den Anfang gemacht haben. In einem Jahr werden wir ein Kinderheim haben und tausend Dunam Ackerland.« »Und du wirst in einem Jahr anfangen, alt zu werden. Du wirst taglich achtzehn Stunden arbeiten und die Nachte im Schutzengraben verbringen. Und alles, was ihr beide, Dov und du, von dieser ganzen Schufterei haben werdet, wird ein kleines Zimmerchen sein, zweifunfzig mal drei Meter. Nicht einmal die Sachen, die ihr anhabt, werden euch gehoren.«

»Du irrst dich, Kitty. Dov und ich werden alles haben, was wir uns wunschen.«

»Einschlie?lich einer Viertelmillion Araber, die nur darauf versessen sind, euch die Kehle durchzuschneiden.«

»Wir konnen diesen armen Menschen gegenuber keinen Ha? empfinden«, sagte Karen. »Tag fur Tag und Monat fur Monat sitzen sie da, eingesperrt wie Tiere im Kafig, und mussen zusehen, wie unsere Felder grun werden.«

Kitty lie? sich auf ein Feldbett sinken und vergrub ihr Gesicht in ihren Handen.

»Kitty, hor doch zu —.«

»Ich kann nicht.«

»Bitte — hor mich bitte an. Du wei?t, da? ich mich schon als kleines Madchen in Danemark gefragt habe, was es eigentlich zu bedeuten hat, da? ich als Judin zur Welt gekommen bin. Jetzt wei? ich die Antwort auf diese Frage. Gott hat die Juden nicht deshalb auserwahlt, weil sie vor der Gefahr davonlaufen. Wir haben sechstausend Jahre lang Verfolgung und Erniedrigung ertragen und sind unserem Glauben treu geblieben. Wir haben jeden uberlebt, der versuchte, uns zu vernichten. Begreifst du denn gar nicht, Kitty — dieses kleine Land hier wurde uns bestimmt, weil sich hier die Wege der Welt scheiden und die Wildnis beginnt. Hier an dieser Stelle wunschte Gott Sein Volk zu sehen — an den Grenzen, damit es uber Seine Gesetze wache, die das Ruckgrat der moralischen Existenz der Menschen darstellen. Wo sollten wir sein, wenn nicht hier?«

»Israel steht mit dem Rucken gegen die Wand«, sagte Kitty heftig. »So hat es immer gestanden, und so wird es immer stehen — und immer werdet ihr von unversohnlichen Gegnern umgeben sein, die entschlossen sind, euch zu vernichten.«

»Nein, Kitty, nein! Israel ist die Brucke zwischen der Finsternis und dem Licht.«

Und auf einmal begriff Kitty, sah es so deutlich — so wunderbar klar. Das also war die Antwort: Israel, die Brucke zwischen der Finsternis und dem Licht.

V.

Einen Abend gibt es, der sich fur jeden Juden von allen anderen unterscheidet und von besonderer Bedeutung ist: der Beginn des Pessach-Festes. Das Pessach-Fest wird zur Erinnerung an die Befreiung aus der Knechtschaft in Agypten begangen. Die damaligen Unterdrucker, die alten Agypter, wurden zum Symbol fur alle Unterdrucker der Juden durch die Jahrtausende.

Der Hohepunkt dieses Festes ist der Seder — die Feier der Befreiung, die am Vorabend des Pessach-Festes begangen wird, um dem Dank fur die Freiheit Ausdruck zu geben und um denen Hoffnung zu verleihen, die in der Unfreiheit leben. In der Verbannung und in der Diaspora, vor der Wiedergeburt des Staates Israel, endete diese Feier stets mit den Worten: »Nachstes Jahr in Jerusalem.«

An diesem Abend wird aus der Haggada vorgelesen, einem Buch, das besondere Gebete, Erzahlungen und Lieder fur das Pessach-Fest enthalt, die zum Teil dreitausend Jahre alt sind. Das Oberhaupt der Familie liest die Geschichte vom Auszug der Kinder Israels aus Agypten.

Die Seder-Feier war immer und uberall der Hohepunkt des Jahres. Wochenlang waren die Hausfrauen mit den Vorbereitungen fur diesen Abend beschaftigt. Das Haus mu?te peinlich gesaubert werden, die Raume wurden geschmuckt, und besondere Passach-Speisen wurden bereitet.

Uberall in Israel war man fieberhaft mit den Vorbereitungen fur den Seder beschaftigt. In Yad El, im Haus der Familie Ben Kanaan, sollte der Seder in diesem Jahre in einem verhaltnisma?ig kleinen Kreis gefeiert werden. Dennoch mu?te Sara die rituellen Vorschriften bis auf das I-Tupfelchen erfullen. Diese Arbeit war ihr eine Herzenspflicht, die sie sich nicht nehmen lie?. Das Haus wurde innen und au?en gescheuert. Am Tage der Feier schmuckte sie die Raume mit riesigen Galilaarosen. Der siebenarmige Menora-Leuchter war glanzend geputzt. Alle besonderen Pessach-Speisen standen bereit: verschiedene Kuchen, Platzchen und Su?igkeiten, und Sara hatte ihr bestes Kleid angelegt.

