»He, was haben Sie denn vor!«

»Bitte, Tex, erlauben Sie mir, es den Leuten zu sagen. Sie haben so lange auf diesen Augenblick gewartet— jahrtausendelang.«

»Sie werden die Maschine in Stucke schlagen!«

»Ich werde dafur sorgen, da? sie ruhig bleiben — das verspreche ich Ihnen.«

»Also gut — erzahlen Sie es den Leuten.«

Er schaltete erneut die automatische Steuerung ein und ging an die Tur zur Kabine, um sich davon zu uberzeugen, da? seine Passagiere die Maschine nicht in die Luft sprengten.

Hanna machte die Durchsage.

Es erhob sich ein unvorstellbarer Jubel. Die Menschen weinten, sangen, lachten, beteten. Sie umarmten sich und jauchzten vor Freude.

»Mein Gott«, meinte Fester erstaunt, »so ein Theater haben die Leute nicht einmal gemacht, als wir die Mannschaft der Technischen Hochschule von Georgia geschlagen haben.«

Eine der Frauen ergriff seine Hand und ku?te sie. Er wich zuruck und begab sich wieder zu seinen Instrumenten. Auf dem ganzen Weg bis nach Lydda horte das Singen und Jubeln in der Kabine nicht mehr auf. Als die Maschine am Anfang der Rollbahn aufsetzte, ubertonten der Freudenlarm und die lauten Gebete das Gerausch der Motoren.

Fester sah zu, wie sie aus der Kabine nach drau?en drangten, wie sie, unten angelangt, auf die Knie fielen und weinend den Boden Israels ku?ten.

»Leben Sie wohl, Tex«, sagte Hanna. »Ich finde es schade, da? Sie wegfahren — aber ich wunsche Ihnen viel Spa? in Paris.«

Fester J. MacWilliams stieg langsam die Treppe hinunter. Er betrachtete das geschaftige Treiben auf dem Flugplatz. Busse und Krankenwagen standen bereit. Dutzende von Madchen, in der gleichen blauen Uniform wie Hanna, mischten sich unter die Jemeniten, beruhigten sie und freuten sich mit ihnen. Foster blieb unbeweglich am Ende der Treppe stehen, und eine sonderbare Empfindung, neu und ungewohnt, stieg in ihm auf.

Er sah Stretch Thompson uberhaupt nicht, der eilig auf ihn zukam. »Gratuliere, alter Knabe! Wie hat sie sich denn gemacht?«

»Hm?«

»Ich meine, wie die Kiste geflogen ist?«

»Wie ein Adler.«

Mehrere Beamte der Einwanderungsbehorde druckten Foster die Hand und klopften ihm auf den Rucken.

»Wie haben sich die Leute denn benommen?«

»War es fur Sie ein Flug wie jeder andere?«

Fester zog die Schultern hoch. »Klar«, sagte er, »ein Flug wie jeder andere.« Stretch nahm Fester am Arm und ging mit ihm auf das Buro zu. Foster blieb einen Augenblick stehen und sah sich um; Hanna winkte ihm zu, er winkte zuruck.

»Ja, Foster«, sagte Stretch, »jetzt kannst du nach Paris. Ich habe meine Leute beisammen, und eine neue Maschine haben wir auch noch bekommen.«

»Also Stretch, wenn du in Verlegenheit bist — eine Tour wurde ich schlie?lich noch machen. Aber das ist dann die letzte.«

Stretch kratzte sich am Kopf. »Ich wei? nicht — vielleicht konnte ich dich fur eine Tour noch mal einsetzen — um die neue Maschine auszuprobieren.« Er hat angebissen, dachte Stretch triumphierend. Jetzt habe ich den Himmelhund an der Leine!

Dieser Flug war der Beginn des Unternehmens »Fliegender Teppich«.

Stretch Thompson, der ehemalige Konigskrebsekonig, holte ausgekochte amerikanische Piloten heran, die bei der Berliner Luftbrucke mitgeflogen waren. Jeder neue Pilot und jede Crew wurde leidenschaftlich von der Aufgabe ergriffen, die Jemeniten in ihr Gelobtes Land zu bringen.

Oft waren die Maschinen nahe daran, aus den Fugen zu gehen. Doch ungeachtet aller Uberbeanspruchung und ungenugenden Wartungen fiel keine der Maschinen jemals aus. Den Piloten des »Fliegenden Teppichs« kam es allmahlich so vor, als stunden die Maschinen, solange sie Jemeniten beforderten, unter einer besonderen gottlichen Vorsehung.

