Transjordanien.

Aris Gebiet war eine der Hauptstellen fur die Einsickerung der irregularen Truppen Kawukys. Wenn es zum Krieg kam und die regularen arabischen Armeen eine Invasion in Palastina unternehmen sollten, war das Hule-Tal zweifellos eines ihrer ersten Angriffsziele. Die Araber wurden versuchen, ihre aus mehreren Richtungen vorsto?enden Streitkrafte hier zu vereinigen, und wenn es ihnen gelingen sollte, das Hule-Gebiet zu erobern, so wurden sie es als Ausgangsbasis benutzen, um von hier aus ganz Galilaa zu erobern und den judischen Gegner in zwei getrennte Halften zu zerteilen, indem sie zwischen Haifa und Tel Aviv einen Keil bis zum Meer vortrieben.

Es gab in Aris Gebiet ein Dutzend oder mehr alter Kibbuzim und einige Moschawim, darunter seinen Heimatort Yad El. In allen diesen Siedlungen waren die zahen Pioniere und Farmer durchaus in der Lage, mit den Palastina-Arabern und den eingesickerten Irregularen fertigzuwerden. Unten im Tal lagen die Siedlungen so nahe wie Maulwurfshugel beieinander, so da? es fur die Araber schwierig war, sich ihrer gewohnten Taktik der Isolierung und Belagerung hier zu bedienen.

Ein weiteres Problem waren die Berge an der libanesischen Grenze. Hier bildete Fort Esther die Schlusselstellung. Entsprechend einer Vereinbarung mit den Englandern sollte Fort Esther beim Abzug der britischen Truppen an Ari ubergeben werden, da das Hule-Gebiet vorwiegend von Juden bewohnt war. Wenn sich Fort Esther in der Hand der Hagana befand, hatte Ari eine ausgezeichnete Moglichkeit, die Grenze zu kontrollieren.

Aris Hauptquartier befand sich in dem zentral gelegenen Kibbuz Ein Or — »Quelle des Lichts« — an dessen Grundung sein Onkel Akiba beteiligt gewesen war. Ari unterstanden ein paar hundert Mann von der Palmach- Brigade Chanita; David, Seew Gilboa und Joab Yarkoni waren seine Adjutanten. Die Starke der Hagana war in allen Siedlungen seines Gebietes beachtlich; die Beteiligung war vollstandig, und die Leute waren gut ausgebildet.

Aber genau wie allen ubrigen Juden in Palastina machte ihm der Mangel an Waffen zu schaffen. Tag fur Tag lagen ihm die Hagana-Fuhrer der Siedlungen in den Ohren und wollten Gewehre haben. Er hatte keine und Avidan hatte auch keine.

Es gab zwei ausgesprochen schwache Stellen in Aris Gebiet: Gan Dafna und Safed. Gan Dafna glaubte Ari schutzen zu konnen, wenn erst einmal Fort Esther in seiner Hand war. Solange die Stra?e nach Gan Dafna durch Abu Yesha offenblieb, bestand fur das Jugenddorf keine Gefahr.

Safed dagegen machte ihm ernstlich Kopfschmerzen. Kein anderer Gebietskommandeur in Palastina hatte ein so schwieriges Problem zu losen. Als sich die Juden entschlossen, um jeden Preis alle Siedlungen zu halten, nahm man dabei einige Orte aus, die man als »unhaltbar« betrachtete. Eine dieser Ausnahmen war Safed. Die Stadt war eine Insel in einem Meer von vierzigtausend Arabern, die in den Dorfern rings um Safed wohnten. In der Stadt selbst lebten zwolfmal mehr Araber als Juden. Die meisten Juden von Safed waren Kabbalisten, aus denen man beim besten Willen keine Soldaten machen konnte. Alles in allem verfugte die Hagana in Safed uber zweihundert einigerma?en brauchbare Leute, denen mehr als zweitausend Araber und Irregulare gegenuber standen.

Der Mufti hatte Safed als eines seiner ersten Angriffsziele gewahlt. Mehrere hundert schwerbewaffnete Angehorige der irregularen arabischen Streitkrafte warteten nur auf den Abzug der Englander. Es schien so offensichtlich, da? Safed nicht zu verteidigen war, da? die Englander Ari sogar gebeten hatten, ihnen zu erlauben, die Juden zu evakuieren.

Remez, Hotelbesitzer und Fuhrer der Hagana in Safed, ging vor dem Schreibtisch auf und ab. Sutherland sa? ruhig in einer Ecke und rauchte eine Zigarre. »Nun?« fragte Ari schlie?lich. Remez blieb stehen und stutzte sich mit den Handen auf den Schreibtisch. »Wir haben uns entschlossen, in Safed zu bleiben. Wir wollen es bis zum letzten Mann verteidigen.«

»Freut mich.«

»Nur, Ari, gebt uns mehr Waffen.«

Ari sprang wutend auf. Zwanzigmal an jedem Tag horte er dieses »Gebt uns mehr Waffen«.

»Sutherland, beten Sie zu Christus, Sie, Remez, beten zu Konfuzius, und ich werde zu Allah beten. Vielleicht regnet es dann Gewehre, wie es einst Manna vom Himmel geregnet hat.«

»Haben Sie eigentlich Vertrauen zu Major Hawks?« fragte Sutherland. Hawks war der britische Gebietskommandeur.

