in Zypern hatte er nur selten und viel zu wenig geschlafen. Ari und Seew Gilboa umarmten sich in der beim Palmach ublichen Weise, und danach kam Ari sofort zur Sache, ohne sich mit einer Entschuldigung oder Erklarung fur seine achtstundige Verspatung aufzuhalten.

»Herr Mandria — haben Sie schon das Schiff fur uns?«

Mandria war sprachlos. Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Herr Ben Kanaan! Vor weniger als drei?ig Stunden sind Sie hier in Zypern angekommen und haben mich gebeten, Ihnen ein Schiff zu beschaffen. Ich bin kein Schiffbauer! Meine Firma, die Zyprisch-Mittelmeerische Schiffahrtsgesellschaft, unterhalt Zweigburos in Famagusta, Larnaca, Kyrenia, Limassol und Paphos. Weitere Hafen gibt es in Zypern nicht. Alle meine Buros haben Auftrag, sich nach einem Schiff fur Sie umzusehen. Wenn es auf Zypern uberhaupt so etwas wie ein Schiff gibt, dann werden Sie es erfahren, Herr Ben Kanaan.«

Ari achtete nicht auf Mandrias Sarkasmus und wandte sich an die andern.

»Seew, ich nehme an, David hat dich schon daruber informiert, was wir vorhaben.«

Der Mann aus Galilaa nickte.

»Von jetzt an arbeitet ihr drei fur mich. Sucht euch jemanden, der eure Posten im Lager ubernimmt. Joab, wie viele gesunde Jugendliche im Alter zwischen zehn und siebzehn Jahren gibt es in deiner Sektion?«

»Oh — ich wurde sagen, ungefahr sechs- bis siebenhundert.«

»Seew — suche dreihundert der kraftigsten aus. Gib ihnen die beste sportliche Ausbildung!«

Seew nickte.

»In einer halben Stunde wird es hell sein«, sagte Ari und stand auf. »Ich werde ein Taxi brauchen, um wieder loszufahren, Herr Mandria — der Mann, der mich gestern gefahren hat, ist vermutlich etwas mude geworden.«

»Ich werde Sie selbst fahren«, sagte Mandria.

»Gro?artig. Sobald es hell wird, fahren wir los. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich mu? mir oben in meinem Zimmer noch etwas ansehen.«

Er ging so plotzlich hinaus, wie er hereingekommen war. Die anderen begannen alle auf einmal zu reden.

»Dann sollen also die dreihundert, die ausbrechen, Kinder sein«, sagte Seew.

»So scheint es in der Tat«, sagte Mandria. »Wirklich ein seltsamer Mann. Er hofft auf ein Wunder — und er sagt nicht, was er vorhat.« »Im Gegenteil«, sagte David, »er glaubt nicht an Wunder. Deshalb arbeitet er so intensiv. Ich habe den Eindruck, hier steckt mehr dahinter, als Ari uns wissen la?t. Es kommt mir vor, als ob diese Flucht von dreihundert Kindern nur ein Teil von dem ist, was er plant.«

Joab Yarkoni lachelte. »Wir alle kennen Ari ben Kanaan lange genug, um von vornherein darauf zu verzichten, seine Plane erraten zu wollen. Wir kennen ihn auch lange genug, um zu wissen, da? er seine Sache versteht. Wenn es soweit ist, werden wir schon erfahren, was Ari vorhat.«

Am nachsten Tag fuhr Ari mit Mandria kreuz und quer durch Zypern, anscheinend wahllos und ziellos. Sie fuhren die ostliche Bucht entlang, vorbei an Salamis und Famagusta, bis an die Spitze von Kap Greco. In Famagusta stieg Ari aus, ging an der alten Stadtmauer entlang und studierte das Hafengelande. Mit Mandria sprach er mit Ausnahme gelegentlicher kurzer Fragen den ganzen Tag uber kaum ein Wort. Dem Zyprer kam es so vor, als sei dieser Riese aus Palastina das kalteste menschliche Wesen, das er je kennengelernt hatte. Er verspurte eine gewisse Feindseligkeit, konnte dabei aber nicht umhin, Ari seiner volligen Konzentration und anscheinend ubermenschlichen Ausdauer wegen zu bewundern. Dieser Mann, mu?te Mandria denken, schien sich mit ungeheurer Leidenschaft fur seine Sache einzusetzen — was eigentlich erstaunlich war, weil Ben Kanaan au?erlich keinerlei Spuren menschlicher Gefuhlsbewegung erkennen lie?.

Von Kap Greco aus fuhren sie die sudliche Bucht entlang und dann hinein in das hohe, felsig zerkluftete Gebirge, wo sich die Sporthotels fur die Wintersaison rusteten. Sollte Ben Kanaan dabei irgend etwas entdeckt haben, das fur ihn von Interesse war, so gab er jedenfalls nichts davon zu erkennen. Mandria war ziemlich erschopft, als sie nach Mitternacht wieder in Famagusta eintrafen. Doch es fand sofort eine neue Konferenz mit Seew, David und Joab statt. Danach begann Ari erneut, bis zum Morgen Karten und Berichte zu studieren.

Am Morgen des vierten Tages nach Ari ben Kanaans Ankunft auf Zypern erhielt Mandria einen Anruf seines Buros in Larnaca, mit der Mitteilung, da? soeben ein Schiff aus der Turkei eingelaufen sei, das seinen Anforderungen entsprache und kauflich zu erwerben sei. Mandria fuhr Ari nach Caraolos, wo sie David und Joab abholten, und zu viert fuhren sie los nach Larnaca.

