Jennifer kicherte.

»Ist das nicht eine komische Idee? Ich streiche uber meinen alten Tennisschlager – nein, uber deinen –, und ein guter Geist erscheint! Was wurdest du dir wunschen, wenn ein guter Geist aus der Erde steigen wurde, Julia?«

»Ich? Ich habe tausend Wunsche: Ein Tonbandgerat, einen Schaferhund – nein, lieber eine danische Dogge; dann ein schwarzes Seidensatin-Abendkleid und… und hunderttausend Pfund… und du, was mochtest du gern haben?«

»Ich? Gar nichts. Ich bin restlos glucklich mit diesem wunderbaren Tennisschlager«, sagte Jennifer.

13

Drei Wochen nach Schuljahrsbeginn durften die Schulerinnen ihre Eltern am Wochenende besuchen. Daher war es am Sonntag in Meadowbank sehr ruhig, und zum Mittagessen erschienen nur zwanzig Madchen. Auch einige Lehrerinnen waren fortgefahren, die erst Sonntagabend oder Montag fruh zuruckkommen wurden.

Miss Bulstrode, die im Allgemeinen wahrend der Unterrichtszeit die Schule nicht verlie?, hatte ausnahmsweise die Einladung der Herzogin von Welsham angenommen, das Wochenende auf Schloss Welsington zu verbringen. Sie hatte aus einem ganz bestimmten Grund zugesagt. Mr Henry Banks, der Vorsitzende des Aufsichtsrats von Meadowbank, wurde ebenfalls auf Schloss Welsington erwartet. Die Schule war seinerzeit mit der finanziellen Unterstutzung von Mr Banks gegrundet worden, und die Einladung der Herzogin klang fast wie ein Befehl, bei Hofe zu erscheinen. Selbstverstandlich lie? sich Miss Bulstrode nur dann Befehle erteilen, wenn sie ihr in den Kram passten. Sie unterschatzte den Einfluss der Herzogin nicht, au?erdem legte sie Wert darauf, mit ihr und mit Mr Banks sowohl die tragischen Ereignisse in Meadowbank als auch ihre personlichen Probleme zu besprechen.

Dank Miss Bulstrodes guten Beziehungen war der Mord in der Presse taktvoll behandelt worden – mehr wie ein Unglucksfall als wie ein Verbrechen. Es wurde angedeutet – aber nicht wirklich klar ausgesprochen –, dass Jugendliche in der Turnhalle von Miss Springer uberrascht worden waren. In der darauf folgenden Panik sei sie erschossen worden. Die Polizei sei den Burschen bereits auf der Spur, schrieben die Zeitungen.

Es war Miss Bulstrode bekannt, dass die Herzogin und Henry Banks sie von ihrem Entschluss, sich bald zur Ruhe zu setzen, abbringen wollten. Sie hielt den Augenblick fur gekommen, mit ihnen uber Miss Vansittart zu sprechen und ihnen klarzumachen, dass Eleanor eine in jeder Beziehung wurdige Nachfolgerin abgeben wurde.

Am Sonnabendmorgen, nachdem Miss Bulstrode den letzten Brief diktiert hatte, klingelte das Telefon. Ann Shapland nahm das Gesprach an.

»Der Emir Ibrahim ist im ›Claridge‹ angekommen, Miss Bulstrode«, sagte sie. »Er mochte morgen mit Shanda ausgehen.«

Miss Bulstrode nahm ihr den Horer aus der Hand, um selbst mit dem Adjutanten des Emirs zu sprechen. Sie sagte, Shanda werde ab halb zwolf am Sonntag bereit sein; abends um acht musste sie nach Meadowbank zuruckkehren.

Dann legte sie den Horer auf und erklarte: »Ich wunschte, diese orientalischen Potentaten wurden einem nicht immer im letzten Augenblick Bescheid sagen. Shanda sollte morgen mit Gisele d’Aubray ausgehen. Das mussen wir nun wieder umandern. Sind noch irgendwelche Briefe zu schreiben?«

»Nein, Miss Bulstrode.«

»Dann kann ich also mit gutem Gewissen fortfahren. Wenn Sie die Briefe getippt haben, konnen Sie sich das Wochenende ebenfalls freinehmen. Ich brauche Sie nicht vor Montagmittag.«

»Vielen Dank, Miss Bulstrode.«

»Viel Vergnugen, Miss Shapland.«

»Das bestimmt«, sagte Ann.

»Ein junger Mann?«

»Ja, allerdings.« Ann errotete. »Aber nichts Ernstes.«

»Sehr bedauerlich. Wenn Sie die Absicht haben zu heiraten, verschieben Sie es nicht zu lange.«

»Ich treffe nur einen alten Freund. Nichts Aufregendes.«

»Die gro?e Leidenschaft ist oft nicht die beste Basis fur eine gute Ehe«, warnte Miss Bulstrode. »Bitte schicken Sie mir jetzt Miss Chadwick.«

Miss Chadwick kam geschaftig herein.