»Er hat sich immer als ein guter Freund erwiesen«, sagte Ari.

»Na schon«, sagte Sutherland, »dann sollten Sie vielleicht doch lieber auf ihn horen. Er garantiert Ihnen den Schutz der Englander, wenn Sie Safed evakuieren. Wenn nicht, garantiert er, da? es nach dem Abzug seiner Truppen ein Massaker geben wird.«

Ari stie? horbar die Luft aus. »Hat Hawks gesagt, wann er weggeht?«

»Nein, er wei? es noch nicht.«

»Solange Hawks in Safed bleibt, sind wir relativ sicher. Die Araber werden nicht allzuviel riskieren, wenn er noch da ist. Vielleicht ergibt sich eine Wendung zum Besseren, bevor er mit seinen Truppen abzieht.«

»Es mag sein, da? Hawks das Herz am richtigen Fleck hat, aber er kann auch nicht immer, wie er will«, sagte Sutherland.

»Die Araber haben schon damit angefangen, aus dem Hinterhalt auf uns zu schie?en und unsere Transportkolonnen anzugreifen«, sagte Remez.

»Na und? Ihr werdet doch nicht gleich beim ersten Schu? davonlaufen?«

»Ari«, entrustete sich Remez, »ich bin in Safed geboren. Dort habe ich mein ganzes Leben verbracht. Noch heute erinnere ich mich an den Gesang,    der 1929 aus    den    arabischen Vierteln    zu    uns herubertonte.    Niemand wu?te,    was    er zu bedeuten hatte,    bis    der aufgeputschte Mob auf einmal in unsere Hauser eindrang. Sie waren unsere Freunde gewesen, aber sie waren verruckt geworden. Ich sehe noch die armseligen Kabbalisten vor mir, die man auf die Stra?e zerrte und ihnen den Kopf abschnitt. Damals war ich noch ein Kind. Und dann haben wir sie 1936 wieder singen gehort, aber damals wu?ten wir schon, was dieser Gesang zu bedeuten hatte. Jahrelang sind wir in die alte turkische Festung gelaufen, um uns zu verkriechen,    wenn wir aus    dem    arabischen Sektor    nur    ein verdachtiges    Gerausch horten.    Aber    diesmal bleiben wir,    wo    wir sind. Diesmal werden wir nicht davonlaufen, sondern kampfen. Diesmal werden es die Araber nicht leicht haben, das kannst du mir glauben, Ari. Aber unsere Moglichkeiten sind begrenzt. Zu viel durft ihr von uns auch nicht verlangen.«

Ari bedauerte, so scharf zu Remez gesprochen zu haben. Der Entschlu?, in Safed zu bleiben, erforderte wirklich ungeheuren Mut.

»Gehen Sie jetzt wieder zuruck, Remez, versuchen Sie, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie konnen sich darauf verlassen, da? Major Hawks dafur sorgen wird, da? die Araber es nicht allzu arg treiben. Inzwischen werde ich Sie bevorzugt mit allem beliefern, was ich bekomme.«

Als Remez und Sutherland gegangen waren, setzte sich Ari an seinen Schreibtisch und bi? die Zahne aufeinander. Was konnte er schon tun? Vielleicht konnte er funfzig Mann vom Palmach nach Safed schicken, wenn die Englander abzogen. Das war wenig, aber besser als nichts. Was konnte man uberhaupt tun? Es gab an die zweihundert Safeds in Palastina. Funfzig Mann hier, zehn Mann da. Wenn es Kawuky, Safwat und Kader klar wurde, wie verzweifelt die judische Situation war, dann wurden sie uberall in Palastina frontal angreifen. Die Juden hatten einfach nicht genugend Munition, um anhaltende und entschlossene Angriffe abzuwehren. Ari machte sich heftige Sorgen, was geschehen werde, wenn die Araber erst einmal festgestellt hatten, wie mager die Ausrustung der Juden war.

David ben Ami, der eine Inspektionsreise durch die nordlichsten Siedlungen gemacht hatte, kam herein.

»Schalom, Ari«, sagte David. »Ich traf Remez und Sutherland auf der Stra?e. Remez sah ein bi?chen grun um die Nase aus.«

»Er hat auch allen Grund dazu. Nun, hast du irgend etwas Interessantes festgestellt?«

»Die Araber haben begonnen, aus dem Hinterhalt auf Kfar Gileadi und Metulla zu schie?en. Kfar Szold befurchtet, da? die Syrer irgend etwas im Schilde fuhren konnten. Alle haben sie sich eingegraben und sind in Stellung gegangen, uberall sind die Verteidigungsanlagen rings um die Kinderheime ausgebaut. Und alle wollen Waffen haben.«

»Waffen! Hast du sonst nichts Neues zu berichten? Wo sitzen diese Helden, die aus weiter Entfernung auf unsere Siedlungen schie?en?« »In Ata.«

»Ach, das liebe alte Ata«, sagte Ari. »Wenn die Englander hier abziehen, wird das mein erstes Angriffsziel sein. Als ich ein Junge war, haben sie versucht, mich zu verprugeln, wenn ich hinkam, um in der Muhle unser Korn mahlen zu lassen. Seitdem haben sie dauernd nach einer Gelegenheit gesucht, sich mit mir anzulegen. Ich vermute, da? die Halfte der Leute von Kawuky bei Ata heruberkommt.«

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