aus dem Wagen geworfen wurde, war ein Makkabaer.
General Sir Arnold Haven-Hurst war wutend. Unruhig ging er in seinem Dienstzimmer der Kommandantur in Jerusalem auf und ab, dann nahm er Cecil Bradshaws Brief, der auf seinem Schreibtisch lag, und las ihn noch einmal. »Die Situation hat ein solches Stadium erreicht, da? ich mich, falls von Ihnen nicht Vorschlage fur eine sofortige Stabilisierung gemacht werden konnen, dazu gezwungen sehe, die Sache vor die UNO zu bringen.«
Vor die UNO, wahrhaftig! Der General brummte wutend, knullte den Brief zusammen und warf ihn auf den Fu?boden. Das also war der Dank, da? er funf Jahre lang gegen die Juden angegangen war. Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges hatte er das Kriegsministerium davor gewarnt, Juden in die britische Armee aufzunehmen, aber nein, man hatte nicht auf ihn gehort. Und jetzt sollte vielleicht gar das Palastina-Mandat verlorengehen. Haven- Hurst begab sich an seinen Schreibtisch und begann eine Antwort auf den Brief von Bradshaw auszuarbeiten.
Ich schlage vor, unverzuglich folgende Ma?nahmen zu ergreifen, durch welche meiner Meinung nach Ruhe und Ordnung in Palastina wiederhergestellt werden konnen:
1. Aufhebung aller zivilen Gerichte und Ubertragung der Strafgewalt an den militarischen Befehlshaber.
2. Auflosung des Jischuw-Zentralrats, der Zionistischen Siedlungsgesellschaft und aller anderen judischen Agenturen.
3. Verbot aller judischen Zeitungen und Publikationen.
4. Rasche und unauffallige Liquidierung von zirka sechzig fuhrenden Jischuw-Mannern. Hadsch Amin el Husseini hat sich dieser Methode gegenuber seinen politischen Opponenten erfolgreich bedient. Dieser Teil des Programms konnte durch arabische Helfer ausgefuhrt werden.
5. Restloser Einsatz der Arabischen Legion von Transjordanien.
6. Verhaftung einiger hundert fuhrender Jischuw-Angehoriger zweiter Ordnung, und anschlie?ende rasche Verbannung dieser Leute in irgendwelche entfernten afrikanischen Kolonien.
7. Bevollmachtigung des militarischen Befehlshabers, jede Siedlung, jeden Ort oder jeden Stadtteil, in dem Waffen vorgefunden werden, zu zerstoren. Uberprufung der gesamten judischen Bevolkerung von Palastina, und sofortige Deportation aller dabei festgestellten illegalen Einwanderer.
8. Fur jede Terroraktion der Makkabaer wird der judischen Bevolkerung eine kollektive Geldbu?e auferlegt; diese Geldbu?en sind so hoch zu bemessen, da? die Juden veranla?t werden, sich an der Ergreifung dieser verbrecherischen Elemente zu beteiligen.
9. Aussetzung hoherer Belohnungen fur Informationen uber prominente Makkabaer, Aliyah-Bet-Agenten, Hagana-Fuhrer etc.
10. Jeder Makkabaer, der ergriffen wird, ist auf der Stelle zu erhangen oder zu erschie?en.
11. Boykottma?nahmen gegen den judischen Handel, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, und Blockierung des gesamten judischen Im- und Exports.
12. Vernichtung des Palmach durch bewaffnete Angriffe auf judische Siedlungen, von denen bekannt ist, da? sie Palmach-Einheiten Unterschlupf gewahren.
Meine Truppen waren bisher gezwungen, unter den denkbar schwierigsten Bedingungen zu operieren. Wir mu?ten uns an die Regeln halten und darauf verzichten, unser Potential uneingeschrankt und auf die wirkungsvollste Weise einzusetzen. Die Makkabaer dagegen, die Hagana, der Palmach und Aliyah Bet halten sich an keinerlei Spielregeln. Sie halten unsere Zuruckhaltung fur Schwache und machen sie sich zunutze. Wenn man mir erlaubt, meine Streitkrafte einzusetzen, versichere ich, da? die Ordnung in kurzer Zeit wiederhergestellt sein wird.
General Sir Arnold Haven-Hurst KBE, CB, DSO, MC Cecil Bradshaws Gesicht war bleich, als General Tevor- Browne in seinem Buro in Chatham-House anlangte.
»Nun, Bradshaw, Sie wollten wissen, was Haven-Hurst vorzuschlagen hat. Jetzt wissen Sie es.«
»Ist der Mann wahnsinnig geworden? Gro?er Gott, was er da vorschlagt, das hort sich ahnlich an wie Adolf Hitlers ,Endlosung'.« Bradshaw nahm Haven-Hursts »Zwolf Punkte« von seinem Schreibtisch und schuttelte den Kopf. »Wir haben wei? Gott den Wunsch, Palastina zu halten — aber morden, Ortschaften niederbrennen, Menschen erhangen und aushungern? Solche Vorschlage kann ich nicht befurworten. Und selbst, wenn ich es tate, so wei? ich nicht, ob es in der britischen Armee genugend Leute gibt, die bereit waren, sie auszufuhren. Ich habe mich mein ganzes Leben lang fur das Empire eingesetzt, Sir Clarence, und mehr als einmal mu?ten wir uns entschlie?en, harte Ma?nahmen zu ergreifen. Doch glaube ich noch an Gott. Auf diese Weise werden wir Palastina nicht halten. Ich jedenfalls will damit nichts zu tun haben. Mag jemand anderer Haven-Hurst seine Zustimmung erteilen — ich nicht.«
Cecil Bradshaw nahm Haven-Hursts Vorschlage und knullte sie zusammen. Er legte sie in seinen gro?en Aschenbecher, hielt ein Streichholz daran und sah zu, wie das Schriftstuck verbrannte. »Wir haben gottlob den Mut, fur unsere Sunden geradezustehen«, sagte er leise.
