gebaut. Die Naturwissenschaften, die medizinische und die landwirtschaftliche Forschung wurden gefordert und erreichten bald hohes Niveau.
Tel Aviv entwickelte sich zu einer betriebsamen Metropole mit einer Viertelmillion Einwohner, und Haifa wurde zu einem der wichtigsten Hafen des Mittelmeeres. In beiden Stadten entstand eine Schwerindustrie. Jerusalem, Hauptstadt und kulturelles Zentrum der jungen Nation, dehnte sich bis zu den Hugeln aus.
Chemikalien, Medikamente, Textilien, Schuhe, Kleider, Anzuge — die Liste der Produktion umfa?te an die tausend verschiedene Waren. Autos wurden hergestellt, Busse gebaut, und ein Netz von Stra?en uberzog das Land.
Wohnraum, Wohnraum, Wohnraum — die Menschen brauchten Wohnungen, und die Umrisse der Neubauten schoben sich unablassig weiter in die Vorstadte hinaus. Das Hammern und Bohren, das Gerausch der Betonmischmaschinen und der Schwei?apparate verstummte in Israel nicht einen Augenblick. Von Metulla bis nach Elath, von Jerusalem bis Tel Aviv, uberall herrschte die erregende Atmosphare eines gro?en, unablassig arbeitenden Landes. Gleichzeitig aber war das Leben au?erordentlich hart. Israel war ein armes und unfruchtbares Land, und jeder einzelne Schritt vorwarts mu?te mit Schwei? errungen werden. Die Arbeiter hatten bei geringem Lohn schwerste Arbeit zu leisten. Noch harter waren die Arbeitsbedingungen der Siedler, die drau?en in der Wildnis dem durren Erdreich anbaufahigen Boden abzuringen versuchten. Allen Burgern wurden hohe Steuern auferlegt, um die erforderlichen Geldmittel fur die in Massen hereinstromenden neuen Einwanderer aufzubringen.
Doch die Menschen lie?en nicht locker. Sie opferten ihren Schwei? und ihr Blut, und sie schafften es, da? die winzige Nation lebte und wuchs.
Die Maschinen einer nationalen Fluglinie stiegen in den Himmel. Fahrzeuge einer Handelsflotte, die den Davidstern fuhrten, befuhren die Meere.
Das israelische Volk erkampfte sich seinen Weg mit einer Entschlossenheit, die die Hochachtung der gesamten zivilisierten Welt errang. Und niemand in Israel arbeitete, um es zu seinen eigenen Lebzeiten besser zu haben: Alles geschah im Gedanken an die Zukunft, fur die heranwachsende Generation, fur die neuen Einwanderer, die ins Land kamen.
Die Negev-Wuste nahm die Halfte des Gebiets von Israel ein. Sie war gro?tenteils unbelebte Wildnis und erinnerte teilweise an die Oberflache des Mondes. Hier war Moses auf der Suche nach dem Gelobten Land gewandert. Sengende Hitze von mehr als funfzig Grad stand uber den endlosen Schieferfeldern, den tiefen Schluchten und Canons. Auf den steinigen Plateaus wuchs kein Halm. Keine Lebewesen, nicht einmal ein Aasgeier, wagten sich in diese Einsamkeit.
Die Negev-Wuste war eine Herausforderung, und Israel nahm diese Herausforderung an. Die Israelis machten sich auf in die Wuste. Sie lebten in der erbarmungslosen Hitze und errichteten Siedlungen auf dem felsigen Boden. Sie machten es wie Moses: sie schlugen Wasser aus den Felsen und lie?en Leben in der unbelebten Einode entstehen. Sie suchten nach Mineralien. Aus dem Toten Meer holten sie Pottasche. In den Kupfergruben Konig Salomons, die seit Ewigkeiten stillgelegen hatten, wurde wieder das grune Erz gewonnen. Spuren von Erdol wurden gefunden und riesige Mengen von Eisenerz entdeckt. Ber Scheba, am nordlichen Eingang der Negev-Wuste gelegen, erlebte einen plotzlichen Aufschwung, und fast uber Nacht wuchs aus der Wuste eine Industriestadt.
Die gro?te Hoffnung der Juden richtete sich auf Elath am sudlichen Ende der Negev-Wuste und am Rande des Golfs von Akaba. Als israelische Truppen am Ende des Freiheitskrieges hierhergekommen waren, hatte Elath aus zwei Lehmhutten bestanden. Man traumte in Israel davon, aus Elath eines Tages, wenn die Agypter die Blockade des Golfs von Akaba aufhoben, einen Hafen mit direkter Schiffahrtsverbindung zum Fernen Osten zu machen. Man begann bereits jetzt mit dem Bau.
Hier in der Negev-Wuste tat Colonel Ari ben Kanaan nach der Beendigung des Freiheitskrieges freiwillig Dienst. Sein Auftrag war, jeden Fu?breit dieses Gebietes kennenzulernen, das fur Israel von vitaler Bedeutung und rings von drei erbitterten Feinden — Agypten, Jordanien und Saudi-Arabien — umgeben war.
Ari marschierte mit seinen Soldaten uber die morderischen Schieferfelder und durch die Wadis und fuhrte sie in Gegenden, die noch nie ein menschlicher Fu? betreten hatte. Er unterzog seine Truppe einer Ausbildung von so grausamer Harte, wie sie ihresgleichen nur in wenigen Armeen der Welt hatte. Alle Offiziersanwarter wurden zu Ari geschickt, der sie den schwersten korperlichen Erprobungen unterzog, die ein Mensch aushalten konnte. Aris stehende Truppe wurde unter dem Namen »Wustenwolfe« bekannt. Es waren harte Burschen, die die Negev-Wuste ha?ten, solange sie sich dort befanden und sich nach ihr sehnten, wenn sie fort waren. Zu der Ausbildung der Wustenwolfe gehorten Fallschirmabsprunge, Eilmarsche, Nahkampf und Pionierdienst. Nur die Zahesten waren den Anspruchen gewachsen.
