die Sklaven auf dem Grabe ihres Herrn, und ihre an einen elastischen Zweig gehangten Kopfe werden weit fortgeschleudert, sobald der Fetischdiener sie abgeschnitten hat. Im Alter von zehn bis zu sechzehn Jahren dienen Kinder als Nahrung bei gro?eren Festen, und manche Hauptlinge sollen sich ausschlie?lich von solchen nahren.

Zu ihren Kannibalengelusten gesellt sich noch eine ungezahmte Raubgier. Diese fuhrt sie oft auf die Stra?en der Karawanen, die sie uberfallen, ausplundern und vernichten.

Sind sie auch weniger gut bewaffnet als die Handler und deren Begleitmannschaft, so haben sie doch den Vortheil der gro?eren Zahl, und einige tausend Eingeborne nehmen es allemal mit ein paar hundert Tragern auf. Die Forelopers wissen das recht gut; sie huten sich auch sorgsamst, Negerdorfern wie Ngombe Dara, Kalaka Taimo und andern in der Umgebung des Aukadepe und des Bahar-el-Abiad zu nahe zu kommen, wo noch keine Missionare thatig gewesen sind, wohin diese aber auch noch vordringen werden. Keine Furcht vermag deren Feuereifer zu dampfen, wo es sich darum handelt, zarte Menschengeschopfe vor dem Tode zu retten und jene wilden Rassen durch christliche Civilisation aus ihrer Versunkenheit emporzuheben.

Vom Anfang seines Zuges an hatte der Portugiese Urdax nicht immer Angriffen durch Eingeborne aus dem Wege gehen konnen, dabei war es ihm jedoch stets gelungen, ohne gro?eren Schaden davonzukommen, und er fuhrte sein Personal jetzt in unverminderter Zahl heim. Die Ruckkehr versprach eigentlich in vollster Sicherheit zu verlaufen. Nach Umgehung dieses Waldes an der Westseite, gelangte man an das rechte Ufer des Ubanghi und langs dieses Flusses gedachte man bis zu seiner Einmundung am rechten Congouser hinzuziehen. Vom Ubanghi aus trifft man dann haufig auf reisende Handler und auf Missionare. Hier ist auch weniger zu furchten von einer Begegnung mit eingebornen Stammen, die durch das Eingreifen Frankreichs, Deutschlands, Englands und Portugals immer weiter nach den Gebieten von Darfur zuruckgedrangt werden.

Sollte die Karawane jetzt, wo einige Marschtage genugten, den Flu? zu erreichen, auf ihrem Wege aufgehalten werden oder einer so starken Anzahl mordgieriger Gesellen vielleicht gar zum Opfer fallen?… Das war leider zu befurchten.

Jedenfalls sollte sie nicht, ohne sich vertheidigt zu haben, zu Grunde gehen, und entsprechend dem Aufruf des Portugiesen wurden alle Ma?regeln zu einer kraftigen Abwehr getroffen.

Im Handumdrehen waren Urdax, der Foreloper, John Cort und Max Huber bewaffnet und hatten ein Gewehr bereit, einen Revolver im Gurtel und eine wohlgefullte Patronentasche daran befestigt. Der Wagen enthielt uberdies ein Dutzend Flinten und Pistolen, die an einige, bezuglich ihrer Treue erprobte Trager vertheilt wurden.

Gleichzeitig befahl Urdax seinen Leuten, sich immer in der Nahe der gro?en Tamarinden zu halten, um leicht besseren Schutz gegen Pfeile finden zu konnen, deren vergiftete Spitzen meist todtliche Verletzungen erzeugen.

Jetzt wartete alles voller Spannung. Kein Gerausch unterbrach die Stille der Umgebung. Es schien nicht so, als ob die Eingebornen vom Walde her uber die Ebene vorgedrungen waren. Noch sah man wie vorher den feurigen Schein und da und dort wirbelten lange Saulen gelblichen Rauches empor.

»Was dort an den ersten Baumreihen hin und her getragen wird, mussen sehr harzhaltige Fackeln sein.

– Ganz gewi?, stimmte Max Huber ein. Ich begreife nur nicht, was die Kerle dort anfangen, wenn sie wirklich einen Angriff auf uns beabsichtigen.

– Und ich begreife es ebensowenig, fugte John Cort hinzu, wenn sie diese Absicht nicht haben.«

Die Sache war in der That unerklarlich, doch woruber hatte man uberhaupt erstaunen konnen, wenn solche verthierte Gesellen vom obern Ubanghi in Betracht kamen? Eine halbe Stunde verrann ohne Veranderung der Sachlage. Das ganze Lager blieb unausgesetzt auf der Hut. Alle Blicke durchforschten die dunkle Ferne im Osten und im Westen.

Wahrend die Feuer im Suden weiter brannten, konnte sich ja ein Theil der Wilden von der Seite heranschleichen und die Karawane unter dem Schutze der Finsterni? uberfallen.

