Kanaaniter im Kampf gegen Deborah.
Als die ersten Offiziere den Kibbuz erreichten, nahmen die Scharfschutzen sie aufs Korn und bliesen sie um. Kawukys ruhmreiche »Yarmuk-Streitkrafte« hatten fur diesmal genug.
Kawuky tobte vor Wut uber die Blamage von Tirat Zwi. Er mu?te rasch einen Sieg erreichen, um das Gesicht zu wahren. Diesmal entschlo? er sich, ein gewagtes Spiel zu spielen.
Vom strategischen Standpunkt aus war die Stra?e zwischen Tel Aviv und Haifa fur den Jischuw wichtiger als die Stra?e nach Jerusalem. War die Verbindung zwischen Tel Aviv und Haifa unterbrochen, dann waren Galilaa und Scharon voneinander getrennt, und die Juden der Moglichkeit des einheitlichen Handelns beraubt. An der Hauptverkehrsstra?e von Tel Aviv nach Haifa lagen arabische Ortschaften, die die Juden zwangen, die weiter im Innern gelegenen Nebenstra?en zu benutzen, um den Guterverkehr zwischen den beiden Stadten aufrechtzuerhalten. An einer der wichtigsten dieser Umgehungsstra?en lag der Kibbuz Mischmar Ha'Emek — »der Talwachter«. Kawuky, dessen Ehrgeiz darauf ausging, Tel Aviv von Haifa zu trennen, beschlo?, Mischmar Ha'Emek anzugreifen.
Diesmal war Kawuky entschlossen, die Fehler von Tirat Zwi nicht zu wiederholen. Er massierte mehr als tausend Mann und ging mit ihnen in den Bergen rings um Mischmar Ha'Emek in Stellung, unterstutzt durch zehn Kanonen Gebirgsartillerie Kaliber 7,5.
Als er Mischmar Ha'Emek eingeschlossen hatte, eroffnete Kawuky heftiges Artilleriefeuer, dem die Juden nichts entgegenzusetzen hatten als ein einziges Maschinengewehr.
Nachdem der Kibbuz einen Tag lang unter Beschu? gelegen hatte, riefen die Englander einen Waffenstillstand aus, begaben sich nach Mischmar Ha'Emek und wiesen die Juden an, den Ort zu evakuieren. Als die Einwohner dieses Ansinnen ablehnten, zogen die Englander wieder ab. Sie wuschen ihre Hande in Unschuld. Kawuky erfuhr von den Englandern, da? die Juden in Mischmar Ha'Emek relativ schwach waren. Was Kawuky nicht wu?te, da er nicht uber einen Intelligence Service zur Feindaufklarung verfugte, war, da? es im Emek-Tal von Leuten wimmelte, die fur die Hagana ausgebildet wurden. Im Laufe der zweiten Nacht begaben sich zwei Bataillone der Hagana leise und unbemerkt in den Kibbuz.
Am Tage darauf trat Kawuky mit seinen Leuten zum Angriff an. Statt einen Kibbuz zu betreten, dessen Bewohner sich erschreckt verkrochen, stie? er auf zwei Bataillone ausgebildeter Soldaten, die darauf brannten, sich mit dem Gegner zu messen. Kawukys Angriff wurde zerschlagen.
Er sammelte seine Leute und versuchte es mit einem allmahlichen, aber pausenlos vorgetragenen Angriff. Er war genauso erfolglos. Kawuky griff wieder und wieder an, doch mit jedem Angriff sank die Angriffslust der Irregularen. Sie gingen vor, wichen aber zuruck, sobald sie auf ernstlichen Widerstand stie?en.
Gegen Ende des Tages hatte Kawuky seine Leute nicht mehr in der Hand. Sie fingen an, sich aus dem Kampfgebiet davonzumachen.
Die Juden in Mischmar Ha'Emek beobachteten diese Entwicklung, brachen vor und stie?en den fliehenden Arabern nach. Diese Wendung war vollig unerwartet. Die Araber waren so konsterniert, als sie die zum Angriff vorgehenden Juden sahen, da? sie die Flucht ergriffen, wahrend die Manner der Hagana ihnen buchstablich auf den Fersen folgten. Das Ruckzugsgefecht erstreckte sich meilenweit bis nach Meggiddo, der Stelle, an der Hunderte Schlachten durch die Jahrhunderte hindurch stattgefunden hatten. Und hier, auf dem historischen Schlachtfeld, schlugen die Juden Kawukys Streitkrafte vernichtend. Das Gemetzel endete erst, als die Englander aufkreuzten und einen Waffenstillstand erzwangen. Die Juden hatten ihren ersten klaren Sieg in ihrem Freiheitskrieg errungen.
Im Korridor von Jerusalem leistete die Hugelbrigade des Palmach eine geradezu titanische Arbeit, um die Stra?e offenzuhalten. Diese kaum Zwanzigjahrigen, mit Kommandeuren, die nicht viel alter waren als sie, patrouillierten durch die tiefen Schluchten und Einoden von Judaa und unternahmen standig Uberraschungsangriffe auf arabische Stutzpunkte.
In Tel Aviv wurde ein riesiger Geleitzug vorbereitet, um Jerusalem zu retten. Aufgabe der Hugelbrigade war es, das arabische Dorf Kastei einzunehmen, das um eine alte Kreuzritterfestung gebaut war — eine der wichtigsten Hohenstellungen der Stra?e.