In der israelischen Armee gab es keine Tapferkeitsauszeichnungen — man setzte voraus, da? ein Soldat so tapfer war wie der andere —, doch wer das Abzeichen der Wustenwolfe trug, der stand in besonderem Ansehen.
Aris Stutzpunkt war Elath. Er erlebte, wie es sich zu einer Stadt von kuhnen Pionieren entwickelte. Eine Wasserleitung wurde angelegt, in den Kupfergruben lief die Forderung auf vollen Touren und aus Fu?pfaden wurden Stra?en. Die Juden waren dabei, ihren sudlichsten Stutzpunkt auszubauen.
Die Leute wunderten sich uber das seltsame Wesen von Colonel Ben Kanaan. Er schien nie zu lachen und selten zu lacheln. Es war, als ob irgend etwas an ihm nage, ein Kummer oder eine Sehnsucht, und als ob dies der Grund war, da? er sich und seinen Leuten diese fast unmenschlichen Strapazen abverlangte. Zwei volle Jahre lang vergrub er sich in der Wuste.
Im Januar 1949, zu Beginn des Unternehmens »Fliegender Teppich«, hatte man Kitty Fremont gebeten, nach Aden zu gehen, um dort das Gesundheitswesen fur die Kinder im Lager Hashed zu organisieren. Kitty machte ihre Sache gro?artig. Sie brachte Ordnung in das Chaos. Sie war fest und energisch in ihren Anordnungen, aber sanft und freundlich im Umgang mit den Jugendlichen, die zu Fu? den weiten Weg vom Jemen zuruckgelegt hatten. Innerhalb weniger Monate wurde sie einer der wichtigsten Mitarbeiter der Zionistischen Siedlungsgesellschaft. Von Aden aus begab sie sich direkt nach Bagdad, zu dem Unternehmen »Ali Baba«, das den doppelten Umfang des Unternehmens »Fliegender Teppich« hatte. Nachdem sie im Auffanglager in Bagdad die Kinder-Fursorge organisiert hatte, fuhr sie eiligst nach Marokko, wo die Juden zu Zehntausenden aus den Mellahs von Casablanca aufbrachen, um nach Israel zu gehen. Sie unternahm eilige Fluge zu DP-Lagern in Europa, um in schwierigen Situationen Abhilfe zu schaffen, und sie fuhr kreuz und quer durch Europa auf der Suche nach Pflegepersonal und allem, was fur das Kinder- Gesundheitswesen sonst noch benotigt wurde. Als der Strom der Einwanderer nachzulassen begann, wurde Kitty nach Jerusalem zuruckberufen, wo man ihr einen leitenden Posten in der Jugend-Aliyah ubertrug.
Sie hatte geholfen, die Kinder und die Jugendlichen nach Israel hereinzubringen. Jetzt machte sie sich an die Aufgabe, diesen jungen Menschen zu helfen, sich als Mitglieder in die israelische Gemeinschaft einzuordnen. Die Losung des Problems waren Jugenddorfer wie Gan Dafna, doch fur all die vielen, die jetzt kamen, gab es zu wenige dieser Dorfer. Bei den Erwachsenen ubernahm die israelische Armee, die unter anderem jedem neuen Soldaten Hebraisch beibrachte, diese Aufgabe.
Kitty Fremont sprach inzwischen flie?end Hebraisch. Es war fur sie nichts Neues mehr, mit Fester J. MacWilliams und einem Transport tuberkuloser Kinder nach Israel zu fliegen oder eine Siedlung an der Grenze zu besuchen, um den Gesundheitszustand der Kinder zu inspizieren.
Und dann mu?te Kitty etwas erleben, das sie zugleich froh und traurig machte. Sie traf einige der alteren Madchen, mit denen sie in Gan Dafna zusammengewesen war, Madchen, die inzwischen geheiratet hatten und in den verschiedenen Siedlungen lebten. Kitty hatte diese Madchen im Lager auf Zypern und auf der Exodus bemuttert; sie waren sozusagen ihre Babys gewesen, und jetzt hatten sie selbst Babys. Kitty hatte beim Ausbau der Jugend- Aliyah und der Ausbildung des Pflegepersonals mitgearbeitet, von den ersten unsicheren Versuchen bis zu dem Punkt, wo alles vorbildlich und reibungslos funktionierte. Und jetzt erkannte Kitty Fremont plotzlich mit schwerem Herzen, da? sie ihre Schuldigkeit getan hatte. Sowohl Karen als auch Israel wurden von nun an ohne ihre Hilfe auskommen. Kitty fand, es sei Zeit, ihre Zelte hier abzubrechen.
III.
Barak ben Kanaan wurde funfundachtzig Jahre alt. Er zog sich aus dem offentlichen Leben zuruck und war zufrieden, sich mit der Leitung seiner Farm in Yad El beschaftigen zu konnen. Das hatte er sich ein halbes Jahrhundert lang gewunscht. Ungeachtet seines hohen Alters war Barak noch immer ein Mann voller Kraft, geistig rege und korperlich durchaus in der Lage, den ganzen Tag uber auf den Feldern seiner Farm zu arbeiten. Sein riesiger Bart war inzwischen fast ganz wei? geworden, zeigte aber immer noch Spuren des fruheren flammenden Rots, und seine Hand hatte noch immer einen stahlharten Griff. Die Jahre nach der Beendigung des Freiheitskrieges gewahrten ihm gro?e Befriedigung. Er hatte endlich Zeit fur sich und Sara.