machten. Suleiman war sich daruber klar, da? Yossi kein gewohnlicher Jude sei und auch nicht in einer gewohnlichen Mission gekommen war.
Schlie?lich fragte er Yossi nach dem Grund seines Besuches, und Yossi teilte ihm mit, da? Haschomer den Wachdienst ubernommen haben, den bisher Suleiman versehen hatte. Er dankte ihm fur seine treuen Dienste. Suleiman nahm diese Neuigkeit zur Kenntnis, ohne mit der Wimper zu zucken. Yossi bat ihn um einen Handschlag, zur Besiegelung eines Freundschaftspaktes. Suleiman lachelte und gab ihm seine Hand.
Am spaten Abend kam Yossi nach Rosch Pina und berief eine Versammlung der Farmer ein. Alle waren uber das Vorhaben mit den Wachmannschaften entsetzt. Sie waren uberzeugt, da? Suleiman ihnen die Kehle durchschneiden wurde, wenn er davon horte. Das Erscheinen von Yossi Rabinski und sein Versprechen, in Rosch Pina zu bleiben, trug sehr dazu bei, sie zu beruhigen.
Im Hintergrund des Versammlungsraums sa? ein zwanzigjahriges Madchen, das Yossi Rabinski nicht aus den Augen lie? und jedem seiner Worte lauschte. Sie hie? Sara und war erst kurzlich aus Polnisch-Oberschlesien nach Palastina gekommen. Sie war ebenso klein und schmal wie Yossi gro? und breit war, und ihr Haar war so schwarz wie das seine rot. Sie war begeistert von seinem Anblick und vom Klang seiner Stimme.
»Sie sind neu hier«, sagte er nach der Versammlung zu ihr.
»Ja.«
»Ich bin Yossi Rabinski.«
»Jeder kennt Sie.«
Yossi blieb eine Woche in Rosch Pina. Er rechnete fest damit, da? Suleiman etwas im Schilde fuhrte; doch er wu?te, da? der Beduine schlau genug war, um abzuwarten. Yossi war unterdessen au?erordentlich von Sara beeindruckt. Doch er hatte als Erwachsener wenig oder gar keinen Umgang mit judischen Madchen gehabt, und in ihrer Gegenwart wurde er stumm und verlegen. Je mehr Sara ihn neckte, desto mehr zog er sich in sein Schneckenhaus zuruck. Allen Leuten in Rosch Pina, mit Ausnahme von Yossi, war klar, da? er verliebt war.
Am neunten Tag kamen mitten in der Nacht ein Dutzend Araber auf leisen Sohlen nach Rosch Pina und machten sich mit mehreren Zentnern Getreide auf und davon. Yossi, der Wache hielt, sah sie kommen und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Er hatte sie mit Leichtigkeit auf frischer Tat ertappen konnen, doch es war fur einen Beduinen nichts Ehrenruhriges, bei einem Diebstahl erwischt zu werden. Yossi hatte eine andere Strategie im Sinn.
Am nachsten Morgen schwang sich Yossi aufs Pferd und ritt ein zweites Mal zu dem Lager Suleimans. Diesmal aber war er mit seinem drei Meter langen ledernen Ochsenziemer bewaffnet. Er sprengte in vollem Galopp in das Lager hinein und auf das Zelt Suleimans zu. Er sprang vom Pferd. Der Sudanese kam heraus, begru?te Yossi su?lich lachelnd und bat ihn, einzutreten. Yossi schlug ihn mit dem Handrucken zu Boden, so wie man eine Fliege von seinem Armel verscheucht.
»Suleiman!« rief er so laut, da? es im ganzen Lager zu horen war. »Komm heraus!«
Ein Dutzend Manner aus Suleimans Sippe standen plotzlich, wie aus dem Boden geschossen, vor ihm; sie hielten Gewehre in den Handen und machten erstaunte Gesichter.
»Komm heraus!« rief Yossi nochmals mit lauter Stimme.
Der alte Brigant lie? sich Zeit. Schlie?lich erschien er. Er trat vor das Zelt, legte die Hande an die Huften und lachelte drohend. Die beiden standen sich in einer Entfernung von drei Metern gegenuber. »Wer meckert hier vor meinem Zelt wie eine kranke Ziege?« fragte Suleiman. Die Manner seiner Sippschaft schuttelten sich vor Lachen. Yossi hielt Suleiman unverwandt im Auge.
»Es ist Yossi Rabinski, der wie eine kranke Ziege meckert«, sagte er. »Und er sagt, da? Suleiman ein Dieb und ein Lugner ist!«
Das Lacheln auf Suleimans Gesicht veranderte sich zu einer bosartigen Grimasse. Die Beduinen warteten gespannt auf das Zeichen, sich auf den Juden zu sturzen.
»Nur zu!« sagte Yossi herausfordernd. »Ruf deine ganze Sippschaft zusammen. Deine Ehre ist nicht mehr wert als die eines Schweins, und wie ich hore, ist dein Mut nicht gro?er als der eines Weibes.« Sein Mut nicht gro?er als der eines Weibes! Das war die todlichste Beleidigung, die es fur Suleimans Ohren gab. Yossi hatte ihn personlich herausgefordert.
Suleiman erhob die Faust und schuttelte sie. »Deine Mutter ist die ubelste von allen Huren auf der Welt.«
»Mach nur so weiter, du Waschweib — du kannst ja doch nur reden«, gab Yossi zur Antwort.