Die Frage des Palastina-Mandats wurde vor die UNO gebracht.
VII.
Gegen Ende des Fruhjahrs 1947 verschwand Ari ben Kanaan, den Kitty auch schon vorher kaum gesehen hatte, vollig aus ihrem Leben. Sie sah und horte nichts mehr von ihm. Sollte er Jordana Gru?e fur sie aufgetragen haben, so hatte Jordana diese Gru?e jedenfalls nicht ausgerichtet. Die beiden Frauen sprachen kaum noch miteinander. Kitty bemuhte sich, Jordana gegenuber hoflich zu sein; doch Jordana machte selbst das schwierig.
Die Frage des Palastina-Mandats lag jetzt vor der UNO, die einen Ausweg aus der verfahrenen Situation finden sollte. Der umstandliche Apparat der Vereinten Nationen setzte sich in Bewegung, einen Ausschu? aus Vertretern kleinerer neutraler Lander zu bilden, der den Fall untersuchen und der Vollversammlung Vorschlage unterbreiten sollte. Der Jischuw-Zentralrat und die Zionistische Weltorganisation waren damit einverstanden, da? sich die UNO mit der Sache befa?te. Die Araber dagegen versuchten durch Drohungen, Boykotte, Erpressungen und andere Druckmittel eine unparteiische Beurteilung des Palastina-Problems zu verhindern.
In Gan Dafna wurde die militarische Ausbildung der Gadna-Gruppe mit beschleunigtem Tempo durchgefuhrt. Das Jugenddorf wurde zu einem Schwerpunkt der geheimen Waffenlagerung. Gewehre wurden nach Gan Dafna gebracht, um hier von den Jugendlichen gereinigt und danach heimlich zu den Palmach-Einheiten in die Siedlungen des Hule-Gebietes gebracht zu werden. Immer wieder wurde Karen dazu abkommandiert, an diesem Waffenschmuggel teilzunehmen. Genau wie alle anderen unterzog sie sich dieser Aufgabe mit selbstverstandlicher Bereitwilligkeit. Kitty war jedesmal nahe daran, Karen vor der Teilnahme an diesen gefahrlichen Dingen zu warnen, doch sie sagte nichts. Sie wu?te, da? es zwecklos gewesen ware. Karen lie? auch in ihren Nachforschungen uber den Verbleib ihres Vaters nicht nach, obwohl bisher alles erfolglos gewesen war. Die zuversichtliche Hoffnung, von der sie in La Ciotat erfullt gewesen war, begann allmahlich zu schwinden. Sie blieb in Verbindung mit den Hansens in Danemark. Sie schrieb jede Woche einen Brief, und jede Woche kam ein Brief und oft auch ein Paket fur sie aus Kopenhagen. Meta und Aage Hansen hatten alle Hoffnung aufgegeben, da? Karen jemals zu ihnen zuruckkehren wurde. Auch wenn Karen ihren Vater nicht finden sollte, war sie, wie ihre Briefe zeigten, fur die Hansens verloren. Karen identifizierte sich immer ausschlie?licher mit Palastina und dem Judentum. Die einzige Einschrankung dabei war Kitty Fremont.
Dov Landaus Benehmen blieb seltsam und widerspruchsvoll. Gelegentlich sah es fast so aus, als wurde er die Mauer seiner Einsamkeit durchbrechen, und in diesen Augenblicken vertiefte sich die Beziehung zwischen ihm und Karen. Dann aber zog sich Dov, wie erschrocken daruber, da? er sich hervorgewagt hatte, wieder in sein Schneckenhaus zuruck. Mit einer fanatischen Konzentration wandte er sich seinem Studium zu, seinen Buchern und Zeichnungen, und zog sich von jeglicher lebendiger Umwelt zuruck. Doch jedesmal, wenn er nahe daran war, ganzlich in seiner Isolierung zu versinken, gelang es Karen, ihn wieder daraus hervorzuholen. Seine Bitterkeit war nie so tief, Karen zuruckzuweisen.
Kitty Fremont war im Lauf der Zeit in Gan Dafna immer unentbehrlicher geworden. Dr. Liebermann brauchte ihre Hilfe tagtaglich bei irgendwelchen Schwierigkeiten. Als wohlwollender Au?enseiter war Kitty haufig in der Lage, Dinge zu beeinflussen, weil sie sozusagen nicht zur Familie gehorte. Dr. Liebermanns Freundschaft wurde fur sie zu einer der wichtigsten menschlichen Beziehungen, die sie je gehabt hatte. Sie ordnete sich vollig in das Leben von Gan Dafna ein und hatte in der Arbeit mit psychisch gestorten Kindern gro?artige Erfolge. Doch nach wie vor blieb irgendeine Grenze, eine Trennung bestehen. Kitty war sich daruber klar, da? dies teilweise an ihr selbst lag, doch sie wollte keine Anderung.
Im Zusammensein mit Bruce Sutherland fuhlte sich Kitty sehr viel wohler und behaglicher als im Zusammensein mit den Menschen von Gan Dafna. Bei Sutherland war sie entspannt und zufrieden, und sie sah mit