erschossen.«

»Ich glaube nicht, dass Miss Springer Bestechungsgelder angenommen hatte.«

»Nein? Denken Sie, es sei ein Spa?, Lehrerin zu sein – Turnlehrerin?«, fragte Shanda argerlich. »Glauben Sie nicht, es ware angenehmer, Geld zu haben, zu reisen, zu tun, wozu man Lust hat? Uberhaupt, jemand wie Miss Springer, die nicht schon ist und die kein Mann ansieht? Glauben Sie nicht, dass ihr Geld vielleicht mehr bedeutete als anderen Menschen?«

»Schwer zu sagen«, meinte Kelsey, der bisher nicht daruber nachgedacht hatte. »Ist das Ihre eigene Idee, oder hat Miss Springer mit Ihnen daruber gesprochen?«

»Miss Springer hat nie etwas anderes zu mir gesagt als ›Arme heben‹, ›Knie beugen‹ und ›Nicht schlapp machen‹«, erklarte Shanda verachtlich.

»Ich verstehe… Und glauben Sie nicht, dass der Plan, Sie zu entfuhren, nur in Ihrer Fantasie besteht?«

»Sie haben nichts verstanden«, erwiderte Shanda entrustet. »Prinz Ali Yusuf von Ramat war mein Vetter. Er ist auf der Flucht, nach Ausbruch der Revolution, ums Leben gekommen. Es war beschlossene Sache, dass ich ihn heiraten sollte. Daran sehen Sie, dass ich eine wichtige Person bin, sehr wichtig. Moglich, dass es die Kommunisten auf mich abgesehen haben, und vielleicht wollten sie mich nicht nur entfuhren, sondern auch ermorden.«

»Das scheint mir recht unwahrscheinlich«, meinte Kelsey.

»Unwahrscheinlich? Sie glauben, solche Dinge geschehen nicht? Und ich sage Ihnen, die Kommunisten sind schlecht! Das wei? doch jeder. Und vielleicht glauben sie, ich wusste, wo die Juwelen sind.«

»Welche Juwelen?«

»Mein Vetter besa? Juwelen, mein Vater auch. Fur den Notfall, Sie verstehen?«

Kelsey verstand offensichtlich nicht.

»Aber was hat das mit Ihnen zu tun – oder mit Miss Springer?«

»Ich sagte Ihnen doch, sie glauben, ich wusste, wo die Juwelen sind. Sie wollen mich gefangen nehmen und zum Sprechen zwingen.«

»Wissen Sie es denn?«

»Nein, woher sollte ich? Sie sind wahrend der Revolution verschwunden. Vielleicht von den bosen Kommunisten gestohlen, vielleicht auch nicht.«

»Wem gehoren sie?«

»Mein Vetter ist tot, jetzt gehoren sie mir. Kein anderer Mann ist am Leben. Seine Tante, meine Mutter, ist tot. Er wurde sie mir gegeben haben, denn ich hatte ihn geheiratet.«

»War das so abgemacht?«

»Naturlich, er war doch mein Vetter.«

»Und Sie hatten die Juwelen nach der Hochzeit bekommen?«

»Nein. Er hatte mir neuen Schmuck gekauft. Von Cartier. Diese Juwelen waren weiter fur den Notfall aufbewahrt worden.«

Wahrend Kelsey uber dieses orientalische Versicherungssystem nachdachte, fuhr Shanda lebhaft fort: »Ich denke mir das so: Jemand hat die Juwelen aus dem Land geschafft, aus Ramat. Vielleicht ein guter Mensch, vielleicht ein boser. Der gute Mensch wurde sie mir bringen, und ich wurde ihm eine hohe Belohnung geben. Der schlechte Mensch wurde sie behalten und verkaufen. Oder er wurde zu mir kommen und sagen: ›Was bekomme ich, wenn ich die Juwelen zuruckgebe?‹ Wenn ich ihm genug verspreche, bringt er sie, sonst nicht.«

»Aber bisher hat sich noch niemand bei Ihnen gemeldet, nicht wahr?«

»Nein«, gab Shanda zu.

Kommissar Kelsey hatte nicht die Absicht, noch mehr Zeit mit Shanda zu verschwenden.

»Ich glaube, Sie haben eine etwas zu lebhafte Fantasie«, bemerkte er abschlie?end.

