Kawukys Agenten begaben sich in die Slums von Damaskus, Beirut und Bagdad und musterten hier den Abschaum der Menschheit: Diebe, Morder, Stra?enrauber, Rauschgiftschmuggler, Madchenhandler. Der neuen Streitmacht gab Kawuky in Erinnerung an eine Schlacht, die die Araber vor Jahrhunderten gewonnen hatten, den romantischen Namen »Yarmuk-Truppen«. Diese »Freiwilligen« wurden von anderen »Freiwilligen«, Offizieren der syrischen Armee, ausgebildet. Bald begannen Kawukys Streitkrafte uber die libanesische, syrische und transjordanische Grenze nach Palastina einzusickern und sich in arabischen Dorfern zu sammeln. Das entscheidende Aufmarschgebiet war das nordlich von Jerusalem in einem vorwiegend von Arabern bewohnten Gebiet von Samaria gelegene Nablus.

Bei den Juden bestand nach wie vor empfindlicher Mangel an Waffen. Die Englander blockierten auch weiterhin die Kuste von Palastina und lehnten es ab, Juden aus dem Internierungslager in Zypern, wo sie von Abgesandten der Aliyah Bet in aller Eile militarisch ausgebildet wurden, nach Palastina hereinzulassen. Abgesandte des Jischuw bereisten die ganze Welt und suchten verzweifelt Waffen zu kaufen.

In diesem Augenblick kam ein harter Schlag: als »Bannstrahl« nach beiden Richtungen verhangten die Vereinigten Staaten ein Embargo fur Waffenlieferungen nach dem Nahen Osten. Dieses Embargo, das an den gegen Spanien wahrend des Kampfes gegen Hitler und Mussolini verhangten Boykott erinnerte, wirkte sich in der Praxis ausschlie?lich zugunsten der Araber aus, die so viel Waffen herbeischaffen konnten, wie sie nur wollten.

Nachdem die Fronten klar waren, sah sich der Jischuw-Zentralrat der harten Tatsache gegenuber, da? den Juden nur der Palmach zur Verfugung stand, der uber rund viertausend voll ausgebildete und bewaffnete Soldaten verfugte. Die Makkabaer vermochten nur tausend Mann auf die Beine zu stellen, und mit ihrer Mitarbeit war nur begrenzt zu rechnen.

Ein paar Dinge gab es, die sich gunstig fur Avidan, den Fuhrer der Hagana, auswirkten. In der Hagana gab es mehrere tausend Mann, die als Angehorige des britischen Heeres im zweiten Weltkrieg Fronterfahrung gesammelt hatten. Au?erdem besa? er die Verteidigungsstellungen der Siedlungen, die seit zwanzig Jahren ausgebaut worden waren, und er verfugte auch uber einen guten Geheimdienst. Dem stand gegenuber, da? die Araber zahlenma?ig und, was ihre Ausrustung anbelangte, sogar haushoch uberlegen waren. Diese Uberlegenheit nahm taglich durch das bestandige Einsickern der blutgierigen Truppen Kawukys zu. Schlie?lich besa?en die Araber in Abdul Kader, einem Neffen des Mufti, einen hervorragenden militarischen Fuhrer.

Zu alldem kam als weiterer erschwerender Faktor noch die Haltung der Englander hinzu. Whitehall hoffte, da? der Jischuw um Hilfe rufen, die Idee der Teilung Palastinas fallen lassen und die Englander bitten wurde, im Lande zu bleiben. Doch die Juden waren nicht gewillt, um Hilfe zu bitten.

Theoretisch waren die Englander verpflichtet, bei der allmahlichen Raumung des Landes die Teggart-Forts derjenigen der beiden Seiten zu ubergeben, die in dem    jeweiligen Gebiet die Bevolkerungsmehrheit besa?. Doch die britischen Kommandeure ubergaben diese Schlusselstellungen haufig den Arabern, auch wenn sie sie rechtma?ig den Juden hatten ubergeben sollen.

In den Reihen der Yarmuk-Truppen und anderer »Freikorps« tauchten ehemalige Soldaten der Nazis auf. Zum erstenmal seit ihrer Grundung trat die Hagana aus ihrer Tarnung und Zuruckhaltung heraus, als die Juden zur allgemeinen Mobilmachung aufriefen.

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Schusse fielen. Im Hule-Tal eroffneten Einwohner arabischer    Dorfer, zusammen mit Angehorigen der irregularen Truppen, das Feuer auf die Genossenschafts-Siedlungen Ejn Zeitim, Biriya und Ami Ad. Doch diese Angriffe waren nicht viel mehr als Schusse aus dem Hinterhalt und wurden abgewiesen.

Die kriegerische Aktivitat nahm von Tag zu Tag zu. Auf den Stra?en kam es bestandig zu    Uberfallen auf judische Transportfahrzeuge, so da? der Guterverkehr, der fur den Jischuw von so vitaler Bedeutung war, in Gefahr geriet.

Innerhalb der Stadte war die feindliche Aktivitat noch intensiver. In Jerusalem flogen bestandig Sprengstucke detonierender Bomben durch die Luft. Die Araber schossen von den heiligen Mauern der Altstadt; das Stadtgebiet war in einzelne Gefechtszonen aufgeteilt, und die Verbindung zwischen den verschiedenen Stadtteilen konnte nur unter Lebensgefahr aufrechterhalten werden. Auf den Stra?en zwischen Tel Aviv und Jaffa wurden Barrikaden errichtet.

