bleiben. Um dem Untergange zu entgehen, gab es nur ein Mittel: die Flucht in den Wald.

Ob es dazu aber noch Zeit war?… Zwei Kilometer zurucklegen, wo die Horde kaum noch halb so weit von ihnen entfernt war?

Alle harrten auf einen Befehl von Urdax, der sich zu einem solchen doch nicht ermannen konnte.

Endlich rief er:

»Den Wagen… den Wagen! Bringt ihn schnell hinter den Hugel, vielleicht bleibt er da unversehrt!

– Zu spat! antwortete der Foreloper.

– Thue, was ich Dir sage! stie? der Portugiese hervor.

– Ja… doch wie?« versetzte Khamis.

Nach Sprengung ihrer Fesseln waren die Zugochsen namlich, ohne da? jemand sie aufhalten konnte, davon gesturmt und liefen jetzt in ihrer Verwirrung unmittelbar vor der gewaltigen Herde her, die sie bald wie Fliegen zerstampfen mu?te.

Da wollte Urdax die Begleitmannschaft der Karawane zu Hilfe ziehen.

»Hierher… die Trager hierher! rief er aus Leibeskraften.

– Die Trager? antwortete Khamis. Holen Sie die Kerle nur, die langst entflohen sind.

– Diese elenden Schurken!« stie? John Cort hervor.

Die Schwarzen waren in der That in westlicher Richtung vom Lager nicht nur davongelaufen, sondern hatten dabei auch noch kleinere Waarenballen und verschiedene Vertheidigungsmittel mitgenommen. Sie lie?en ihren Herrn gewissenlos als Feiglinge und als Diebe einfach im Stiche.

Auf diese Leute war also nicht zu rechnen, denn zuruck kamen sie sicherlich nicht. Wahrscheinlich fanden sie sogar Unterschlupf in Dorfern von Eingebornen. Von der Karawane waren nun blos noch der Portugiese und der Foreloper, der Franzose, der Amerikaner und der kleine Knabe ubrig.

»Den Wagen… den Wagen!« schrie Urdax, der sich darauf versteifte, ihn hinter dem Hugel in Sicherheit zu bringen.

Khamis konnte nicht umhin, mit den Schultern zu zucken. Er gehorchte jedoch, und dank der Unterstutzung Max Huber’s und John Cort’s wurde das Gefahrt bis an die Baume herangeschleppt. Vielleicht blieb es hier verschont, wenn die Herde, bei den Tamarinden angelangt, sich theilte.

Die Sache hatte immerhin einige Zeit gekostet, und als sie abgethan war, lag es auf der Hand, da? es fur den Portugiesen und seine Begleiter zu spat war, den Wald noch erreichen zu konnen.

Khamis sah das zuerst ein und brach nur in die drei Worte aus:

»Auf die Baume!«

Nur ein Ausweg bot sich jetzt noch: zwischen die Aeste der Tamarinden zu klettern, um wenigstens dem ersten Anprall der Dickhauter auszuweichen.

Max Huber und John Cort waren noch einmal in den Wagen gesturmt. Sich hier mit Patronenpacketen zu beladen, um wenigstens Munition fur die Gewehre zu haben, wenn sie sich dieser gegen die Elefanten bedienen mu?ten, und nach der fruheren Stelle zuruckzueilen, das war das Werk eines Augenblickes. Der Foreloper hatte sich nur noch eine Axt und seine Feldflasche geholt. Wenn sie die unteren Gebiete von Ubanghi durchwanderten, konnte er mit den ubrigen doch vielleicht noch die Factoreien an der Kuste erreichen.

Welche Zeit war es denn jetzt?… Genau siebzehn Minuten nach elf, wie John Cort angab, der seine Uhr mit einem angezundeten Streichholzchen beleuchtet hatte. Seine Kaltblutigkeit war ihm geblieben, und das ermoglichte ihm, die Sachlage zu beurtheilen, die seiner Ansicht nach schon hochst gefahrlich war, aber ganz aussichtslos wurde, wenn die Elefanten am Hugel Halt machten und nicht nach der Ost- oder Westseite der Ebene weiter trabten.

Der nervose und sich der Gefahr ganz ebenso bewu?te Max Huber lief neben dem Wagen hier und dort hin und beobachtete die ungeheure wogende Masse, die, noch dunkler als der Himmel sich von diesem abhob.

»Da mu?te man freilich Kanonen zur Hand haben!«

murmelte er.

Khamis lie? nichts von dem merken, was er etwa empfand.

Er hatte die erstaunliche Ruhe des Afrikaners mit arabischem Blute, dem Blute, das dicker ist als das des Wei?en, das auch weniger roth ist, die Empfindung abzustumpfen scheint und auch den physischen Schmerz weniger fuhlen la?t. So stand er wartend da mit zwei Revolvern im Gurtel und hielt das Gewehr immer im Anschlag.

