Ari stand unbeweglich und machte keinerlei Anstalten, sich zu verteidigen. Taha hob den Dolch, dann erstarrte er, wandte sich ab und warf den Dolch von sich.
»Mein Gott, was habe ich getan?« flusterte Ari. Er ging auf Taha zu mit einem Gesicht, dessen Ausdruck um Verzeihung bat.
»Du hast mir alles gesagt, was ich wissen mu?. Hinaus aus meinem Haus, Jude!«
IV.
In Flushing Meadow, New York, hatten die Dinge eine sehr schlimme Wendung genommen. Da zur Durchsetzung des Beschlusses der UNO offensichtlich eine bewaffnete Intervention notwendig war, hatten die Amerikaner, aus Furcht, die Russen an einer internationalen Polizeitruppe im Nahen Osten beteiligen zu mussen, ihre bisherige Haltung zugunsten einer Teilung Palastinas aufgegeben.
Der Jischuw machte verzweifelte Anstrengungen, die Amerikaner von dieser defatistischen Haltung wieder abzubringen. Mitten in diesen wichtigen Verhandlungen wurde Barak ben Kanaan durch ein dringendes Telegramm aufgefordert, sich sofort nach Frankreich zu begeben. Infolge der Dringlichkeit der Arbeit in Flushing Meadow war Barak uber diese Anordnung zwar sehr erstaunt, doch er flog unverzuglich nach Frankreich.
Hier wurde er von zwei Beauftragten des Jischuw empfangen. Man hatte ihn gerufen, damit er an hochst geheimen Verhandlungen uber den Einkauf lebenswichtiger Waffen teilnahm. Man war beim Jischuw-Zentralrat der Meinung, da? Waffen infolge des Abschwenkens der Amerikaner im Augenblick wichtiger waren als alles andere, und da? fur eine derartige Transaktion niemand geeigneter war als Barak. Von ihrem guten Freund, dem tschechischen Au?enminister Jan Masaryk, hatten sie Informationen daruber bekommen, bei welchen Stellen in einem halben Dutzend europaischer Lander Waffen gekauft werden konnten.
Nach mehreren Wochen vorsichtiger und streng vertraulicher Verhandlungen wurden die Lieferungsvertrage abgeschlossen. Das nachste Problem bestand darin, die Waffen nach Palastina zu schaffen, das sich noch immer unter britischer Blockade befand.
Als erstes erwarb man ein Flugzeug, das uber einen genugend gro?en Laderaum zum Transport der Waffen verfugte. Ein Beauftragter der Aliyah Bet ermittelte in Wien einen ausrangierten uberzahligen amerikanischen Bomber vom Typ Liberator. Eine Firma, die sich »Alpine Luftfrachtgesellschaft« nannte, kaufte ihn. Als nachstes mu?te man eine Crew finden. Sechs Mann, vier sudafrikanische und zwei amerikanische Juden, die im Kriege Flieger gewesen waren, wurden fur diese Aufgabe ausgesucht und zu strengster Geheimhaltung verpflichtet.
Die letzte und schwierigste Aufgabe war, auf dem engen Raum des kleinen Palastina einen heimlichen Flugplatz zu schaffen, ohne da? ihn die Englander entdeckten. Man entschied sich fur einen von den Englandern nicht mehr benutzten Jagdfliegerstutzpunkt im Jesreel-Tal. Er lag in einem Gebiet mit rein judischer Bevolkerung, und hier schien es am ehesten moglich, da? es der Maschine gelang, unbemerkt zu landen und wieder zu starten.
Inzwischen wurde in Europa der Transport und die Lagerung der angekauften Waffen mit der gleichen Heimlichkeit besorgt, die auch hinsichtlich des wahren Charakters der »Alpinen Luftfrachtgesellschaft« geubt wurde.
Es war ein Wettrennen mit der Zeit. Zwei Wochen sollte es dauern, bis die erste Waffenladung Europa verlassen konnte. War es dann nicht vielleicht zu spat?
Bisher war den Arabern wie durch ein Wunder noch nicht eine einzige Siedlung in die Hande gefallen; doch aus den judischen Transportkolonnen machten die Araber Kleinholz. Die Araber hatten die Leitungen unterbrochen, die das Wasser zu den Siedlungen in der Negev-Wuste brachten. Es gab Orte, in denen die Siedler gezwungen waren, von Kartoffelschalen und Oliven zu leben.
Der Brennpunkt des Kampfes aber war Jerusalem, wo sich die Auswirkung der arabischen Taktik des Isolierens und Aushungerns ernstlich bemerkbar zu machen begann. Bab el Wad, die Stra?e von Tel Aviv nach Jerusalem, war mit den Trummern ausgebrannter Lastwagen besat. Nur durch gelegentliche riesige Transportkolonnen, deren Geleitschutz hohe Opfer an Menschenleben und Material erforderte, konnte die verzweifelte Lage der Juden in Jerusalem vorubergehend gelindert werden. Kawuky, Safwat und Kader brauchten dringend einen Sieg. Die Araber in Palastina wurden allmahlich unruhig, da noch immer nichts von dem »gro?artigen Siegeszug« zu sehen war, den man lautstark angekundigt hatte.
In dieser Situation beschlo? Kawuky, der sich selbst zum Generalissimus der »Yarmuk-Streitkrafte« des Mufti ernannt hatte, den Ruhm der Eroberung der ersten judischen Siedlung an sich zu bringen. Er wahlte sein Angriffsziel mit Bedacht.