Seew Gilboa kam nicht mit, weil er bereits damit beschaftigt war, die dreihundert Jugendlichen auszuwahlen und spezielle Trainingskurse fur sie einzurichten.

Mandria war stolz und sehr mit sich zufrieden, wahrend sie die Stra?e von Famagusta nach Larnaca entlangfuhren. Auf halbem Wege wurde Ari plotzlich auf etwas aufmerksam, das auf einem gro?en Feld links von der Stra?e vor sich ging. Er bat Mandria, anzuhalten, und stieg aus, um nachzusehen. Es wurde dort fieberhaft gebaut. Allem Anschein nach handelte es sich um Baracken.

»Die Englander bauen ein neues Internierungslager«, sagte David. »Caraolos wird allmahlich zu klein.«

»Warum habe ich davon nichts erfahren?« fragte Ari heftig.

»Du hast nicht danach gefragt«, antwortete Joab Yarkoni.

»Soweit wir es abschatzen konnen«, sagte David, »wird man in zwei bis drei Wochen damit anfangen, alle, die in Caraolos zu viel sind, in das neue Lager zu uberfuhren.«

Ari stieg wieder ein, und sie fuhren weiter. Joab Yarkoni, der nichts von dem Versuch hielt, die Plane seines Freundes erraten zu wollen, stellte dennoch fest, da? ihn dieses neue Lager au?erordentlich beschaftigte. Es war geradezu zu spuren, wie es in Aris Kopf arbeitete.

Sie kamen nach Larnaca und fuhren durch schmale, gewundene Gassen hinunter zum Hafen, an dem saubere zweistockige wei?e Hauser langs der Stra?e standen. Sie hielten vor der Taverne »Zu den vier Laternen«, wo sie der turkische Schiffseigner, ein Mann namens Armatau, erwartete. Ari bestand darauf, sofort das Schiff zu besichtigen — ohne erst bei einem Glas um den Preis zu feilschen, was hier doch ein so wesentlicher Teil jeder normalen geschaftlichen Transaktion war.

Armatau fuhrte sie uber die Stra?e hinuber zu der langen Pier, die sich mehr als eine halbe Meile weit ins Meer hinaus erstreckte. Wahrend sie an einem Dutzend Schleppfischern, Barkassen und Segelbooten entlanggingen, sprach Armatau unablassig auf sie ein. Er versicherte ihnen, da? das Schiff, welches sie sogleich in Augenschein nehmen sollten, in der Tat eine Konigin des Meeres sei. Ziemlich am Ende der Pier blieben sie bei einem uralten SeelenVerkaufer stehen, an dessen holzernem Bug fast verblichen der Name Aphrodite zu lesen war.

»Ist sie nicht eine Schonheit?« sagte Armatau, gluhend vor Begeisterung. Dann schwieg er gespannt, wahrend vier Augenpaare den alten Kahn kuhl und kritisch von vorn bis achtern musterten.

»Sie ist naturlich kein Schnellboot«, sagte der Turke.

Aris Schatzung nach war die Aphrodite 45 Meter lang und verdrangte rund zweihundert Tonnen. Der ganzen Bauweise und dem Aussehen nach mu?te sie ungefahr funfundvierzig Jahre alt sein.

»Sag mal, wer war eigentlich Aphrodite?« fragte Joab Yarkoni, mit den Augen zwinkernd.

»Aphrodite war die Gottin der Liebe. Sie wurde von der Brandung an den Strand gespult, nur ein paar Meilen von hier entfernt — vor etwa funftausend Jahren«, antwortete David.

»Ja, das alte Madchen hat bestimmt eine Menge durchgemacht«, sagte Joab.

Der Turke schluckte die Sticheleien hinunter und versuchte zu lacheln. Ben Kanaan drehte sich zu ihm herum und sah ihn an. »Horen Sie, Armatau, mich interessiert nur das eine. Bis Palastina sind es zweihundert Meilen. Sie mu? die Reise schaffen. Kann sie das, ja oder nein?«

Armatau warf beide Arme in die Luft. »Bei der Ehre meiner Mutter«, sagte er, »ich habe dreihundert Reisen zwischen Zypern und der Turkei mit ihr gemacht. Das wird Herr Mandria hier Ihnen bestatigen konnen. Er wei? es.«

»Ja, das stimmt«, sagte Mandria. »Sie ist alt, aber zuverlassig.« »Herr Armatau, gehen Sie mit meinen beiden Freunden an Bord und zeigen Sie ihnen die Maschinen.«

Als die drei Manner unter Deck verschwunden waren, sagte Mandria zu Ari: »Armatau ist zwar Turke, aber man kann seinen Worten Glauben schenken.«

»Was fur eine Geschwindigkeit kann man aus diesem Ding wohl herausholen?« fragte Ari.

»Schatzungsweise funf Knoten — bei achterlichem Wind. Die Aphrodite hat es nicht so eilig.«

Sie gingen an Bord und inspizierten das Deck und die Aufbauten. Die Aphrodite war halb verrottet und langst uber die Zeit hinaus, wo es sich bezahlt gemacht hatte, sie auszubessern. Trotz ihres offensichtlich schlechten Zustandes war sie von einer soliden Festigkeit. Man hatte das Gefuhl, da? sie mit den Tucken des Meeres vertraut

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