Zombie sieht. »OH SHIT!«
Megan krummt sich erneut vor Lachen, als Scott mit dem Gesicht zuerst zu Boden fallt, ehe er wie wild durch den schmalen Camper-Aufsatz zu den Gartenwerkzeugen an der hinteren Wand krabbelt. Er lacht nicht mehr. Der Zombie hat sich bereits halb in den Camper gekampft. Er fletscht die Zahne, knurrt wie eine Kreissage, und sein Gestank nach Verwesung fullt den winzigen Raum. Endlich bemerkt auch Megan den Eindringling, und ihr Gelachter wandelt sich zu panischem Husten und Schnaufen.
Scott schnappt sich die Heugabel, als der Truck plotzlich zu schlittern beginnt. Der Zombie ist jetzt im Camper, verliert das Gleichgewicht und prallt gegen eine Seitenwand. Ein Stapel Kisten fliegt durch den Truck, als Scott die Heugabel nimmt und sich in Stellung wirft.
Megan wuselt ruckwarts, rutscht auf dem Po in eine Ecke. Das Entsetzen in ihren Augen passt uberhaupt nicht zu ihrem schrillen Kichern, das zwischen ihrem Schluckauf noch immer laut durch den Camper-Aufsatz hallt. Wie ein Motor, der im Leerlauf vor sich hin rattert, lacht sie weiter und weiter, kann nicht aufhoren, wahrend Scott sich auf seine wackeligen Beine stellt und sich mit der Heugabel in der Hand mit aller Wucht in die ungefahre Richtung der wandelnden Leiche vor ihm wirft.
Die rostigen Zacken treffen den Kopf des Zombies, der sich gerade umdreht. Eine von ihnen fahrt mitten in die linke Augenhohle, die anderen in den Kiefer und die Halsschlagader. Schwarzes Blut sprudelt durch den Truck. Scott sto?t einen Kriegsschrei aus und rei?t die Gabel wieder heraus. Der Zombie beginnt in Richtung der offenen Tur zu stolpern, die jetzt im Wind auf- und zuklappt. Er holt erneut aus, und aus einem unerklarlichen Grund wird sein zweiter Sto? von einem krampfhaften, verruckten Lachanfall Megans begleitet.
Die Zacken vergraben sich in dem verfaulenden Schadel.
Das ist alles so verdammt lustig, denkt Megan. Der lustige Tote beginnt zu zucken, als ob man ihn am Strom angeschlossen hatte. Mit der Heugabel im Kopf hebt und senkt er die Arme vollig unkontrolliert. Wie ein bloder Zirkusclown mit wei?er Schminke und albernen schwarzen Zahnen taumelt der Zombie ruckwarts, ehe der Wind ihn aus der offenen Tur zieht.
Wahrend er mit der Heugabel im Kopf aus dem Truck sturzt, fallt Scott ruckwarts, mit dem Po zuerst, auf einen Haufen alter Wasche.
Sowohl Megan als auch Scott konnen nicht mehr an sich halten. Der Anblick des Untoten, wie er mit der Heugabel noch immer im Schadel uber die Stra?e poltert, ist zu viel. Sie kriechen auf allen vieren zur Tur und starren auf die menschlichen Uberreste hinter ihnen. Die Heugabel ragt wie ein Meilenstein in die Luft.
Scott schlie?t die Tur, und die beiden wiehern vor Lachen auf, das nur von ihren Hustenanfallen unterbrochen wird.
Noch immer kichernd und mit feuchten Augen dreht Megan sich langsam um. Durch das Fenster an der vorderen Wand kann sie Lillys und Joshs Hinterkopfe in der Fahrerkabine sehen. Sie machen den Eindruck, als ob sie in Gedanken versunken seien – haben uberhaupt nicht mitgekriegt, was nur wenige Meter hinter ihnen gerade abgegangen ist. Dann deuten sie auf etwas vor sich in der Ferne, auf einen Hugel.
Megan kann es nicht fassen, dass niemand den Tumult im Camper-Aufsatz gehort hat. War es denn so laut da vorne? Oder hat ihr Kichern den Kampf ubertont? Megan will gerade an die Scheibe klopfen, als sie sieht, worauf Josh deutet.
Bob biegt von der Stra?e ab und fahrt einen steilen Weg zu einem Gebaude hinauf, das vielleicht, vielleicht aber auch nicht verlassen ist.
Funf
Die verlassene Tankstelle hockt schon auf dem Hugel und uberblickt die Obstplantage, die sie umgibt. An drei Seiten durch einen holzernen, mit Unkraut bewachsenem Zaun und in der Gegend herumstehenden Mullcontainern abgegrenzt, ist sie mit einem handbemalten Schild gekront, das uber den beiden Zapfsaulen hangt: FORTNOY’S FUEL AND BAIT. Das einstockige Gebaude besitzt ein Buro voller Fliegendreck, einen kleinen Laden und eine Werkstatt mit einem Wagenheber.