Suleimans Ehre stand auf dem Spiele. Er zog einen seiner silbernen Dolche heraus und ging mit einem wilden Schrei auf den rotbartigen Riesen los.
Yossis Ochsenziemer pfiff durch die Luft! Er wickelte sich um die Fu?e des Arabers, ri? ihn mit einem Ruck hoch und lie? ihn zu Boden sturzen. Yossi war mit einem Satz uber ihm. Er lie? den Ochsenziemer mit solcher Wucht auf Suleimans Rucken knallen, da? das Echo des Schlages von den Bergen widerhallte.
»Wir sind Bruder! Wir sind Bruder!« schrie Suleiman, nach dem funften Schlag um Gnade bittend.
»Hor zu, Suleiman«, sagte Yossi. »Du hast mir dein Wort gegeben und es mit einem Handschlag besiegelt. Und du hast dein Wort gebrochen. Wenn du oder einer deiner Leute jemals wieder den Fu? auf eins unserer Felder setzt, dann werde ich dir mit diesem Ochsenziemer das Fleisch von den Rippen schlagen und die Fetzen den Schakalen zum Fra? vorwerfen.«
Yossi stand auf und durchbohrte mit seinem Blick die erstaunten Beduinen. Sie waren starr vor Verbluffung. Noch nie hatten sie einen Mann erlebt, der so stark, so furchtlos und so wutend war.
Ohne sich auch nur im geringsten um ihre Gewehre zu kummern, wandte ihnen Yossi den Rucken, ging zu seinem Pferd, stieg auf und ritt davon.
Suleiman und seine Leute ruhrten nie wieder ein judisches Feld an. Als Yossi am nachsten Morgen aufsa?, um zum Berge Kanaan und zu seinen Leuten zuruckzureiten, fragte ihn Sara, wann er zuruckkame. Er murmelte irgend etwas in seinen Bart. Er komme ungefahr jeden Monat einmal nach Rosch Pina. Dann gru?te er und galoppierte davon, und Sara fuhlte, wie dieser Abschied sie schmerzte. So wie Yossi Rabinski war kein anderer — kein Jude, kein Araber, kein Kosak und auch kein Konig! Sie sah ihm nach, wie er davonritt, und schwor sich, diesen Mann bis an das Ende ihres Lebens zu lieben.
Ein Jahr lang befehligte Yossi seine Wachmannschaft mit solcher Klugheit, da? es im ganzen Gebiet fast gar keine Schwierigkeiten gab. Es war nie notig, von der Schu?waffe Gebrauch zu machen. Gab es Arger, ging er zu den Arabern, um mit ihnen freundlich zu verhandeln und sie zu warnen. Passierte dann erneut etwas, gebrauchte er seinen Ochsenziemer. Yossi Rabinskis Ochsenziemer wurde mit der Zeit im nordlichen Teil von Galilaa ebenso bekannt und beruhmt wie sein roter Bart. Die Araber nannten ihn den »Blitz«.
Fur Jakob war das alles viel zu langweilig. Es verlangte ihn nach Tatkraft. Nachdem er sechs Monate beim Haschomer gewesen war, machte er auch dort wieder Schlu? und begab sich auf die Suche, in der Hoffnung, irgend etwas zu finden, was die innere Leere ausfullen konnte, die er sein ganzes Leben lang empfunden hatte.
Yossi war als Wachter weder glucklich noch unglucklich. Diese Tatigkeit machte ihm mehr Spa?, als Land aufzukaufen. Au?erdem wurde dadurch demonstriert, da? die Juden in der Lage und entschlossen waren, sich zur Wehr zu setzen, und nicht mehr »Kinder des Todes« zu sein. Er freute sich jedesmal, wenn ihn seine dienstliche Tour nach Norden fuhrte. Dann konnte er seinen Freund Kammal besuchen und anschlie?end auf seinen Berg hinaufreiten, um seinen Traum zu nahren.
Insgeheim freute er sich besonders auf den Augenblick, wenn er nach Rosch Pina hineinritt. Er richtete sich dann jedesmal im Sattel auf, um auf seinem wei?en Hengst noch prachtiger zu wirken. Sein Herz schlug rascher, denn er wu?te, da? ihm Sara, das dunkelaugige Madchen aus Oberschlesien, zusah. Doch wenn er den Mund aufmachen oder handeln sollte, dann verlie? ihn der Mut. Sara war ratlos. Yossi konnte seine Schuchternheit einfach nicht uberwinden. In Saras Heimat ware der Heiratsvermittler zu Yossis Vater gegangen und hatte alles arrangiert. Hier aber gab es keinen Heiratsvermittler, nicht einmal einen Rabbi.
So verging ein ganzes Jahr. Eines Tages kam Yossi unerwartet nach Rosch Pina geritten. Alles, was er uber die Lippen brachte, war, Sara zu fragen, ob sie Lust hatte, mit ihm in das Hule-Tal zu reiten, um sich das Land nordlich der Siedlung anzusehen.
Wie aufregend fur Sara! Kein Jude au?er Yossi Rabinski wagte sich so weit ins Land hinein! Sie ritten durch Abu Yesha und dann hinauf in die Berge. Auf dem Gipfel eines Berges machten sie halt. »Genau von dieser Stelle aus habe ich Palastina zum erstenmal gesehen«, sagte er leise.
Yossi blickte in das Hule-Tal hinunter. Er brauchte nichts mehr zu sagen. Sara wu?te, wie sehr er dieses Stuck Land liebte. So standen sie beide lange nebeneinander und sahen stumm hinunter in das Tal. Sara reichte