Kawukys Wahl fiel auf den Kibbuz Tirat Zwi. Die Einwohner von Tirat Zwi waren orthodoxe Juden, von denen viele im Konzentrationslager gewesen waren. Der Kibbuz befand sich im sudlichen Teil des Beth-Shaan-Tales und war absichtlich dort angelegt worden, um in einem Gebiet, dessen Bevolkerung bis dahin ausschlie?lich arabisch gewesen war, als Gegengewicht zu wirken. Sudlich von Tirat Zwi lag das »Dreieck«, der Teil von Palastina, dessen Bevolkerung rein arabisch war. Die Grenze Jordaniens befand sich in Schu?weite, und ein kleines Stuck nach Norden vollendete die feindliche arabische Stadt Beth Shaan die isolierte Lage des Kibbuz Tirat Zwi.
Kawuky war entzuckt von der Wahl, die er getroffen hatte. Die religiosen Juden von Tirat Zwi wurden bei dem ersten massierten Angriff in die Knie gehen. Kawuky versammelte in dem Aufmarschgebiet bei Nablus Hunderte von Arabern und marschierte mit ihnen zum Angriff auf Tirat Zwi.
Kawuky verkundete seinen Sieg im voraus; er wurde sogar offiziell bekanntgegeben, bevor er uberhaupt angegriffen hatte. Als er seine Truppen in die Ausgangsstellung fuhrte, kamen die arabischen Frauen von Beth Shaan an den Rand des Schlachtfeldes, ausgerustet mit Sacken und anderen Behaltern, und warteten darauf, den Kibbuz nach dem Angriff plundern zu konnen.
Der Angriff kam, als ein wolkenverhangener Tag dammerte. Die Juden hatten hundertsiebenundsechzig Manner und Frauen in kampffahigem Alter an der Front, in Schutzengraben und hinter eilig aufgeworfenen Verschanzungen, die der Stellung der Araber gegenuberlagen. Die Kinder waren in einem Gebaude untergebracht, das sich im Zentrum des Kibbuz befand. Au?er ihren Gewehren stand den Verteidigern nichts als ein einziger Granatwerfer Kaliber Funf zur Verfugung.
Eine Trompete ertonte. Offiziere der Arabischen Legion fuhrten mit gezogenem Sabel den Angriff an. Hinter ihnen stromten die Irregularen uber das offene Feld heran, in einem massierten Frontalangriff, der darauf ausging, den Kibbuz durch das blo?e Gewicht der zahlenma?igen Uberlegenheit zu uberrennen.
Die Juden warteten, bis die Angreifer auf zwanzig Meter herangekommen waren. Dann eroffneten sie auf ein Zeichen ein morderisches zusammengefa?tes Feuer. Die Araber wurden reihenweise niedergemaht.
Der Schwung des arabischen Angriffs trieb eine zweite, eine dritte und eine vierte Welle heran. Die Juden lie?en auch diese weiteren Wellen bis auf nachste Entfernung herankommen und empfingen sie dann mit ihrem disziplinierten, zusammengefa?ten Abwehrfeuer.
Das Schlachtfeld war mit toten Arabern ubersat, und die Verwundeten riefen: »Wir sind Bruder! Gnade, im Namen Allahs!« Der Rest sturzte in wilder Flucht davon und begab sich ungeordnet auf den Ruckzug. Kawuky hatte ihnen einen leichten Sieg und fette Beute versprochen. Er hatte ihnen vorgespiegelt, da? dieses erbarmliche Haufchen orthodoxer Juden schon bei ihrem blo?en Erscheinen die Flucht ergreifen wurde. Mit einem solchen Widerstand hatten sie nicht gerechnet. Die Araberinnen, die mit ihren Sacken gewartet hatten, flohen gleichfalls.
Die Offiziere der Arabischen Legion sammelten die Fluchtlinge, die sie nur dadurch zum Stehen bringen konnten, indem sie auf sie schossen. Sie fuhrten ihre Truppe erneut zum Angriff vor, doch die Irregularen hatten keinen rechten Mut mehr.
Fur die Juden in Tirat Zwi sah die Sache sehr ubel aus. Sie hatten nicht mehr genug Munition, um einen nochmaligen Angriff abzuschlagen, falls die Araber erneut in gro?er Zahl und mit Entschiedenheit angriffen. Sollten die Araber aber ihre Taktik andern und einen anhaltenden Angriff mit einer seitlichen Umgehung verbinden, so konnten die Juden erst recht nicht standhalten. In aller Eile organisierten sie einen Verteidigungsplan. Die Munition wurde zum gro?ten Teil an zwanzig Scharfschutzen verteilt. Alle anderen zogen sich zu dem Haus zuruck, in dem die Kinder untergebracht waren und machten sich zur letzten Gegenwehr mit Bajonetten, Holzknuppeln und Gewehrkolben bereit. Sie beobachteten durch Feldstecher, wie sich die Araber zum Angriff massierten, und stellten fest, da? der Gegner zahlenma?ig noch immer stark genug war, um den Kibbuz zu uberrennen.
Die Araber kamen diesmal etwas langsamer uber das offene Feld heran, wobei einige der Offiziere den Soldaten folgten und sie mit vorgehaltener Pistole zwangen, anzugreifen. Plotzlich offnete sich der Himmel zu einem uberraschenden Wolkengu?. Innerhalb von Minuten verwandelte sich der Acker in einen grundlosen Morast. Statt sich zu beschleunigen, begann der Angriff der Araber im Schlamm steckenzubleiben, genau wie einst die Wagen der