In Haifa kam es zu den bisher schwersten Unruhen. Als Antwort auf einen von den Makkabaern inszenierten Uberfall sturmten Araber die Olraffinerie, in der Juden und Araber arbeiteten, und toteten mehr als funfzig Juden.

Abdul Kader organisierte seine Araber in anderem Stil als Kawuky. Er arbeitete in der Umgebung von Jerusalem und begriff sehr schnell, da? weder die palastinischen Araber noch die Irregularen hinreichend organisiert und militarisch ausgebildet waren, um verlustreiche Angriffe ausfuhren zu konnen, wahrend die Juden an ihren Siedlungen festhielten und sie, selbst unter empfindlichsten Blutopfern, nicht preisgeben wurden. Er mu?te daher versuchen, schnelle Siege zu erringen, um seine Leute zu ermutigen. Er entschied sich fur eine doppelte Taktik:    Isolierung und Aushungerung judischer Siedlungen, und Uberfalle auf judische Transporte.

Kaders Strategie erwies sich als richtig. Die Araber hatten Bewegungsfreiheit, wahrend die Juden gezwungen waren, ihre engbegrenzten Stellungen zu halten. Tag fur Tag wuchs die Zahl der judischen Siedlungen, die von den Arabern belagert wurden.

Abdul Kader konzentrierte seine kriegerischen Bemuhungen auf die Stadt Jerusalem. Die Stra?e von Tel Aviv nach Jerusalem fuhrte uber die gefahrlichen Hugel von Judaa und war mit arabischen Dorfern bespickt, die mehrere entscheidende Hohenstellungen beherrschten. Kader wollte gern die hunderttausend Juden der Neustadt von Jerusalem abschneiden und aushungern. Damit konnte er dem Jischuw einen lebensgefahrlichen Schlag versetzen.

Die Juden setzten sich dagegen zur Wehr, indem sie behelfsma?ige Panzerwagen zur Sicherung gro?erer Wagenkolonnen einsetzten. Doch diese Geleitzuge waren verwundbar, und mit der Zeit war die Stra?e nach Jerusalem voll von zusammengeschossenen Fahrzeugen. In Jerusalem wurden die Lebensmittel knapp, die Menschen mu?ten in gepanzerten Autobussen durch die Stadt fahren, und die Kinder spielten auf der Stra?e    in Reichweite    der    Gewehre    der Heckenschutzen.

Abdul Kader konnte in Ruhe den Winter abwarten.    Wahrend seine Starke fast taglich durch    das Einsickern    von Irregularen    und anhaltende Waffenlieferungen zunahm, war fur die in Jerusalem belagerten Juden kein Anzeichen einer Hilfe von au?en in Sicht. Kader wollte dann im    Fruhjahr ohne    gro?e    Verluste    die ausgehungerten und durch die Blockade von der Umwelt abgeschnittenen Siedlungen nacheinander erobern.

Die im Namen der Menschlichkeit an die Englander gerichteten Appelle, durch Patrouillentatigkeit auf der Stra?e von Jerusalem nach Tel Aviv die Aushungerung der Zivilbevolkerung zu verhindern, verhallten ungehort.

Durch die rasche Aktion der Araber unter der Fuhrung eines fahigen Militars geriet der Jischuw gleich zu Beginn des Krieges in einen schweren Nachteil. Die Hagana ordnete an, aus jedem Kibbuz und jedem Moschaw ein Miniatur-Tobruk zu machen. Die Juden hatten ihr Land mit Blut erkauft; wenn die Araber es ihnen nehmen wollten, so sollten sie auch mit Blut dafur zu zahlen haben.

Die Stra?enkampfe eroffneten die erste Phase des Krieges. Die Entscheidung, ob die Juden einen unabhangigen Staat ausrufen wurden oder nicht, hing noch immer in der Schwebe.

Ari ben Kanaan erholte sich nur langsam von seiner Verwundung. Fur Avidan, der Ari gern als Kommandeur einer der drei Palmach-Brigaden eingesetzt hatte, bedeutete das ein schwieriges Problem. Diese Brigaden waren die Chanita-Brigade — »die Lanzenspitze« — in Galilaa, die zweite Brigade in den Hugeln von Judaa, und die dritte — »die Wustenratten« — im Suden.

Die Offiziere des Palmach, vom Brigadekommandeur abwarts, waren junge Manner. Viele unter ihnen waren halsstarrige Bursehen, die sich als Angehorige einer Elitetruppe betrachteten. Der Palmach rekrutierte sich im wesentlichen aus jungen Mannern und Frauen aus den Kibbuzim. Diese jungen Leute waren auch als Soldaten Pioniersiedler geblieben, befanden sich politisch haufig im Gegensatz zum Jischuw-Zentralrat und respektierten auch keineswegs immer die Autoritat der Hagana.

Ari ben Kanaan besa? eine fur sein Alter gro?e Reife. Er begriff, da? es notwendig war, sich einer einheitlichen Strategie unterzuordnen und Befehle auszufuhren, statt einen Privatkrieg zu fuhren. Deshalb hatte ihn Avidan gern als Palmach-Kommandeur verwendet, doch Ari war dazu einfach noch nicht wieder kraftig genug.

Avidan setzte Ari daher als Gebietskommandeur der Hagana an einem der wichtigsten Punkte von Palastina, im Hule-Tal, ein. Sein Kommandobereich, zu dem auch Safed gehorte, begann am nordlichen Rande des Tiberias- Sees und endete im Hule-Tal in einem schmalen Landstreifen, der sich wie ein Finger zwischen die libanesische und die syrische Grenze schob. Etwas weiter sudlich, am Yarmukflu?, grenzte er an einen dritten arabischen Staat, an

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