Nach jenen beiden Seiten blieb die Ebene jedoch vollig verlassen. So dunkel die Nacht auch war, hatten hier doch keine Feinde den Portugiesen und seine Begleiter uberraschen konnen, ohne da? diese von ihren Waffen Gebrauch gemacht hatten.

Kurz nachher, gegen elf Uhr, rief Max Huber, der von der aus Urdax, Khamis und John Cort bestehenden Gruppe einige Schritte vorwartsgegangen war:

»Wir werden selbst nachsehen mussen, mit wem wir es hier zu thun haben!

– Konnte das etwas nutzen, warf John Cort dagegen ein, und empfiehlt es sich nicht weit mehr, bis zum Tagesanbruch auf der Wacht zu bleiben?

– Warten… noch warten, entgegnete Max Huber, wo unser Schlaf so abscheulich unterbrochen worden ist, noch sechs Stunden, die Hand am Gewehrabzuge, warten! Nein, da ist es doch besser, zu sehen, woran man ist. Hegten die Eingebornen ubrigens keine schlechten Absichten gegen uns, so ware ich gern bereit, mich wieder bis zum Morgen in mein Wurzelbettgestell niederzulegen, wo ich schon so angenehm traumte.

– Was meinen Sie dazu? fragte John Cort den Portugiesen, der sich bisher ganz still verhalten hatte.

– Vielleicht verdient der Vorschlag Beachtung, antwortete dieser; er mu? nur mit der gro?ten Vorsicht ausgefuhrt werden.

– Ich erbiete mich zu dem Versuche, rief Max Huber eifrig, und verlassen Sie sich darauf…

– Und ich werde Sie begleiten, meldete sich der Foreloper, wenn Herr Urdax dem zustimmt.

– Es wurde jedenfalls besser sein, meinte der Portugiese.

– Und ich kann mich auch noch anschlie?en, erklarte John Cort.

– Nein, bleib’ Du zuruck, lieber Freund, bat Max Huber. Zu Zweien sind wir genug. Uebrigens werden wir nicht weiter als nothig hinausgehen. Erspahen wir einen Trupp, der sich von dieser Seite nahert, so kommen wir schleunigst zuruck.

– Ueberzeugt Euch auch, da? Eure Feuerwaffen gut in stand sind, mahnte noch John Cort.

– Das ist schon geschehen, erwiderte Khamis, ich hoffe jedoch, da? sie auf unserem Streifzuge nicht in Thatigkeit kommen. Das Wichtigste fur uns ist doch, selbst unentdeckt zu bleiben.

– Das meine ich auch«, erklarte der Portugiese.

Neben einander hingehend, hatten Max Huber und der Foreloper den Tamarinden-Hugel bald hinter sich gelassen.

Weiterhin war die Ebene weniger dunkel, obwohl man auf hundert Schritte hin einen Mann noch kaum hatte wahrnehmen konnen.

Beide hatten kaum funfzig Schritte gemacht, als sie Llanga hinter sich bemerkten. Ohne ein Wort zu sagen, war der Knabe ihnen vom Lager aus gefolgt.

»Warum bist Du denn gekommen, Kleiner? sagte Khamis.

– Jawohl, Llanga, fuhr Max Huber fort, warum bist Du denn nicht bei den anderen geblieben?

– Vorwarts… trolle Dich zuruck, befahl der Foreloper.

– O, Herr Max, murmelte Llanga, ich bei Ihnen… ich bei Ihnen sein…

– Du wei?t aber doch, da? Dein Freund John Cort dort hinter uns ist.

– Ja, dafur mein Freund Max… hier sein!

– Wir brauchen Dich aber nicht! sagte Khamis schon mit weniger strengem Tonfall.

– Lassen wir ihn hier, da er einmal da ist, meinte Max Huber.

Er wird uns nicht im Wege sein, Khamis, und vielleicht entdeckt er mit seinen Katzenaugen sogar, was wir noch nicht erkennen konnen.

– Ja, ja, ich werde ausschauen… weit hinaus! versicherte das Kind.

– Nun gut; so halte Dich neben mir, sagte Max Huber, und halte hubsch die Augen offen!«

Alle drei gingen weiter. Nach einer Viertelstunde befanden sie sich in der Mitte zwischen dem Lager und dem gro?en Walde.

Die Flammen verbreiteten noch immer ihren Schein am Fu?e der Baume, leuchteten aber, aus gro?erer Nahe gesehen, um so heller. So scharf aber auch der Gesichtssinn des Foreloper und so gut das Fernrohr Max Huber’s war, das dieser eben aus dem Etui gezogen hatte, so durchdringend die Blicke der jungen

»Wildkatze« ohne Zweifel waren: es erwies sich doch noch immer unmoglich, jemand, der die Fackeln truge, gewahr zu werden.

Das bestatigte die Ansicht des Portugiesen, wonach diese Feuerpunkte sich zum Theil verdeckt durch die

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