»Oder bei Abu Yesha«, sagte David.

Ari machte ein boses Gesicht. David wu?te, da? er einen wunden Punkt beruhrt hatte.

»Ich habe zuverlassige Freunde in Abu Yesha«, sagte Ari.

»Dann werden sie dir ja sicher erzahlt haben, da? die Irregularen dort einsickern.«

Ari sagte nichts.

»Ich wei?, Ari, wie nahe dir diese Leute stehen. Aber du mu?t hingehen und dem Muktar den Standpunkt klarmachen.«

Ari stand auf und ging ans Fenster. »Ich werde mit Taha reden.« David nahm die letzten Meldungen, die auf Aris Schreibtisch lagen, uberflog sie rasch und legte sie wieder hin. Er kam zu Ari heran, blieb neben ihm stehen und sah zum Fenster hinaus gen Jerusalem. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck tiefer Trauer.

Ari schlug ihm auf die Schulter. »Es wird schon werden.«

David schuttelte langsam den Kopf. »Die Lage in Jerusalem wird allmahlich verzweifelt«, sagte er mit tonloser Stimme. »Die Transportkolonnen haben es immer schwerer, durchzukommen. Wenn es so bleibt, dann haben wir in einigen Wochen eine Hungersnot.«

Ari wu?te, wie sehr David die Belagerung seiner geliebten Stadt ans Herz ging. »Du mochtest gern nach Jerusalem, nicht wahr?«

»Ja«, sagte David, »aber ich mochte dich nicht im Stich lassen.« »Wenn dein Wunsch so stark ist, werde ich dich selbstverstandlich nach Jerusalem abkommandieren.«

»Danke, Ari. Aber wird dir das moglich sein?«

»Sicher — sobald dieses verdammte Bein aufhort, wehzutun. Versteh mich recht, David — ich lasse dich nicht gern weg.«

»Ich bleibe hier, bis dein Bein wieder in Ordnung ist.«

»Danke. Ubrigens, wann warst du das letztemal bei Jordana?«

»Das ist schon ein paar Wochen her.«

»Warum gehst du dann nicht morgen nach Gan Dafna, um die Verteidigungsanlagen zu inspizieren? Bleib ein paar Tage dort und sieh dir alles grundlich an.«

David lachelte. »Du hast eine sehr nette Art, einen zu etwas zu uberreden.«

Es klopfte an der Tur zu Kittys Buro.

»Herein«, sagte sie.

Jordana bat Kanaan trat ein. »Ich hatte gern etwas mit Ihnen besprechen, Mrs. Fremont, falls Sie einen Augenblick Zeit haben.« »Bitte.«

»David ben Ami wird heute vormittag hierherkommen und die Verteidigungsanlagen inspizieren. Wir wollen anschlie?end eine Besprechung aller Angehorigen des Stabes durchfuhren.«

»Ich werde erscheinen«, sagte Kitty.

»Mrs. Fremont — ich wollte gern vorher mit Ihnen sprechen. Sie wissen ja, da? ich hier der militarische Befehlshaber bin, und Sie und ich werden in Zukunft eng zusammenarbeiten mussen. Ich mochte Ihnen gern sagen, da? ich volles Vertrauen zu Ihnen habe. Ich betrachte es sogar als einen ausgesprochenen Vorteil fur Gan Dafna, da? Sie hier sind.«

Kitty sah Jordana erstaunt und neugierig an.

»Ich glaube«, fuhr Jordana fort, »da? es fur die Moral unserer Gemeinschaft gut ware, wenn wir unsere personlichen Gefuhle beiseite legten.«

»Ich glaube, da haben Sie recht.«

»Gut. Ich freue mich, da? wir uns in diesem Punkte einig sind.« »Sagen Sie bitte, Jordana — wie sieht es eigentlich mit unserer Lage hier aus?«

»Eine unmittelbare Gefahr besteht fur Gan Dafna kaum. Naturlich wird es fur uns alle eine wesentliche Beruhigung sein, wenn Fort Esther an die Hagana ubergeben wird.«

»Aber nehmen wir einmal an, es geht irgend etwas schief und die Araber bekommen Fort Esther. Was dann? Und — nehmen wir einmal an, die Stra?e durch Abu Yesha wird gesperrt.«

»Dann werden die Aussichten sehr unangenehm.«

Kitty stand auf und ging langsam durch den Raum. »Bitte verstehen Sie mich recht. Ich mochte mich nicht in militarische Dinge einmischen, aber wenn man die Sache realistisch betrachtet — konnte es doch sein, da? wir hier belagert werden.«

»Diese Moglichkeit besteht«, sagte Jordana.

