aufgehangt waren, ertonte das Gerausch donnernder Explosionen. Der unablassige Larm der wirklichen und der scheinbaren Waffen war ohrenbetaubend und schreckenerregend.

In Fort Esther gab Mohammed Kassi, rasend vor Wut, der Artillerie den Befehl, die Rander der Schlucht vom Feind zu saubern. Die arabischen Kanoniere eroffneten aufgeregt das Feuer, doch die Halfte der Schusse traf ihre eigenen Leute. Schlie?lich gelang es ihnen, das eine der beiden Maschinengewehre zum Schweigen zu bringen.

Die erste arabische Welle war im Abwehrfeuer liegengeblieben, doch immer neue Angreifer stromten heran. Man hatte sie zu solcher Wei?glut aufgestachelt, da? sie jetzt weitersturmten, sinnlos vor Furcht.

Auch das zweite Maschinengewehr verstummte. Sein Lauf war ausgebrannt. Die Palmach-Manner verlie?en ihre Feuerstellungen an den Randern der Schlucht und begaben sich eiligst nach Gan Dafna zuruck, um dort den Angriff zu erwarten.

Die erste arabische Welle, wirre Knauel laut schreiender Manner, naherte sich dem Dorf bis auf hundert Meter. David ben Ami entfernte die Tarnung der verbarrikadierten und mit Sandsacken geschutzten ungarischen Panzerabwehrkanone, jede der funf Granaten enthielt zweitausend Schrotkugeln. Wenn die Sache richtig funktionierte, mu?te die Kanone die Wirkung einer ganzen Kompanie haben, die gleichzeitig scho?.

Die vorderste dichtgedrangte Masse Araber kam heran auf funfzig Meter — vierzig Meter — drei?ig — zwanzig —.

David ben Ami lief der Schwei? uber das Gesicht, wahrend er das Visier der Kanone auf kurzeste Distanz einstellte.

Zehn Meter —.

»Feuer eins!«

Die uralte Panzerabwehrkanone machte einen Ruck und spie den Angreifern Schrotkugeln ins Gesicht. Markerschutternde Schreie ertonten, und wahrend David die Kanone rasch von neuem lud, erblickte er wenige Meter vor sich Haufen von Toten oder Verwundeten und voll panischen Entsetzens gestikulierende Araber, die in wilder Flucht zurucktaumelten.

Die zweite Welle kam hinter der ersten heran.

»Feuer zwei!«

Die zweite Welle blieb im Feuer liegen.

»Feuer drei!«

Der dritte Schu? sprengte den Lauf der Kanone, doch sie hatte ihre Schuldigkeit getan. Mit drei Schu? ihrer Schrotladungen hatte sie annahernd zweihundert der Angreifer kampfunfahig gemacht. Der Schwung des Angriffes war erlahmt.

Ein letztes Mal versuchte der Gegner zu sturmen. Noch einmal erreichten hundert Araber den Rand Gan Dafnas, doch sie wurden von Jordanas Gadna-Kampfern, die in den Schutzengraben standen, mit einer zusammengefa?ten Salve empfangen.

Blutend und verwirrt zogen sich die uberlebenden Araber in wilder Hast durch die mit Toten besate Schlucht zuruck. Als Seew Gilboa sah, da? der Gegner wich, rief er den Palmach-Soldaten zu, ihm zu folgen. Mit seinen vierzig Mann setzte er mehreren hundert fliehenden Arabern nach. Er trieb sie uber die Kuppe zuruck und blieb ihnen weiter auf den Fersen.

Ari, der durch den Feldstecher sah, rief wutend: »Dieser verdammte Idiot! Er versucht, Fort Esther zu nehmen. Ich hatte ihm gesagt, da? er bei der Kuppe haltmachen soll.«

»Was ist nur in Seew gefahren?« stie? David mit zusammengebissenen Zahnen hervor.

»Los, komm mit«, rief Ari. »Wir mussen versuchen, ihn aufzuhalten.«

Ari gab Jordana eilig die Anweisung, mit ihrer Gadna-Gruppe die Waffen der gefallenen und verwundeten Araber einzusammeln und sich mit den Jugendlichen dann nach Gan Dafna zuruckzuziehen.

Sein Plan hatte sich als richtig erwiesen. Zwar hatte er in weniger als funfzehn Minuten den gro?ten Teil seiner Waffen und seiner Munition verausgabt, doch lag fast die Halfte von Kassis Truppen tot oder verwundet auf dem Schlachtfeld.

Mohammed Kassi sah, wie seine Leute zuruck zum Fort flohen. Seew Gilboa war seinen Mannern um funfundzwanzig Meter voraus. Die arabischen Kanoniere von Fort Esther eroffneten das Feuer auf ihre eigenen fliehenden Leute, um den Palmach abzuwehren, der sie verfolgte. Einigen der Araber gelang es, in das Fort hineinzukommen. Die anderen, die den verfolgenden Juden zu nahe waren, wurden ausgesperrt und beschossen. Seew hatte inzwischen das au?ere Stacheldrahtnetz passiert, das vierzig Meter von dem Fort entfernt war.