Der Sturm auf Kastei wurde zur ersten judischen Offensivaktion im Freiheitskrieg. Die Brigade mu?te das Dorf in der Dunkelheit von der Flanke her angreifen. Mude und erschopft vom Aufstieg erreichte sie Kastei, eroffnete trotzdem sofort das Feuer und vertrieb die Araber nach blutigen Nahkampfen aus dem Ort.
Die Einnahme von Kastei trug wesentlich dazu bei, die gedruckte Stimmung des Jischuw zu heben. Nach diesem Sieg gelang es dem Geleitzug, Schritt fur Schritt weiter durch Bab el Wad vorzudringen und die Neustadt von Jerusalem zu erreichen. Der belagerten Stadt wurde lebenswichtige Erleichterung zuteil.
Kawuky raste. Er mu?te einen Sieg haben. Monatelang hatte er offizielle Verlautbarungen veroffentlichen lassen, in denen er sich einer pausenlosen Folge militarischer Triumphe geruhmt hatte. Da? es ihm nicht moglich gewesen war, auch nur eine judische Siedlung einzunehmen, hatte er mit »britischen Interventionen« zu erklaren versucht. Wenn die Englander aber aus dem Hule-Gebiet abzogen, hatte er kein Alibi mehr.
Er beorderte Mohammed Kassi, den Kommandeur der irregularen Streitkrafte im Hule-Gebiet, der in Fort Esther sa?, zu sich in sein Hauptquartier in Nablus.
»Ich habe aus Damaskus eine Nachricht von Seiner Heiligkeit, dem Mufti, erhalten«, sagte Kawuky. »Am 15. Mai, einen Tag nach der Beendigung des britischen Mandats, beabsichtigt Hadsch Amin el Husseini im Triumph nach Palastina zuruckzukehren.«
»Und welch ein glorreicher Tag wird das fur den ganzen Islam sein«, sagte Mohammed Kassi.
»Seine Heiligkeit hat bis zur volligen Vernichtung der Zionisten Safed als seinen vorlaufigen Sitz erwahlt. Nachdem jetzt der gute Freund der Juden, Major Hawks, aus Safed abgezogen ist, wird sich die Stadt innerhalb einer Woche in unserer Hand befinden.«
»Ich bin erfreut, diese gute Nachricht zu horen!«
»Dennoch«, fuhr Kawuky fort, »wird Safed fur die Ruckkehr Seiner Heiligkeit nicht sicher genug sein, solange noch ein einziger Jude im Hule-Tal ist. Juden bedeuten einen Dolch in unserem Rucken. Wir mussen sie ausradieren.«
Mohammed Kassi wurde ein wenig bleich.
»Das Hule-Tal liegt, wie mir scheint, in Ihrem Kommandobereich, mein Bruder. Ich mochte, da? Sie unverzuglich Gan Dafna einnehmen. Sobald Gan Dafna in unserer Hand ist, werden wir die ubrigen Zionisten des Hule-Tals an der Kehle haben.« »Generalissimus, ich darf Ihnen versichern, da? jeder einzelne meiner Freiwilligen vom Mut eines Lowen erfullt und entschlossen ist, sich mit allen Kraften fur die ehrenvolle Aufgabe einzusetzen, den Zionismus zu vernichten. Sie haben alle gelobt, bis zum letzten Blutstropfen zu kampfen.«
»Das ist gut. Sie kosten uns allein an Lohnung ohnehin fast einen Dollar pro Mann und Monat.«
Kassi strich sich seinen Bart und hob seinen mit einem gro?en Brillantring geschmuckten Zeigefinger in die Hohe. »Dennoch, es ist allgemein bekannt, da? Major Hawks in Gan Dafna dreitausend Gewehre, hundert Maschinengewehre und Dutzende von schweren Granatwerfern hinterlassen hat!«
Kawuky sprang wutend von seinem Stuhl hoch. »Sie zittern vor Kindern!«
»Ich schwore beim Barte des Propheten, da? die Juden tausend Mann vom Palmach als Verstarkung nach Gan Dafna geschickt haben. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.«
Kawuky schlug Mohammed Kassi zweimal mit der Hand ins Gesicht. »Sie werden Gan Dafna einnehmen! Sie werden es dem Erdboden gleichmachen — oder ich werde Ihren Kadaver den Aasgeiern zum Fra? vorwerfen!«
V.
Mohammed Kassis erste Ma?nahme bestand darin, hundert seiner Leute nach Abu Yesha zu schicken. Unverzuglich begaben sich daraufhin einige der Dorfbewohner nach Ejn Or, um Ari die Sache zu melden. Ari wu?te, da? die Einwohner von Abu Yesha uberwiegend auf selten der Juden standen. Er wartete darauf, da? sie etwas gegen die Irregularen unternahmen.
Die Araber von Abu Yesha waren uber die Anwesenheit der Irregularen alles andere als erfreut. Jahrzehntelang hatten sie mit den Leuten von Yad El in guter Nachbarschaft gelebt; selbst ihre Hauser waren von den Juden erbaut worden. Sie waren weder erbittert, noch wunschten sie zu kampfen. Sie warteten nur darauf, von Taha, ihrem Muktar, zusammengerufen zu werden, um gemeinsam Kassis Leute aus Abu Yesha hinauszuwerfen.
Taha hullte sich in sonderbares Schweigen. Er gab weder Zustimmung noch Ablehnung zu erkennen. Als die Dorfaltesten in ihn drangen, die Manner von Abu Yesha zu einer gemeinsamen Aktion aufzurufen, lehnte Taha es ab, sich dazu zu au?ern. Sein Schweigen besiegelte das Schicksal von Abu Yesha, weil die Fellachen ohne Fuhrung hilflos waren.