»Wir haben hier viele Babys. Konnten wir diese Babys und einige der kleineren Kinder nicht evakuieren?«

»Wohin sollten wir sie evakuieren?«

»Das wei? ich nicht. In eine Siedlung, die sicherer ist.«

»Ich wei? es auch nicht, Mrs. Fremont. Palastina ist weniger als funfzig Meilen breit. Es gibt keine Siedlung, die ,sicher' ware. Mit jedem Tag fallen weitere Siedlungen unter Belagerungszustand.« »Dann konnten wir sie vielleicht in eine Stadt bringen.«

»Jerusalem ist fast ganzlich abgeschnitten. In Haifa und zwischen Tel Aviv und Jaffa sind die Kampfe erbitterter als irgendwo sonst in Palastina.«

»Dann gibt es also keinen Ort, an den man die Kinder bringen konnte?«

Jordana antwortete nicht. Sie brauchte nicht zu antworten.

III.

Weihnachtsabend. Weihnachten 1947. Die Erde war schlammig und die Luft war frisch und kalt. Kitty ging rasch uber den Rasen auf ihre Hutte zu. Ihr Atem bildete kleine Wolken in der Luft.

»Schalom, Giweret Kitty«, rief Dr. Liebermann.

»Schalom, Doktor.« Sie lief rasch die Stufen hinauf und ins Haus, wo es warm war und Karen mit einem hei?en Tee auf sie wartete.

»Brrr«, sagte Kitty, »es ist kalt drau?en.«

Der Raum war festlich. Karen hatte ihn phantasievoll mit Tannenzapfen und mit bunten Bandern ausgeschmuckt. Man hatte ihr sogar erlaubt, einen der sorgsam gehuteten kleinen Baume zu schlagen, den sie mit bunten Papierketten dekoriert hatte.

Kitty setzte sich auf das Bett, streifte ihre Schuhe ab und zog pelzgefutterte Hausschuhe an. Der Tee schmeckte wunderbar.

Karen stand am Fenster.

»Ich habe den ganzen Tag an Kopenhagen und die Hansens denken mussen. Weihnachten in Danemark ist etwas Wunderbares. Hast du das Paket gesehen, das sie mir geschickt haben?«

Kitty ging zu Karen, legte den Arm um ihre Schulter und gab ihr einen Ku? auf die Backe. »Weihnachten macht die Leute wehmutig.«

»Fuhlst du dich sehr einsam, Kitty?«

»Seit dem Tod von Tom und Sandra war Weihnachten fur mich immer etwas, woran ich am liebsten gar nicht denken wollte — bis jetzt.«

Karen warf die Arme um Kitty und druckte sich an sie. Dann sah sie auf ihre Uhr und seufzte. »Ich mu? gleich essen. Ich habe heute abend Wache.«

»Zieh dich recht warm an. Es ist kalt drau?en. Ich mu? noch einige Krankenberichte bearbeiten und werde aufbleiben, bis du zuruckkommst.«

Karen zog sich warme Sachen an. Kitty band Karens Haare zu einem Knoten zusammen und zog ihr die strumpfartige braune Palmachmutze so uber den Kopf, da? sie die Ohren bedeckte. Auf einmal waren drau?en singende Kinder zu horen.

»Was um alles in der Welt ist denn das?« fragte Kitty.

»Das ist fur dich«, sagte Karen lachelnd. »Sie haben seit zwei Wochen heimlich geubt.«

Kitty ging ans Fenster. Drau?en standen funfzig ihrer Kinder. Sie hielten brennende Kerzen in den Handen und sangen ein Weihnachtslied.

Kitty zog ihren Mantel an und ging zusammen mit Karen hinaus an die Gartenpforte. Hinter den Kindern konnte sie die Lichter aus den Hausern der Siedlungen sehen, die sechshundert Meter tiefer unten im Tal lagen. Sie konnte die Worte des Weihnachtsliedes nicht verstehen, doch die Melodie kam ihr bekannt vor; es war ein sehr altes Lied.

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