»Deckung!« schrie er seinen Leuten zu. Er warf sich auf den Boden und feuerte mit seiner Maschinenpistole auf die Schie?scharten des Forts, bis seine Leute in Deckung waren. Als er erkannte, da? sein Angriff vergeblich war, machte er kehrt und versuchte, uber den Hugel zuruckzukriechen. Vom Fort kam jetzt aber ein Hagel von Geschossen, und Seew wurde getroffen. Er stand auf und begann zu laufen, wurde ein zweites Mal getroffen, fiel in den Stacheldraht und blieb hilflos darin hangen.

Seine Leute, die sich weiter hinten eingegraben hatten, wollten gerade wieder vorgehen, um Seew zu holen, als Ari und David bei ihnen ankamen.

»Da vorn ist Seew«, sagte man ihnen. »Er hangt im Stacheldraht.« Ari schaute aus seiner Deckung hinter einem gro?en Felsblock nach vorn. Bis zu Seew waren es hundert Meter uber offenes Gelande. Hier und dort lagen zwar Felsblocke, hinter denen er Deckung finden konnte, doch die letzte Strecke bis zu Seew war freies Feld.

Das Schie?en von Fort Esther horte plotzlich auf, und es wurde sehr still.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte David.

»Sie wollen Seew als Koder benutzen. Sie sehen, da? er bewegungsunfahig ist, und hoffen, da? wir versuchen werden, zu ihm zu kommen, um ihn zuruckzuholen.«

»Diese Hunde — warum erschie?en sie ihn nicht einfach?«

»Ist dir das denn nicht klar, David? Er hat seine Waffe verloren. Sie werden warten, bis wir uns zuruckziehen, und dann werden sie versuchen, ihn lebend in ihre Hand zu bekommen. Sie werden an ihm fur alle Leute Rache nehmen, die sie heute verloren haben.« »Mein Gott«, sagte David leise. Er sprang aus der Deckung, doch Ari schnappte ihn und zog ihn zuruck.

»Gebt mir mal ein paar Handgranaten«, sagte Ari. »Gut. David, fuhre die Leute nach Gan Dafna zuruck.«

»Ich lasse dich nicht allein dort hinaufgehen, Ari —.«

»Du tust, was ich dir befehle, verdammt noch mal!«

David wandte sich schweigend um und gab das Zeichen zum Ruckzug. Als er einen Blick uber die Schulter warf, sah er, wie Ari bereits den Hugel hinauflief.

Die Araber beobachteten, wie Ari herankam. Sie wu?ten, da? jemand versuchen wurde, den Verwundeten zu holen. Sie wollten warten, bis er nahe genug heran war, und versuchen, auch ihn zu verwunden. Dann wurden die Juden noch einen Mann vorschicken — und noch einen.

Ari sprang auf, rannte einige Meter vor und warf sich hinter einem Felsblock flach auf die Erde. Vom Fort fiel kein Schu?.

Ari robbte weiter vor bis zur nachsten Deckung. Er war jetzt nur noch zwanzig Meter von der Stelle entfernt, wo Seew im Stacheldraht hing. Er nahm an, da? die Araber vorhatten, solange zu warten, bis er bei Seew angelangt war und ein nicht mehr zu verfehlendes Ziel bot.

»Zuruck!« rief Seew. »Hau ab!«

Ari spahte vorsichtig um den Rand des Felsblocks, hinter dem er lag. Er konnte Seew jetzt ganz deutlich sehen. Das Blut lief ihm uber das Gesicht, stromte aus seinem Leib. Ari richtete den Blick auf Fort Esther. Er sah, wie die Sonne auf den Laufen der Gewehre schimmerte, die auf Seew gerichtet waren.

»Zuruck!« rief Seew noch einmal. »Meine Darme hangen 'raus. Ich hab' keine zehn Minuten mehr — hau ab!«

Ari machte die Handgranaten von seinem Koppel los.

»Seew — ich werfe dir ein paar Handgranaten zu«, rief er auf deutsch. Er stellte die Zundung von zwei Handgranaten fest, damit sie nicht explodieren konnten, erhob sich rasch und warf sie zu dem Verwundeten hin. Die eine landete unmittelbar neben Seew, der sie ergriff und an sich druckte.

»Ich habe sie — und jetzt hau ab!«

Ari lief, so rasch er konnte, den Hugel wieder hinunter. Die Araber, die darauf gewartet hatten, da? er bis zu Seew herankame, waren so uberrascht, da? sie das Feuer erst eroffneten, als er bereits au?er Schu?weite war und sich langsam wieder auf den Ruckweg nach Gan Dafna machte.

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