»Mandria — Sie waren mir eine gro?e Hilfe. Vielen Dank.«

Mandria strahlte, wahrend Ari sich entfernte. Das waren die ersten freundlichen Worte, die er von Ben Kanaan gehort hatte. Er war uberrascht und geruhrt.

Im gro?en Saal des Dom-Hotels mengten sich die Klange eines Strau?-Walzers mit dem Gewirr englischer Satze, dem Klirren der Glaser und dem leisen Rauschen des Meeres, das von drau?en hereindrang. Mark trank seinen Kaffee aus, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und starrte dann uber Kittys Schulter zum Eingang hin, wo soeben ein hochgewachsener Mann erschienen war. Der Mann beugte sich zu dem Ober und flusterte ihm etwas ins Ohr, und der Ober zeigte auf den Tisch, an dem Mark sa?. Mark machte gro?e Augen, als er Ari ben Kanaan erkannte. »Du machst ein Gesicht, als hattest du einen Geist gesehen«, sagte Kitty.

»Das habe ich auch, und er wird gleich hier sein. Wir haben einen sehr interessanten Abend vor uns.«

Kitty wandte sich um und sah Ari ben Kanaan, der wie ein Riese ihren Tisch uberragte. »Freut mich, da? Sie mich noch kennen, Parker«, sagte er, nahm unaufgefordert Platz und wandte sich an Kitty. »Und Sie sind offenbar Mrs. Katherine Fremont.«

Aris und Kittys Blicke trafen sich, und beide sahen sich an. Es entstand ein unbehagliches Schweigen, bis sich Ari schlie?lich nach einem Kellner umsah und ihn heranrief. Er bestellte Sandwiches. »Darf ich vorstellen, Kitty«, sagte Mark. »Das ist Ari ben Kanaan, ein sehr alter Bekannter von mir. Mrs. Fremont ist Ihnen ja offenbar bekannt.«

»Ari ben Kanaan«, sagte Kitty. »Was fur ein sonderbarer Name.« »Es ist ein hebraischer Name, Mrs. Fremont, und bedeutet: Lowe, Sohn Kanaans.«

»Das ist geradezu verwirrend.«

»Ganz im Gegenteil, das Hebraische ist eine sehr logische Sprache.« »Ach, wirklich? Den Eindruck hatte ich nicht«, sagte Kitty mit einem leicht sarkastischen Unterton.

Mark beobachtete die beiden. Sie waren sich kaum begegnet, und schon war zwischen ihnen das Wortgeplankel im Gang, das Spiel, das er selbst so oft gespielt hatte. Offenbar hatte Ben Kanaan bei Kitty irgendeine angenehme oder unangenehme Schwingung ausgelost, dachte Mark, denn sie zeigte die Krallen.

»Eigentlich sonderbar«, sagte Ari, »da? das Hebraische auf Sie nicht den Eindruck des Logischen macht. Immerhin fand Gott das Hebraische so logisch, da? er die Bibel in dieser Sprache schreiben lie?.«

Kitty lachelte und nickte. Die Kapelle ging uber zu einem Foxtrott. »Tanzen Sie, Mrs. Fremont?«

Mark lehnte sich zuruck und sah zu, wie Ben Kanaan Kitty auf die Tanzflache fuhrte, den Arm um sie legte und sie mit geschmeidiger Eleganz uber das Parkett bewegte. Es war offensichtlich, da? auf den ersten Blick der Funke ubergesprungen war, und diese Vorstellung behagte Mark gar nicht; es fiel ihm schwer, da? Kitty ein sterbliches Wesen sein sollte wie andere auch, empfanglich fur die Spiele der Sterblichen. Die beiden tanzten nahe an seinem Tisch vorbei. Kittys Gesicht war seltsam verandert, sie schien wie betaubt.

Doch dann mu?te Mark an etwas anderes denken, was ihn selbst anging. Von dem Augenblick an, da er in Zypern gelandet war, hatte er das Gefuhl gehabt, da? hier irgend etwas in der Luft lag. Dieses Gefuhl wurde durch das Auftauchen Ben Kanaans bestatigt. Er kannte den Mann aus Palastina genau genug, um sich daruber klar zu sein, da? er einer der wichtigsten Agenten von Mossad Aliyah Bet war. Er begriff auch, da? Ben Kanaan etwas von ihm wollte. Und was war mit Kitty? Wu?te er uber sie nur deshalb Bescheid, weil sie mit ihm zusammen war, oder gab es dafur noch irgendeinen anderen Grund?

Kitty war ziemlich gro?, doch in Ari ben Kanaans Armen kam sie sich klein und hilflos vor. Sie hatte ein merkwurdiges Gefuhl. Das plotzliche Auftauchen dieses athletischen, gut aussehenden Mannes hatte sie aus der Fassung gebracht. Und jetzt, in seinem Arm, nachdem sie ihn eben erst kennengelernt hatte, fuhlte sie sich gelost. Es war ein angenehmes Gefuhl, wie sie es seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gehabt hatte. Gleichzeitig aber kam sie sich sehr toricht vor.

Der Tanz war zu Ende, und die beiden kamen zuruck an den Tisch. »Ich dachte, bei Ihnen in Palastina wurde nur Horra getanzt«, sagte Mark.

»Ich bin allzulange mit der westlichen Zivilisation in Beruhrung gewesen«, entgegnete Ari.

