das Kolonialamt, das Ministerium und sogar Number 10 Downing-Street erwarteten von ihm einen Vorschlag, was zu tun sei. Das Palastina-Mandat war nunmehr heillos verfahren. Die bisherige englische Politik in Palastina hatte sich als unbrauchbar erwiesen und mu?te vollig neu konzipiert werden. Bradshaw war ein Mann mit siebenunddrei?igjahriger Erfahrung auf diesem Gebiet. Im Verlauf dieser Zeit hatte er hundert Konferenzen mit den Zionisten und den Arabern gehabt. Wie die meisten Manner der englischen Verwaltung war auch Bradshaw davon uberzeugt, das Interesse Englands erfordere es, die Araber bei guter Laune zu halten; immer wieder war es ihm gelungen, die Araber, die mit Drohungen und Erpressungen kamen, zu beschwichtigen. Diesmal waren sie aber ernstlich rebellisch geworden, und die Konferenzen, die im Augenblick in London stattfanden, endeten mit einem Fiasko. Es steht vollig au?er Frage, da? Hadsch Amin el Husseini, der Mufti, den Gro?arabischen Aktionsausschu? in Palastina von seinem Exil in Kairo aus leitet. Jetzt racht es sich, da? wir es aus Furcht vor religiosen Unruhen unterlassen haben, den Mufti als Kriegsverbrecher anzuklagen. Die Haltung der Araber ist vollig unvernunftig geworden. Sie lehnen es ab, sich mit den Juden an einen Tisch zu setzen, wenn zuvor nicht bestimmte arabische Bedingungen widerspruchslos akzeptiert werden.
Cecil Bradshaw war dabeigewesen, als der Nahe Osten auf der Konferenz von San Remo zwischen England und Frankreich aufgeteilt worden war, der Mandatsvertrag paraphiert und die Balfour-Deklaration abgegeben wurden. Bradshaw gehorte zu der Politikergruppe, die das halbe Mandatsgebiet genommen und daraus das Konigreich Transjordanien gemacht hatte. In all den Jahren, bei
allen Unruhen des Mufti, hatten sie es nie mit einem Gegner vom Format der Makkabaer zu tun gehabt. Die judischen Terroristen kampften mit angsterregendem Fanatismus.
Immer wieder haben wir den Jischuw-Zentralrat und die judische Bevolkerung aufgefordert, die britischen Behorden bei der Ausschaltung der verbrecherischen Elemente zu unterstutzen, die sich Makkabaer nennen. Der Zentralrat behauptete zwar, keine Macht uber diese Leute zu haben, und verurteilt offiziell auch ihre Aktionen; es ist jedoch bekannt, da? ein gro?er Teil der Juden diese verbrecherischen Methoden insgeheim guthei?t. Wir haben in dieser Sache keine Unterstutzung bei den Juden gefunden. Die Tatigkeit der Makkabaer hat einen solchen Umfang erreicht, da? wir es fur notwendig erachten, alle Englander, deren Anwesenheit nicht aus dienstlichen Grunden dringend erforderlich ist, und alle englischen Familien aus Palastina zu evakuieren.
Bradshaw las die Berichte uber die zunehmenden Terroraktionen, die das Heilige Land von einem Ende bis zum andern erzittern lie?en.
Au?er dem Uberfall auf die Raffinerie von Haifa, durch den die Produktion fur zwei Wochen lahmgelegt wurde, und dem Uberfall auf den Flugplatz Lydda, bei dem eine Staffel Jagdmaschinen zerstort wurde, fanden zehn Uberfalle auf englische Wagenkolonnen und funfzehn auf militarische Anlagen statt. Immer mehr Anzeichen sprechen dafur, da? die Einsatztruppe der Hagana, der Palmach, unruhig wird und an einigen der jungsten Terroraktionen vielleicht sogar beteiligt war.
Die kaum noch seetuchtigen, mit verzweifelten Menschen vollgepackten Fahrzeuge der Aliyah Bet brachten Massen von illegalen Einwanderern an die Kusten von Palastina.
Obwohl die Anzahl der Marineeinheiten, die vor der Kuste Patrouillendienst tun, erhoht wurde, hat die Aktivitat der Aliyah Bet seit dem Exodus-Zwischenfall merklich zugenommen. Die Amerika, San Miguel, Ulloa, Abril, Susannah und San Filipo haben achttausend illegale Einwanderer aus DP-Lagern in Europa nach Palastina gebracht. Wir haben Grund zu der Annahme, da? es au?erdem noch zwei weiteren Schiffen gelungen ist, die Blockade zu durchbrechen und in Palastina zu landen. Aus den Berichten unserer Botschaften und Konsulate in den Mittelmeerlandern geht hervor, da? wenigstens funf weitere Schiffe von der Aliyah Bet erworben wurden und umgebaut werden, um in Kurze den Versuch zu unternehmen, illegale Einwanderer nach Palastina zu bringen.
Die Englander hatten in Palastina starke Streitkrafte stationiert. Zweiundfunfzig Teggart-Forts uberzogen das kleine Land mit einem dichten Netz von Befestigungsanlagen. Dazu kamen noch Grenzbefestigungen, wie beispielsweise Fort Esther. In jeder Stadt gab es eine aktive Polizeitruppe, und in Transjordanien existierte die starke Arabische Legion. Au?er den Teggart-Forts besa?en die Englander umfangreiche Stutzpunkte bei Atlit im Gebiet von Haifa, die Schneller-Kasernen in Jerusalem und das riesige Camp Sarafand au?erhalb von Tel Aviv.
Wir haben im Lauf der letzten Monate die Operationen Noah, Ark, Lobster, Mackerei, Cautious, Lonesome, Octopus, Cantonment und Harp unternommen, um einen bestandigen Druck auf den Jischuw auszuuben. Bei diesen Unternehmungen handelt es sich im wesentlichen um eine dauernde Uberprufung der Bevolkerung zur Feststellung illegaler Einwanderer, um Suchaktionen zur Ermittlung illegaler Waffenlager und um Gegenangriffe an Stellen, wo unsere Streitkrafte angegriffen worden waren. Infolge der hundertprozentigen Organisation und Zusammenarbeit aller Juden haben wir mit unseren Ma?nahmen jedoch nur geringe Erfolge gehabt. Als Versteck fur Waffen dienen Blumenkasten, Aktenschranke, Kuchenofen, Kuhlschranke, hohle Tischbeine und tausend andere phantasievoll