Shanda warf ihm einen wutenden Blick zu.

Er stand auf und offnete die Tur.

»Marchen aus Tausendundeiner Nacht. Entfuhrungen und Juwelen von unschatzbarem Wert«, sagte er lachend. »Was werden wir noch zu horen bekommen?« 

11

Als Kommissar Kelsey zur Polizei zuruckkehrte, sagte der Sergeant vom Dienst: »Adam Goodman wartet schon auf Sie, Kommissar.«

»Adam Goodman? Ach ja, der Gartner.«

Der junge Mann war respektvoll aufgestanden. Er war gro?, schlank und dunkel. Seine abgetragenen Manchesterhosen waren fleckig, und er trug ein leuchtend blaues, offenes Hemd.

»Sie wollten mich sprechen«, sagte er.

Seine Stimme war rau und etwas herausfordernd. Er machte, wie so viele junge Menschen heutzutage, einen trotzigen Eindruck.

»Bitte kommen Sie in mein Zimmer«, erwiderte Kelsey kurz.

»Ich wei? nichts uber diesen Mord«, verkundete Adam Goodman murrisch. »Ich will nichts damit zu tun haben, ich habe gestern Nacht in meinem Bett gelegen und geschlafen.«

Kelsey nickte unverbindlich.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und bot dem jungen Mann einen Stuhl an. Ein junger Kriminalbeamter war den beiden unauffallig gefolgt und setzte sich jetzt in eine Ecke.

»Also: Sie sind Adam Goodman, von Beruf Gartner«, begann Kelsey.

»Einen Augenblick. Darf ich Sie bitten, sich zuerst etwas anzusehen.«

Adams Benehmen hatte sich plotzlich geandert; sein Ton war weder trotzig noch herausfordernd. Er nahm etwas aus seiner Tasche und reichte es Kelsey.

Der Kommissar hob die Augenbrauen ein wenig, wahrend er es betrachtete. Dann blickte er auf.

»Ich brauche Sie im Augenblick nicht, Barber«, sagte er.

Der diskrete junge Kriminalbeamte ging hinaus, bemuht, sein Erstaunen zu verbergen.

»Sehr interessant«, erklarte Kelsey, wahrend er Adam freundlich anlachelte. »Aber ich mochte nur wissen, was Sie in…«

»Was ich in einer Madchenschule zu suchen habe«, unterbrach ihn der junge Mann. Er bemuhte sich, in ehrerbietigem Ton zu sprechen, aber er konnte ein belustigtes Grinsen beim besten Willen nicht unterdrucken. »Ich gebe zu, dass mir zum ersten Mal eine Aufgabe dieser Art ubertragen worden ist. Sehe ich nicht wie ein Gartner aus?«

»Sie sind zu jung. In unserer Gegend begegnet man im Allgemeinen nur uralten Gartnern. Verstehen Sie etwas von Gartenbau?«

»Allerdings. Meine Mutter ist eine begeisterte Gartnerin. Sie hat dafur gesorgt, dass ich diese Kunst ebenfalls erlernte.«

»Und aus welchem Grund hat man Sie nach Meadowbank geschickt? Was geht dort vor?«

»Das mochten wir auch gern wissen. Ich fungiere hauptsachlich als Wachhund – jedenfalls war das so bis gestern. Inzwischen ist die Turnlehrerin ermordet worden, und das war bestimmt nicht im Stundenplan vorgesehen.«

»Leider ereignen sich oft unvorhergesehene Dinge«, seufzte Kelsey. »Das wei? ich aus bitterer Erfahrung. Ich muss allerdings zugeben, dass dieser Mord ganz besonders abwegig erscheint. Welches sind die wahren Hintergrunde?«

Adam erzahlte ihm, was er wusste. Kelsey horte aufmerksam zu.

»Ich habe der kleinen Prinzessin Unrecht getan«, bemerkte er schlie?lich. »Aber Sie werden verstehen, dass ich diese Geschichte fur zu fantastisch hielt. Juwelen im Wert von einer halben oder gar einer ganzen Million Pfund? Wer ist der rechtma?ige Eigentumer?«

»Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Die Entscheidung daruber wird man mehreren internationalen Anwalten uberlassen mussen – und selbst die werden wahrscheinlich verschiedener Meinung sein.

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