Die Sandwiches kamen, und er a? mit Hei?hunger. Mark wartete geduldig darauf, da? ihm Ben Kanaan den Grund seines Besuches eroffnete. Er sah vorsichtig zu Kitty hin. Sie schien sich wieder einigerma?en in der Hand zu haben, obwohl sie Ari von der Seite her ansah, als sei sie auf der Hut und warte nur darauf, zuzuschlagen. Endlich hatte Ari gegessen und sagte beilaufig: »Ich hatte gern etwas mit Ihnen beiden besprochen.«

»Hier?« sagte Mark. »Inmitten der britischen Armee?«

Ari lachelte und sagte, zu Kitty gewandt: »Parker hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu erzahlen, Mrs. Fremont, da? der Job, den ich habe, in gewissen Kreisen als suspekt angesehen wird. Die Englander erweisen uns sogar immer wieder die zweifelhafte Ehre, uns als Untergrundbewegung' zu bezeichnen. Eines der ersten Dinge, die ich einem neuen Mitglied unserer Organisation immer einzuscharfen versuche, ist die Gefahrlichkeit einer geheimen Zusammenkunft um Mitternacht. Meiner Meinung nach gibt es fur das, was wir zu besprechen haben, keinen besseren Ort als diesen hier.«

»Ich schlage vor, da? wir in mein Zimmer hinaufgehen«, sagte Mark.

Sie hatten kaum die Tur hinter sich geschlossen, als Ari ohne Einleitung auf die Sache kam. »Horen Sie, Parker, Sie und ich waren in der Lage, uns gegenseitig einen wertvollen Dienst zu erweisen.« »Lassen Sie horen.«

»Sind Sie informiert uber die Internierungslager bei Caraolos?« Mark und Kitty nickten.

»Ich bin eben fertig geworden mit der Ausarbeitung der Plane fur die Flucht von dreihundert Jugendlichen. Wir werden sie hierher bringen und auf ein Schiff verfrachten, das im Hafen von Kyrenia liegt.« »Ihr habt seit Jahren Fluchtlinge nach Palastina geschmuggelt; das ist nichts Neues mehr, Ben Kanaan.«

»Es wird etwas Neues sein, wenn Sie mir helfen, es dazu zu machen. Erinnern Sie sich, welchen Staub unser illegales Schiff, Das Gelobte Land, damals in der Offentlichkeit aufgewirbelt hat?«

»Und ob ich mich erinnere.«

»Den Englandern war die Suppe damals ganz schon versalzen. Wir sind der Meinung, da? wir nur dann eine Chance haben, den Englandern die Fortsetzung ihrer Einwanderungspolitik in Palastina unmoglich zu machen, wenn es uns gelingt, einen weiteren Zwischenfall zu inszenieren, der ebensoviel Aufsehen erregt wie der von damals.«

»Ich bin leider nicht ganz mitgekommen«, sagte Mark. »Angenommen, es gelingt Ihnen, eine Massenflucht aus dem Lager von Caraolos zu organisieren — wie wollen Sie die Leute nach Palastina hinuberbringen? Und wenn es Ihnen gelingt, sie nach Palastina zu bringen — wo ist dann die Story?«

»Das ist genau der springende Punkt«, sagte Ari. »Sie sollen gar nicht bis nach Palastina kommen. Sie sollen nur hier in Kyrenia an Bord des Schiffes gehen.«

Mark beugte sich vor. Offensichtlich steckte mehr hinter Ben Kanaans Plan, als es auf den ersten Blick den Anschein gehabt hatte. Die Sache begann ihn zu interessieren.

»Nehmen wir einmal an«, sagte Ari, »es gelingt mir, dreihundert Waisenkinder aus dem Lager herauszubekommen und hier in Kyrenia an Bord eines Schiffes zu bringen. Nehmen wir weiter an, die Englander kommen dahinter und halten das Schiff im Hafen fest. Und nun nehmen wir einmal an, da? Sie bereits einen Bericht fertig haben, der in Paris oder New York vorliegt. In dem Augenblick, wo diese Waisenkinder an Bord gehen, bringt die Presse Ihren Bericht auf der ersten Seite.«

Mark stie? einen leisen Pfiff aus. Wie die meisten amerikanischen Korrespondenten, hatte er Mitgefuhl mit Fluchtlingen. Er bekam seine Story, und Ben Kanaan bekam die Propaganda, die er haben wollte. Wurde die Geschichte wichtig genug sein, da? es sich fur ihn lohnte, einzusteigen? Er hatte keine Moglichkeit, Informationen einzuholen oder die Sache mit irgend jemandem durchzusprechen. Er mu?te selbst und allein das Fur und Wider abwagen und sich entscheiden. Ari hatte ihn nur einmal am Knochen riechen lassen, um seinen Appetit zu reizen. Wenn er weitere Fragen an ihn stellte, so konnte das bedeuten, da? er in die Sache verwickelt wurde. Mark sah Kitty an, der das Ganze vollig ratselhaft zu sein schien. »Wie wollen Sie es eigentlich fertigbringen, dreihundert Kinder aus dem Lager herauszubekommen und nach Kyrenia zu schaffen?« fragte sie.

»Soll das etwa hei?en, da? Sie bereit sind, mitzumachen?«

»Das soll hei?en, da? ich es gern wissen mochte, ohne mich dadurch zu irgend etwas zu verpflichten. Falls ich mich dagegen entscheide, so gebe ich Ihnen mein Wort, da? alles, was hier gesagt wird, unter uns bleibt.«

»Das genugt mir«, sagte Ari. Er setzte sich auf den Rand der Kommode und entwickelte seinen Fluchtplan Punkt fur Punkt. Mark zog die Stirn in Falten. Der Plan war kuhn, verwegen, ja geradezu phantastisch, dabei war er gleichzeitig von erstaunlicher Einfachheit. Was Mark betraf, so hatte er einen Bericht zu schreiben, ihn aus Zypern

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