Sie sa? ihrem Gatten am Fruhstuckstisch gegenuber und hatte eben einen Blick in die Morgenzeitung geworfen.

Mr Sutcliffe, vertieft in den Borsenkurier, antwortete nicht.

»Henry!«

Der schrille Ton lie? ihn aufhorchen.

»Was ist denn los, Joan?«

»Was los ist? Ein zweiter Mord in Meadowbank! In Jennifers Schule!«

»Was? Zeig mal her!«

Mr Sutcliffe riss seiner Frau die Zeitung aus der Hand.

»Miss Eleanor Vansittart… Turnhalle… wo auch die Turnlehrerin gefunden wurde… hm…«

»Ich kann es kaum glauben«, jammerte Mrs Sutcliffe. »Meadowbank! Diese vornehme Schule! Kinder aus bestem Hause, sogar Prinzessinnen…«

Mr Sutcliffe knullte die Zeitung zusammen und warf sie argerlich auf den Tisch.

»Da gibt es nur eins – du fahrst sofort nach Meadowbank und holst Jennifer nachhause«, sagte er.

»Du meinst, wir sollen sie von der Schule nehmen und nicht wieder zuruckschicken?«

»Ja, unbedingt.«

»Ist das nicht etwas zu drastisch? Nachdem Rosamund sich so bemuht hat, Jennifer in Meadowbank unterzubringen?«

»Du wirst nicht die Einzige sein, die ihre Tochter von der Schule nimmt, Joan. In diesem hochvornehmen Internat wird es bald reichlich Platz fur neue Schulerinnen geben.«

»Glaubst du wirklich, Henry?«

»Zweifellos. Jennifer darf nicht einen Tag langer dort bleiben.«

»Du hast wohl Recht. Was sollen wir nun mit ihr anfangen?«

»Schick sie auf eine Schule in unserer Nahe – nicht wieder in ein teures Internat. In den weniger vornehmen Schulen geschehen wenigstens keine Morde.«

»Doch, ich hab neulich erst von einem Jungen gelesen, der in einer Volksschule den Zeichenlehrer erschossen hat. Entsinnst du dich nicht, Henry?«

»Barbarische Zustande«, brummte Mr Sutcliffe kopfschuttelnd. Er warf seine Serviette auf den Tisch und verlie? argerlich das Zimmer.

Adam war allein in der Turnhalle. Er durchsuchte schnell und geschickt den Inhalt der Schlie?facher. Es war zwar nicht anzunehmen, dass er etwas finden wurde, nachdem die Polizei erfolglos gewesen war – aber man konnte nie wissen. Wie Kelsey ganz richtig sagte, jede Abteilung hatte so ihre eigenen Methoden.

Warum fanden in dieser schonen, neu erbauten Turnhalle so furchtbare Verbrechen statt? Wo war der Zusammenhang? Wonach sollte er suchen? Es war kaum anzunehmen, dass er auf einen versteckten Schatz sto?en wurde. Hier gab es weder Geheimfacher noch doppelte Boden. In den Schlie?fachern befanden sich hochstens die harmlosen Geheimnisse von Schulmadchen: Fotografien von Filmstars, ein Packchen Zigaretten, vielleicht auch ein verbotener Roman. Er kehrte noch einmal zu Shandas Fach zuruck. Wahrend sie sich uber dieses Fach gebeugt hatte, war Miss Vansittart getotet worden. Was hatte sie dort zu finden gehofft? Hatte sie es gefunden? Hatte der Morder es der Hand der Toten entrungen, und war es ihm gelungen, die Turnhalle rechtzeitig zu verlassen – bevor Miss Chadwick ihn entdecken konnte?

In diesem Fall konnte er sich die Muhe sparen weiterzusuchen… Plotzlich horte er von drau?en Schritte. Als Julia Upjohn im Turrahmen erschien, stand er bereits in der Mitte des Raumes und zundete sich eine Zigarette an.

»Was wollen Sie denn?«, fragte Adam.

»Eigentlich nur meinen Tennisschlager holen«, erwiderte Julia zogernd.

»Dagegen wird wohl niemand was haben«, brummte Adam. »Der Sergeant hat mich gebeten, hier zu bleiben, wahrend er etwas vom Polizeirevier holt«, schwindelte er.

