hinauszuschmuggeln und an das Pariser oder Londoner Buro des ANS gelangen zu lassen. Auf ein verabredetes Stichwort hin sollte dieser Bericht dann genau in dem Augenblick in der Presse erscheinen, in dem die Flucht stattfand. Ari schwieg, und Mark begann zu uberlegen.

Er zundete sich eine Zigarette an, ging im Zimmer hin und her und stellte Ari in rascher Folge ein Dutzend Fragen. Doch Ari schien an alles gedacht zu haben. Ja, hier ergab sich unter Umstanden wirklich eine Story, sogar eine sensationelle Serie. Mark versuchte abzuschatzen, welche Chancen dieser verwegene Plan hatte. Die Aussichten fur das Gelingen waren bestenfalls fifty-fifty. Mark stellte dabei in Rechnung, da? Ari ein ungewohnlich kluger Mann war, der die Mentalitat der Englander in Zypern genau kannte. Mark wu?te auch, da? Ari Mitarbeiter besa?, die das Zeug dazu hatten, ein solches Unternehmen zum Erfolg zu fuhren.

»Ich mache mit«, sagte Mark.

»Freut mich«, sagte Ari. »Ich hatte mir gleich gedacht, da? Sie erkennen wurden, was fur Moglichkeiten hier stecken.« Dann wandte er sich an Kitty und sagte: »Mrs. Fremont — vor etwa einer Woche hat man Sie gefragt, ob Sie bereit waren, im Lager bei den Kindern zu arbeiten. Haben Sie sich die Sache uberlegt?«

»Ich habe mich entschlossen, abzulehnen.«

»Wurden Sie es sich vielleicht jetzt noch einmal uberlegen — sagen wir, um Parker zu helfen?«

»Was haben Sie eigentlich mit Kitty vor?« fragte Mark.

»Alle Lehrer, Pflegerinnen und Pfleger, die von au?en ins Lager kommen, sind Juden«, sagte Ari, »und wir mussen von der Voraussetzung ausgehen, da? die Englander diese Leute verdachtigen.«

»Wessen?«

»Der Zusammenarbeit mit unserer illegalen Organisation. Sie aber sind eine Christin, Mrs. Fremont. Wir meinen, da? sich ein Mensch Ihrer Herkunft und Religion unbehinderter bewegen konnte.«

»Mit anderen Worten, Sie wollen Kitty als Kurier verwenden.« »Mehr oder weniger, ja. Wir stellen im Lager eine gro?e Menge gefalschter Ausweise her, die wir fur drau?en brauchen.«

»Mir scheint«, sagte Mark, »ich sollte Ihnen wohl besser mitteilen, da? ich mich bei den Englandern keiner allzugro?en Beliebtheit erfreue. Ich war kaum hier angekommen, als ich auch schon Sutherlands Adjutanten auf dem Hals hatte. Ich glaube zwar nicht, da? ich irgendwelche Schwierigkeiten haben werde, aber wenn Kitty jetzt im Lager Caraolos arbeitet, wurden die Englander hochstwahrscheinlich annehmen, sie arbeite dort fur mich.«

»Ganz im Gegenteil. Fur die Englander ware es eine ausgemachte Sache, da? Sie nie und nimmer Mrs. Fremont nach Caraolos geschickt haben, um dort fur Sie zu arbeiten.«

»Vielleicht haben Sie recht.«

»Naturlich habe ich recht«, sagte Ari. »Nehmen wir einmal das schlimmste an. Angenommen, man findet bei Mrs. Fremont gefalschte Ausweise. Es geschahe ihr nicht das geringste, man ware nur einigerma?en erstaunt, brachte sie zum Flugplatz und in eine Maschine, die sie aus Zypern fortbringt.«

»Moment mal«, sagte Kitty. »Jetzt habe ich lange genug zugehort, wie ihr beiden uber mich verfugt. Ich bedauere sehr, da? ich mit anhoren mu?te, was heute abend hier besprochen wurde. Ich werde nicht in Caraolos arbeiten, Mr. Ben Kanaan, und ich will mit Ihrem ganzen Plan nichts zu tun haben.«

Ari warf Mark einen fragenden Blick zu, doch der zuckte nur die Achseln und sagte: »Sie ist erwachsen.«

»Ich dachte, Sie waren mit Parker befreundet.«

»Das bin ich auch«, sagte Kitty, »und ich verstehe, da? ihn die Sache interessiert.«

»Und ich verstehe nicht, Mrs. Fremont, da? diese Sache Sie so wenig interessiert. Wir haben jetzt Ende 1946. In wenigen Monaten werden seit dem Ende des Krieges in Europa zwei Jahre vergangen sein. Und noch immer sitzen Menschen von uns hinter Stacheldraht, unter den grauenhaftesten Verhaltnissen. Es gibt Kinder in Caraolos, die uberhaupt nicht wissen, da? es eine Welt au?erhalb des Stacheldrahtes gibt. Wenn es uns nicht gelingt, eine Anderung der englischen Politik zu erzwingen, dann konnen diese Armen unter Umstanden ihr ganzes weiteres Leben hinter Stacheldraht verbringen.«

»Das ist es ja gerade«, gab Kitty heftig zuruck. »Alles, was mit Caraolos zusammenhangt, ist von der Politik uberhaupt nicht zu trennen. Ich bin sicher, die Englander werden auch ihre guten Grunde haben. Und ich habe keine Lust, die Partei irgendeiner Seite zu ergreifen.«