Als Bob in den mit Rissen ubersaten Parkplatz einbiegt – die Scheinwerfer ausgeschaltet, so dass man nicht so auffallig ist –, hat sich die Dunkelheit der Nacht bereits uber das Land gelegt. Die Reifen knirschen auf Glassplittern. Megan und Scott lugen aus der Hintertur, untersuchen die Schatten der verlassenen Tankstelle, wahrend Bob einmal um sie herum fahrt, um den Wagen dann hinter ihr abzustellen, au?er Sicht irgendwelcher neugieriger Passanten.
Er parkt genau zwischen den Uberbleibseln einer ausgeschlachteten Limousine und einem Berg alter Reifen. Kaum hat er den Motor ausgeschaltet, hort Megan das Quietschen der Beifahrertur und die schweren Schritte von Josh Lee Hamilton, der aussteigt und um den Truck herum zu ihr und Scott kommt.
»Bleibt noch etwas im Wagen«, sagt er mit sanfter Stimme und ohne Aufregung, nachdem er die Tur geoffnet hat und Megan und Scott wie zwei Eulen auf dem Boden hocken sieht. Josh bemerkt gar nicht das schwarze Blut, das uberall an den Wanden klebt. Stattdessen uberpruft er den Zylinder seiner .38er, deren Stahl blau im Mondlicht glanzt. »Ich schau mich mal nach Zombies um.«
»Ich will mich ja nicht beschweren, aber
Josh schaut sie an. »Das Einzige, was ich gehort habe, ist dass ein paar Grasraucher sich die Kante gegeben haben – das stinkt hier wie ein Mardi-Gras-Fetenkeller.«
Megan erzahlt ihm, was los gewesen ist.
Josh wirft Scott einen Blick zu. »Hm, bin uberrascht, dass du dich uberhaupt noch bewegen kannst … Mit dem Kopf in den Wolken.« Joshs Gesichtsausdruck wird weicher. Er seufzt und lachelt den Jungen an. »Ich gratuliere, Junior.«
Auch Scott beginnt zu lacheln und meint: »Mein erster Kill, Boss.«
»Und wenn du Pech hast, wird es auch nicht dein letzter gewesen sein«, erwidert Josh und schlie?t seine Waffe.
»Eins will ich noch wissen«, unterbricht Megan. »Was wollen wir hier? Ich habe gedacht, dass der Tank voll ist.«
»Da drau?en ist es zu gefahrlich, um durch die Nacht zu fahren. Wir verschanzen uns hier bis zum Morgengrauen. Aber jetzt bleibt ihr erst mal im Wagen, bis ich Entwarnung gebe.«
Dann verschwindet er.
Megan schlie?t die Tur. Scott wirft ihr in der Dunkelheit einen fragenden Blick zu. Er schaut etwas verwirrt drein. Megan lachelt ihn an. »Dude, ich muss schon sagen, du stellst dich gar nicht so ungeschickt an, wenn du eine Heugabel in der Hand hast. Das war ein richtig geiles Schauspiel.«
Scott grinst. Sein Gesichtsausdruck verandert sich, als ob er Megan das erste Mal richtig wahrnimmt – trotz der Dunkelheit –, und er fahrt sich mit der Zunge uber die Lippen. Dann streicht er sich ein paar blonde Haarstrahnen aus dem Gesicht und stammelt: »Ach, das war doch nichts.«
»Yeah, klar.« Eine ganze Weile schon kann Megan kaum fassen, wie sehr Scott sie an Kurt Cobain erinnert. Die Ahnlichkeit scheint auf sie einen primitiven Zauber auszuwirken. Sein Gesicht schimmert in der Dunkelheit, sein Geruch – Patschuliol, Rauch, Gras und Kaugummi – steigt ihr in die Nase und schwirrt ihr im Kopf herum. Quasi Nirvana on the rocks oder so.
Sie schnappt sich ihn, druckt ihre Lippen auf seine, und er fahrt ihr mit den Fingern durch die Haare, kusst sie leidenschaftlich. Bald schon erkunden sich ihre Zungen gegenseitig, die Huften gegeneinandergepresst.
»Fick mich«, flustert sie.
»Hier?«, stammelt er. »Jetzt?«
»Vielleicht doch nicht«, gibt sie zu bedenken und schaut sich atemlos um. Ihr Herz pocht wie wild. »Lass uns warten, bis er fertig ist und wir einen guten Platz finden.«
»Cool«, erwidert Scott und fummelt unter ihrem zerfetzten Grateful-Dead-T-Shirt weiter. Sie steckt ihre Zunge erneut in seinen Mund. Megan braucht ihn, jetzt, sofort!
Doch plotzlich zieht sie sich zuruck. Die beiden starren sich in der Dunkelheit an, keuchen wie wilde Tiere, die einander erlegen wurden, wenn sie nicht gerade von derselben Spezies waren.