Der Portugiese, der seine Verzweiflung nicht verhehlen konnte, dachte offenbar mehr an den unersetzlichen Verlust, den er erleiden sollte, als an die Gefahren dieses Ueberfalles.

Er wetterte, seufzte und stie? die gra?lichsten Fluche in seiner Muttersprache hervor.

Llanga hielt sich neben John Cort und sah Max Huber dabei an. Er verrieth keine Furcht, denn er hatte keine, so lange er sich bei seinen beiden Freunden befand.

Je mehr sich die entsetzliche Dickhauterschaar naherte, desto betaubender wurde der Hollenlarm, der von ihr ausging. Das Trompeten der machtigen Russelthiere verdoppelte sich. Man fuhlte ihren Athem schon wie einen Wind, der uber die Erde strich. Bei der jetzigen Entfernung von vier- bis funfhundert Schritten gewannen die Pachydermen im Dunkel der Nacht scheinbar eine unheimliche Gro?e. Man hatte von einer Apokalypse furchtbarer Ungeheuer reden konnen, deren Russel, gleich Tausenden von Schlangen, sinnlos durcheinander fuchtelten.

Nun war es die hochste Zeit, in die Aeste der Tamarinden zu fluchten. Vielleicht sturmte die feindliche Horde vorbei, ohne den Portugiesen und seine Gefahrten zu bemerken.

Der Gipfel dieser Baume ragte wohl um sechzig Fu? in die Luft empor. Sehr ahnlich den Nu?baumen, doch gekennzeichnet durch die regellose Verschlingung ihres Geastes, sind die Tamarinden, eine Dattelart, in verschiedenen Zonen Afrikas au?erordentlich verbreitet. Au?er da? die Neger aus dem schleimigen Theile ihrer Fruchte ein erquickendes Getrank zu bereiten verstehen, pflegen sie die Schoten des Baumes dem Reis zuzusetzen, mit dem sie sich, vorzuglich in den Kustenlandern, vorwiegend ernahren.

Die Tamarinden hier standen so dicht bei einander, da? ihre tieferen Zweige sich untereinander verschlangen, so da? man von einem Baume zum andern gelangen konnte. Ihre Stamme hatten unten einen Umfang von sechs bis acht und am Anfange der Verastelung noch reichlich von vier bis funf Fu?. Immerhin war damit noch nicht gesagt, da? sie hinreichend widerstandsfahig waren, wenn die Thiere den Hugel sturmten.

Bis an die ersten Aeste hinauf, die sich etwa drei?ig Fu? uber dem Erdboden abzweigten, boten die Stamme nur eine ganz glatte Oberflache. Bei der Dicke dieser Schafte ware es sehr schwierig gewesen, bis zu ihrer Gabelung hinauf zu gelangen, wenn Khamis nicht einige »Chamboks« zur Hand gehabt hatte.

Das sind sehr geschmeidige lange Riemen aus Rhinozeroshaut, deren sich die Forelopers bedienen, die Ochsengespanne zu lenken.

Mittels eines solchen Riemens, der uber die Gabelung der Baume hinweggeworfen wurde, konnten Urdax und Khamis eine der Tamarinden erklimmen Mit Hilfe eines zweiten Riemens gelang es Max Huber und John Cort in gleicher Weise. Sobald diese dann rittlings auf einem Aste sa?en, warfen sie das freie Ende ihres Chambok dem jungen Llanga zu, den sie im Handumdrehen zu sich hinauszogen.

Die Herde war jetzt nur noch hochstens dreihundert Meter weit entfernt; binnen zwei bis drei Minuten mu?ten sie den Hugel erreicht haben.

»Na, lieber Freund, bist Du denn nun zufriedengestellt?

fragte John Cort ironisch seinen Kameraden.

– Bah, das ist noch immer weiter nichts, als etwas Unerwartetes, John.

– Ja freilich, Max; etwas Au?erordentliches wurde es aber sein, wenn wir aus dieser Geschichte mit heiler Haut davonkamen.

– Alles in allem hast Du recht, John. Besser war’ es unbedingt, von diesem Ueberfalle durch Elefanten, die sich gewohnlich recht brutal benehmen sollen, ganz verschont zu bleiben.

– Nein, das ist unglaublich, lieber Max, da? wir einmal ein und derselben Ansicht sind!« begnugte sich John Cort zu antworten.

Was Huber noch darauf erwiderte, konnte sein Freund nicht verstehen. Gerade jetzt ertonte namlich ein furchtbares Gebrull, dann horte man Schmerzenslaute, bei denen auch die Muthigsten gebebt hatten.

Als sie das Laubwerk auseinander bogen, sahen Urdax und Khamis, was etwa hundert Schritte vom Hugel vorging.

Nachdem die Zugochsen sich losgerissen hatten, konnten sie nur noch nach dem Walde zu fliehen. Leider war kaum zu erwarten, da? die nicht gerade schnellfu?igen Thiere diesen erreichten, ehe sie uberfallen wurden.

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