»Sie sollen wohl aufpassen, ob er wieder zuruckkommt?«

»Wer?«

»Der Morder naturlich. Die kehren doch immer an den Tatort zuruck, nicht wahr? Es lasst ihnen keine Ruhe, es ist ein innerer Zwang.«

»Schon moglich«, erwiderte Adam gleichgultig. Er blickte auf die lange Reihe von Tennisschlagern, die in ihren Spannern auf einem Regal lagen. »Welcher ist Ihrer?«, fragte er.

»Der da – ganz am Ende der Reihe. Unsere Namen stehen darauf«, erklarte Julia und wies auf das Schildchen »Upjohn« wahrend Adam ihr den Schlager reichte.

»Ziemlich abgenutzt, muss aber mal ein guter Schlager gewesen sein«, bemerkte Adam.

»Kann ich Jennifer Sutcliffes Schlager auch haben?«, fragte Julia.

»Nagelneu«, stellte Adam fest, wahrend er ihr den Tennisschlager gab.

»Den hat Jennifer erst neulich von ihrer Tante bekommen – so ein Gluck!« Julia sah sich nachdenklich um. »Glauben Sie nicht auch, dass er zuruckkommen wird?«, fragte sie schlie?lich.

»Ach, Sie sprechen noch immer von dem Morder«, erwiderte Adam, nachdem er sie einen Augenblick erstaunt angesehen hatte.

»Nein, ich glaube nicht. Ware zu riskant… es sei denn, er hat hier etwas vergessen.«

»Meinen Sie etwas, das der Polizei einen Anhaltspunkt geben konnte?«

Adam nickte.

»Ich wunschte, ich konnte einen Anhaltspunkt finden«, fuhr Julia seufzend fort. »Hat die Polizei etwas entdeckt?«

»Mir wurden sie das bestimmt nicht sagen«, erklarte Adam.

»Nein, wahrscheinlich nicht… Interessieren Sie sich fur Kriminalfalle?«

Sie sah ihn fragend an. Er erwiderte ihren Blick. Sie musste im selben Alter sein wie Shanda, aber ihr intelligentes Gesicht wirkte noch kindlich.

»In gewisser Weise, ja«, erwiderte Adam.

»Mich interessiert die Sache brennend, und ich kann mir die verschiedenartigsten Losungen vorstellen. Viel Sinn und Verstand werden sie wohl nicht haben, aber es macht mir Spa?, daruber nachzudenken.«

»Mochten Sie Miss Vansittart?«

»Nicht besonders, aber ich hatte auch nichts gegen sie. Sie hat mich immer an Bully – an Miss Bulstrode – erinnert. Sie war, wie soll ich es beschreiben – sie war wie die zweite Besetzung. Jedenfalls tut es mir furchtbar leid, dass sie ermordet worden ist.«

Sie ging mit den beiden Tennisschlagern unterm Arm fort. Adam blieb in der Turnhalle zuruck und sah sich nochmal achselzuckend um.

»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was es hier zu holen gab«, murmelte er vor sich hin.

»Nanu, was will denn Mum hier?«, rief Jennifer erstaunt.

Beide Madchen wandten den Kopf und starrten auf Mrs Sutcliffe, die sich, in Begleitung von Miss Rich, mit schnellen Schritten dem Tennisplatz naherte.

»Diese unnotige Aufregung! Wahrscheinlich hat sie es mit der Angst zu tun bekommen – wegen der Morde«, erklarte Jennifer resigniert. »Du hast Gluck, dass deine Mutter in Anatolien ist, Julia.«

Mrs Sutcliffe war inzwischen beim Tennisplatz angelangt.

»Du musst sofort packen, Jennifer«, sagte sie. »Wir wunschen, dass du nachhause kommst.«

»Hoffentlich nicht fur dauernd, Mum?«, fragte sie angstlich.

»Doch. Wir haben beschlossen, dich auf eine andere Schule zu schicken.«

»Das ist ja schrecklich, das konnt ihr doch nicht tun, Mum. Gerade jetzt, wo ich Aussichten habe, das Tennisturnier zu gewinnen. Au?erdem trainieren Julia und ich fur das Doppel…«

»Du kommst sofort mit mir nachhause, Jennifer.«

»Warum?«

»Frag nicht so viel.«

»Wahrscheinlich wegen der ermordeten Lehrerinnen. Aber das hat doch nichts mit uns zu tun. Uns will bestimmt keiner ermorden. Und in drei Wochen ist das Sportfest, und ich habe auch gute Chancen, den Weitsprung zu gewinnen…«

»Widersprich mir nicht, Jennifer. Du musst nachhause kommen, dein Vater besteht darauf.«

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