»Mrs. Fremont — ich war Hauptmann der britischen Armee und bin Trager einer Tapferkeitsmedaille. Um eine alte Phrase zu benutzen: einige meiner besten Freunde sind Englander. Es gibt bei uns Dutzende von englischen Offizieren und Soldaten, die ganz und gar nicht mit dem einverstanden sind, was in Palastina geschieht, und die Tag und Nacht mit uns zusammenarbeiten. Das ist keine Frage der Politik, sondern der Menschlichkeit.«

»Ich bezweifle Ihre Aufrichtigkeit. Wie konnten Sie sonst das Leben von dreihundert Kindern aufs Spiel setzen?«

»Die meisten Menschen haben einen Lebenszweck«, sagte Ari. »Das Leben in Caraolos ist zwecklos. Doch fur seine Freiheit zu kampfen, das ist ein Lebenszweck. In Europa sitzen eine Viertelmillion von unseren Leuten, die nach Palastina wollen. Jeder von ihnen wurde, wenn er nur die Moglichkeit dazu hatte, sich an Bord dieses Schiffes in Kyrenia begeben.«

»Sie sind ein sehr kluger Mann, Mr. Ben Kanaan. Ich bin Ihnen in der Diskussion nicht gewachsen. Sie haben auf alles eine Antwort.«

»Ich dachte, Sie seien Krankenschwester«, sagte Ben Kanaan ironisch.

»Die Welt ist voll von Menschen, die leiden. Es gibt tausend Stellen, wo meine Arbeit ebenso notig gebraucht wird wie in Caraolos, ohne da? die Sache einen Haken hat.«

»Warum wollen Sie nicht einmal nach Caraolos kommen, sich die Sache ansehen und mir dann sagen, was Sie davon halten?«

»Sie werden mich nicht uberlisten, und ich lasse mich von Ihnen auch nicht provozieren. Ich habe in Amerika als Nachtschwester auf einer Unfallstation gearbeitet. Sie konnen mir in Caraolos nichts zeigen, was ich nicht schon gesehen hatte.«

Es wurde still im Raum. Schlie?lich holte Ari ben Kanaan tief Luft und hob die Hande hoch. »Schade«, sagte er, »aber da kann man nichts machen. Parker, ich werde mich in den nachsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen.« Er ging zur Tur.

»Mr. Ben Kanaan«, sagte Kitty, »sind Sie auch ganz sicher, da? ich diese Geschichte nicht unseren gemeinsamen Freunden erzahlen werde?«

Ari kam zuruck, blieb vor ihr stehen und sah ihr von oben in die Augen. Es wurde ihr augenblicklich klar, da? sie etwas Falsches gesagt hatte. Er lachelte kurz und ironisch. »Sie wollen vermutlich nur als Frau das letzte Wort behalten. Ich tausche mich eigentlich nur sehr selten in Menschen. Ich kann mir das nicht leisten. Und fur Amerikaner habe ich etwas ubrig, Amerikaner haben ein Gewissen. Sollte sich das Ihre bemerkbar machen, so konnen Sie mich bei Mr. Mandria erreichen, und es wird mir eine Freude sein, Sie in Caraolos herumzufuhren.«

»Sie sind sich Ihrer selbst sehr sicher, nicht wahr?«

»Ich wurde sagen«, antwortete Ari, »da? ich es im Augenblick etwas mehr bin als Sie.« Er ging hinaus.

Die Erregung, die sein Besuch ausgelost hatte, legte sich nur langsam, nachdem er gegangen war. Schlie?lich schleuderte Kitty die Schuhe von den Fu?en und hockte sich auf das Bett. »Allerhand! Aber du hattest ja gleich gesagt, wir hatten einen interessanten Abend vor uns.«

»Ich glaube«, sagte Mark, »es war sehr klug von dir, da? du dich herausgehalten hast.«

»Und du?«

»Das ist ein Tag Arbeit. Und es kann unter Umstanden eine wirklich gro?e Sache werden.«

»Und wenn du nun abgelehnt hattest?«

»Oh, dann hatten sie irgendeinen anderen Korrespondenten aus Europa hergeholt. Diese Leute verfugen uber allerhand Mittel und Wege. Ich war nur zufallig passend zur Stelle.«

»Sag mal, Mark«, sagte Kitty zogernd, »habe ich mich sehr toricht benommen?«

»Ich glaube, du hast dich nicht torichter benommen als hundert andere Frauen auch.«

»Ein toller Mann ist das. Woher kennst du ihn?«

»Das erstemal traf ich ihn in Berlin, Anfang 1939. Ich hatte dort gerade meinen Posten bei ANS angetreten. Er kam nach Berlin im Auftrag von Mossad Aliyah Bet, um moglichst viele Juden aus Deutschland herauszuschleusen, bevor der Krieg ausbrach. Er war damals Anfang Zwanzig. Spater traf ich ihn dann wieder in Palastina. Das war im Krieg. Er war Angehoriger der britischen Armee und hatte irgendeinen Geheimauftrag. Was es genau war, wei? ich nicht. Nach Kriegsende tauchte er dann an den verschiedensten Stellen in Europa auf, um Waffen zu kaufen und illegale Einwanderer nach Palastina zu schmuggeln.«

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