Sutherland fuhr mit Kitty im Wagen von seinem Haus in Safed nach Yad El.

»Da? Sie Israel verlassen wollen, gefallt mir gar nicht«, brummte Sutherland. »Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.«

»Ich habe lange daruber nachgedacht, Bruce. Es ist das Beste so. Und jetzt scheint mir der richtige Augenblick dafur zu sein.« »Meinen Sie wirklich, da? die Einwanderung ihren Hohepunkt uberschritten hat?«

»Der erste Ansturm ist jedenfalls vorbei. Es gibt noch viele kleinere judische Gruppen, die hierherkommen wollen, aber in Europa festsitzen — wie etwa die Juden in Polen. Fur die Juden in Agypten kann die Lage jederzeit unhaltbar werden. Doch die Hauptsache ist, da? die entsprechenden Organisationen in Israel jetzt soweit sind und so fest auf eigenen Fu?en stehen, da? man allen Schwierigkeiten gewachsen ist.«

»Sie meinen die Schwierigkeiten kleineren Ausma?es«, sagte Sutherland. »Wie steht es mit den gro?en?«

»Ich verstehe Sie nicht ganz.«

»In den Vereinigten Staaten leben sechs Millionen Juden, und in Ru?land vier. Wie steht es damit?«

Kitty dachte eine Weile intensiv nach, ehe sie antwortete. »Bei den paar amerikanischen Juden, die nach Israel gekommen sind, handelt es sich entweder um Idealisten oder um Neurotiker. Ich glaube nicht, da? der Tag jemals kommen wird, an dem amerikanische Juden aus Angst vor Verfolgung nach Israel kommen mu?ten. Ich mochte diesen Tag jedenfalls nicht erleben. Was Ru?land angeht, so gibt es da eine seltsame und ergreifende Geschichte, die verhaltnisma?ig wenig Menschen kennen.«

»Sie machen mich neugierig«, sagte Sutherland.

»Nun, Sie wissen sicherlich, da? man in Ru?land versucht hat, das judische Problem dadurch aus der Welt zu schaffen, da? man die Alten einfach aussterben lie? und die Jungen von fruhester Kindheit an ideologisch zu drillen begann. Und Sie wissen naturlich auch, da? der Antisemitismus in Ru?land noch immer sehr heftig ist.«

»Ich habe davon gehort.«

»Diese unwahrscheinliche Geschichte, von der ich berichten will, ereignete sich bei den letzten hohen Festtagen, und sie zeigt, da? der Versuch der Sowjets vollig mi?lungen ist. Der israelische Gesandte begab sich zu der einzigen Synagoge, die es in Moskau noch gibt. Nach drei?ig Jahren des Schweigens erschienen auf den Stra?en plotzlich drei?igtausend Juden, die den Abgesandten aus Israel nur einmal sehen und beruhren wollten! Ja, ich glaube, da? es eines Tages eine gro?e Einwanderungswelle von Juden aus Ru?land geben wird.«

Was Kitty da erzahlt hatte, beruhrte Sutherland zutiefst. Er dachte schweigend daruber nach. Ja, so war es: ein Jude horte niemals auf, Jude zu sein. Und irgend einmal kam der Tag, an dem er sich zu seinem Judentum bekennen mu?te. Sutherland dachte an seine geliebte Mutter.

Sie bogen von der Hauptstra?e ab und fuhren nach Yad El hinein. Sara ben Kanaan kam aus dem Haus gesturzt, um sie zu begru?en. »Sind wir die ersten?«

»Dov ist schon da. Aber nun kommt schon — herein, herein.«

Dov kam ihnen entgegen. Er schuttelte Sutherland die Hand und umarmte Kitty herzlich. Sie hielt ihn auf Armeslange von sich. »Major Dov Landau, Sie sehen von Mal zu Mal besser aus.« Sutherland besah sich Saras Rosen im Wohnzimmer nicht ohne ein Gefuhl des Neides.

»Wo sind denn all die andern?« fragte Kitty.

»Jordana ist gestern abend nach Haifa gefahren. Sie sagte, sie werde heute beizeiten zuruck sein«, erklarte Sara.

»Karen schrieb mir, da? sie einen Tag vorher von Nahal Midbar fortfahren wollte«, sagte Dov. »Das ware also gestern gewesen. Da hat sie an sich reichlich Zeit, herzukommen. Aber vielleicht hat sie in Haifa ubernachtet.«

»Kein Grund zur Aufregung«, sagte Sutherland. »Sie wird bestimmt rechtzeitig zum Seder hier sein.«

Kitty war enttauscht, da? Karen noch nicht da war, doch sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Das Verkehrsproblem war sehr schwierig, besonders an einem Festtag. »Kann ich Ihnen bei irgend etwas helfen?« fragte sie Sara.

»Ja, indem Sie sich hinsetzen und es sich gemutlich machen. Es sind schon ein Dutzend Anrufe fur Sie gekommen. Im ganzen Hule-Tal wissen Ihre Kinder, da? Sie herkommen. Sie sagten, sie wollten auf einen Sprung

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