Foster J. MacWilliams kam nicht nach Paris. Er flog die Route nach Aden, bis alle Jemeniten von dort abtransportiert waren, und dann machte er bei dem Unternehmen »Ali Baba« weiter, der Luftbrucke zum Abtransport der irakischen Juden aus Bagdad. Foster arbeitete so pausenlos und angestrengt wie kaum ein anderer Pilot in der Geschichte der Luftfahrt. Wenn er mit einer Fuhre von Einwanderern gelandet war, legte er sich gleich auf dem Flugplatz in eine Koje, um ein paar Stunden zu schlafen, wahrend seine Maschine wieder startklar gemacht wurde. Sobald das Bodenpersonal mit der Maschine fertig war, startete er erneut. Im Lauf der nachsten Jahre brachte Foster Millionen von Flugmeilen hinter sich und annahernd funfzigtausend Juden nach Israel.

Er erklarte jedesmal, da? dies endgultig der letzte Flug sei — bis er dann Hanna heiratete und sich in Tel Aviv eine Wohnung nahm. Das Unternehmen »Fliegender Teppich« war nur ein Anfang. Aus Kurdistan kamen Juden, aus dem Irak und der Turkei.

Aus Hadramaut, im ostlichen Teil des Protektorats, fand ein versprengter judischer Haufen den Weg nach Aden.

Sie kamen in Scharen aus den DP-Lagern in Europa.

Sie kamen aus Frankreich und Italien, aus Jugoslawien und aus der Tschechoslowakei, aus Rumanien und Bulgarien, aus Griechenland und aus Skandinavien.

Uberall in Nordafrika kamen sie aus den Mellahs von Algerien und Marokko, Agypten und Tunesien.

In Sudafrika machten sich die Angehorigen der wohlhabenden judischen Gemeinde, die begeistertsten Zionisten der Welt, auf nach Israel.

Sie kamen aus China und Indien, wo sie vor dreitausend Jahren se?haft geworden waren.

Sie kamen aus Australien, aus Kanada und aus England.

Sie kamen aus Argentinien.

Sie kamen durch brennende Wusten gezogen.

Sie kamen in klapprigen Flugzeugen geflogen.

Sie kamen mit alten Frachtdampfern, wie die Heringe in den Ladeluken zusammengepfercht.

Sie kamen in den Kabinen der Luxusdampfer.

Sie kamen aus vierundsiebzig verschiedenen Landern.

Aus der Diaspora, aus dem Exil kamen sie, die uberall Unerwunschten, zu diesem einzigen kleinen Fleck auf der ganzen Welt, wo das Wort Jude kein Schimpfwort war.

II.

Immer machtiger schwoll der Strom der neuen Einwanderer an. Bald war die Bevolkerung von Israel ums Doppelte, ja ums Dreifache angestiegen. Die durch den Krieg geschwachte Wirtschaft des Landes brach unter dieser Belastung fast zusammen.

Viele besa?en kaum mehr als das, was sie auf dem Leibe trugen. Viele waren alt und krank, und viele waren des Lesens und Schreibens unkundig; doch so schwierig die Lage auch war und so sehr sie durch die zusatzliche Last erschwert werden mochte — nicht ein Jude, der an die Tur Israels klopfte, wurde abgewiesen. Uberall sprangen Zeltstadte aus dem Boden, und ha?liche Dorfer aus verrosteten Wellblechbaracken uberzogen bald das ganze Land, von Galilaa bis zur Negev-Wuste. Hunderttausende von Menschen lebten in notdurftigen Behelfsheimen und stellten das Gesundheitswesen, das Erziehungswesen und die Wohlfahrtspflege vor schier unlosbar organisatorische Probleme.

Und doch war die Stimmung uberall optimistisch. Sobald die Gedemutigten, die Unterdruckten den Fu? auf den Boden von Israel gesetzt hatten, fanden sie menschliche Wurde und Freiheit, wie die meisten von ihnen sie niemals kennengelernt hatten, und diese Anerkennung als gleichberechtigte Wesen beflugelte sie mit einer zielstrebigen Energie, die einzigartig war.

Taglich entstanden neue landwirtschaftliche Siedlungen. Die Einwanderer zogen mit der gleichen Begeisterung hinaus, um die Wildnis und die Wuste in Angriff zu nehmen, mit der einst die ersten Pioniere den Sumpfen zu Leibe gegangen waren.

Kleine und gro?ere Orte, ganze Stadte schienen wie Pilze aus dem Boden zu schie?en.

Sudafrikanische, sudamerikanische und kanadische Gelder stromten in die Wirtschaft. Fabriken wurden

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