»Der Emir Ibrahim will morgen mit Shanda ausgehen, Chaddy. Falls er sie selbst abholen sollte, sag ihm bitte, dass sie gute Fortschritte macht.«

»Sehr aufgeweckt ist sie nicht«, erwiderte Miss Chadwick zogernd.

»Ja, geistig ist sie noch ziemlich unreif«, gab Miss Bulstrode zu. »Aber in gewisser Beziehung ist sie weit uber ihre Jahre hinaus entwickelt. Man hat manchmal das Gefuhl, mit einer Zwanzigjahrigen zu reden – wahrscheinlich, weil sie schon soviel herumgekommen ist. Sie hat in Paris, Teheran, Istanbul und wer wei? wo noch gelebt. Wir in England legen Wert darauf, junge Menschen so lange wie moglich als Kinder zu betrachten. Aber wahrscheinlich ist das ein Fehler.«

»Ich bin da nicht ganz deiner Meinung«, erwiderte Miss Chadwick kopfschuttelnd. »So, jetzt werde ich Shanda uber die Plane ihres Onkels informieren. Ich wunsche dir ein angenehmes Wochenende. Vergiss mal alles, und mach dir keine Sorgen um die Schule.«

»Bestimmt nicht«, erwiderte Miss Bulstrode. »Ich betrachte es als eine gute Gelegenheit, Eleanor Vansittart die Verantwortung zu ubertragen und zu sehen, ob sie der Aufgabe gewachsen ist. Ich bin jedenfalls uberzeugt, dass alles gut gehen wird – schlie?lich bist du ja auch noch da.«

Shanda sah erstaunt und nicht sehr erfreut aus, als Miss Chadwick ihr von der Ankunft ihres Onkels in London erzahlte.

»Aber ich wollte doch morgen mit Gisele d’Aubray und ihrer Mutter ausgehen, Miss Chadwick«, sagte sie enttauscht. »Mein Onkel ist gar nicht amusant. Er grunzt so beim Essen, und es ist alles sehr langweilig.«

»So durfen Sie nicht uber Ihren Onkel sprechen, Shanda. Wie ich hore, ist er nur fur eine Woche in England. Naturlich mochte er Sie sehen.«

Shandas murrisches Gesicht klarte sich plotzlich auf.

»Vielleicht hat er eine neue Heirat fur mich arrangiert. Das ware wunderbar.«

»Mag sein, aber vorlaufig sind Sie noch viel zu jung zum Heiraten. Zuerst mussen Sie noch eine Menge lernen und Ihre Bildung vervollstandigen.«

»Bildung ist langweilig«, erklarte Shanda.

Der Sonntag war ein klarer, schoner Tag. Miss Shapland war am Sonnabend, kurz nach Miss Bulstrode, fortgefahren. Miss Johnson, Miss Rich und Miss Blake verlie?en die Schule am Sonntagmorgen.

Miss Vansittart, Miss Chadwick, Miss Rowan und Mademoiselle Blanche waren zuruckgeblieben.

»Ich hoffe, die Madchen werden zuhause nicht zu viel uber den Tod der armen Miss Springer reden«, seufzte Miss Chadwick.

»Hoffen wir, dass der ganze Vorfall bald in Vergessenheit geraten wird«, entgegnete Miss Vansittart und fugte hinzu: »Falls irgendwelche Eltern mich ausfragen wollen, werde ich mich hoflich, aber entschieden weigern, den Fall zu diskutieren.«

Gegen halb zwolf begannen die Autos vorzufahren. Miss Vansittart stand lachelnd, wurdig und huldvoll in der Vorhalle. Sie begru?te die Mutter mit einigen liebenswurdigen Worten, die sich auf deren Sprosslinge bezogen. Allen unangenehmen Fragen uber den Mord wich sie hoflich und geschickt aus.

»Grauenhaft, ganz grauenhaft«, sagte sie. »Sie werden verstehen, dass wir den Fall, mit Rucksicht auf die Madchen, hier nicht weiter erwahnen.«

Julia und Jennifer pressten ihre Nasen gegen ein Fenster und beobachteten das Kommen und Gehen der verschiedenen Besucher.

»Tante Isabel hatte wirklich mit mir ausgehen konnen«, beklagte sich Julia.

»Meine Mutter holt mich nachsten Sonntag ab, weil Daddy heute wichtigen Geschaftsbesuch hat«, erklarte

Вы читаете Die Katze im Taubenschlag
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату