»Da reicht schon ein Windsto?«, meint Josh und holt die .38er aus dem Gurtel. »Bob, wie gut kannst du mit der Kanone umgehen, die wir gefunden haben?«

Bob hat bereits eine Schachtel Munition geoffnet, fummelt mit seinen zitternden, dreckigen Handen nach den Patronen. »Bin schon dabei, Captain.«

»Alles klar, dann hort mal zu …«

Josh flustert Befehle, als ein erneutes Gerausch die Stille unterbricht – gedampft, aber eindeutig. Es sind die gefrorenen Scharniere der Turen. Jemand oder etwas versucht, in den Walmart einzudringen.

Bob schiebt unbeholfen mit bebenden Handen Patronen in das leere Magazin. Er lasst es fallen, so dass die Kugeln uber den Boden kullern.

»Dude«, flucht Scott leise und schaut nervos zu, wie Bob auf Handen und Knien wie ein kleiner Junge umherkriecht, der seine Murmel verschuttet hat.

»Hort zu!«, zischt Josh. »Scott, du und Bob nehmt die linke Flanke und arbeitet euch durch die Lebensmittelabteilung zum Eingangsbereich vor. Kleine, du folgst mir. Wir nehmen uns Axte aus der Gartenabteilung.«

Bob hat endlich samtliche Patronen aufgelesen, endlich mit Erfolg ins Magazin gesteckt und ist schussbereit. »Alles klar. Los, Junior, komm.«

Sie teilen sich in zwei Gruppen auf und schleichen durch die Dunkelheit auf das blasse Licht zu.

Lilly folgt Josh dicht auf den Fersen. Sie arbeiten sich durch die Schatten der Autozubehorabteilung, vorbei an leer geraumten Regalen, uber den mit Mull ubersaten Boden. Sie lassen die Schreibwarenabteilung hinter sich, dann vorbei an den Bastel- und Heimwerkerabteilungen. Sie sind so leise wie moglich. Josh gibt Lilly Signale. In der einen Hand halt er die .38er. Plotzlich hebt er die andere. Lilly bleibt auf der Stelle stehen.

Aus dem Eingangsbereich dringt das Schlurfen von Fu?en an ihre Ohren.

Josh deutet auf ein umgesturztes Regal in der Heimwerkerabteilung. Lilly schleicht um eine Auslage mit Leuchtmitteln, als sie vor sich auf dem Boden Harken, Baumscheren und langstielige Axte liegen sieht. Sie schnappt sich eine davon und kriecht wieder um die Auslage mit Leuchtmitteln. Ihr Herz pocht heftig. Ihr ganzer Korper ist mit Gansehaut bedeckt.

Sie kommen zum Eingangsbereich. Zu ihrer Linken kann Lilly ab und zu Scott und Bob ausmachen, die sich an der westlichen Seite bei der Lebensmittelabteilung zum Ausgang vorarbeiten. Mittlerweile sind die Gerausche verklungen. Was auch immer versucht hat, in den Walmart zu kommen, gibt keinen Pieps mehr von sich. Das Einzige, was Lilly noch hort, ist das Schlagen ihres eigenen Herzens.

Josh halt hinter der Apothekentheke inne, kniet sich auf den Boden. Lilly gesellt sich zu ihm. »Du bleibst schon hinter mir, und wenn eine dieser Kreaturen sich an mir vorbeischleicht, verpasst du ihr einen Schlag mit der Axt mitten auf den Schadel«, weist Josh sie flusternd an.

»Josh, ich wei?, wie man einen Zombie umbringt«, erwidert Lilly genervt.

»Ich wei?, Kleine. Ich will doch nur … Achte einfach darauf, dass du sie gleich beim ersten Mal gut erwischst.«

Lilly nickt.

»Ich zahle bis drei«, flustert er. »Bist du bereit?«

»Ja.«

»Eins, zwei …«

Josh halt mitten im Zahlen inne, und Lilly hort etwas, das uberhaupt keinen Sinn macht.

Josh schnappt sich Lilly und druckt sie gegen den Verkaufstresen. Gelahmt vor Unentschlossenheit kauern sie im Schatten und warten. In Lillys Kopf schwirrt nur ein Gedanke umher.

Zombies konnen nicht reden.

»Hallo?« Die Stimme hallt durch den leeren Walmart. »Ist jemand zu Hause?«

Josh zogert noch eine Weile hinter der Theke, wagt die Alternativen ab. Panik ergreift ihn. Die Stimme klingt freundlich gesinnt … zumindest nicht feindlich … Es ist offensichtlich ein Mann, so tief ist sie. Er hat einen merkwurdigen Akzent.

Josh wirft Lilly einen Blick uber die Schulter zu. Sie halt die Axt wie einen Baseballschlager, ist jederzeit bereit, zuzuschlagen. Ihre Lippen beben vor Anspannung. Josh hebt seine riesige Hand – bedeutet ihr, dass er etwas vorhat. Er entsichert gerade die Pistole, als plotzlich eine andere Stimme ertont und die Sachlage von Grund auf andert.

»LASST SIE SOFORT FREI, IHR ARSCHLOCHER!«

Josh springt hinter der Theke hervor, die .38er in der Hand, jederzeit feuerbereit.

Lilly folgt ihm mit der erhobenen Axt.

Eine Gruppe von sechs Mannern – alle bis an die Zahne bewaffnet – befindet sich im Eingangsbereich.

»Easy … Immer mit der Ruhe, macht euch locker!« Der Anfuhrer, er steht vor dem Rest der Meute – halt ein Maschinengewehr in der Hand, das er jetzt bedrohlich in die Runde hebt. Er ist vielleicht Ende zwanzig, hochstens Anfang drei?ig, gro?, mit dunklem Teint und tragt ein Kopftuch, das im Nacken zusammengebunden ist. Die Armel seines Flanellhemds sind abgeschnitten und geben den Blick auf seine muskulosen Arme frei.

Zuerst geschieht alles so schnell, dass Josh kaum mitkommt. Er steht wie angewurzelt da und halt die Pistole auf den Bandana-Mann gerichtet.

Bob Stookey prescht auf einmal hinter den Kassen hervor und auf die Eindringlinge zu. Er halt die Desert Eagle generalstabsma?ig in beiden Handen, und seine rot umrandeten Augen sind mit angetrunkenem Mut weit aufgerissen. »LASST SIE GEHEN!« Der Grund seiner Rage steht hinter dem Bandana-Anfuhrer und wird von einem jungeren Mitglied des Uberfallkommandos festgehalten. Megan Lafferty krummt und windet sich wutend, wehrt sich, so gut sie kann, gegen den jungen schwarzen Mann mit wild starrenden Augen. Der aber lasst nicht locker und presst ihr eine schmutzige Hand auf den Mund, damit sie ihre Kumpels nicht warnen kann.

»BOB – NICHT!« brullt Josh, und die Autoritat in seiner Stimme lasst den alten Mann innehalten. Er kommt am Ende der Kassenlaufbander zum Stehen, nur funf Meter von dem Typen entfernt, der Megan festhalt. Bob ringt nach Luft, starrt Megan hilflos an. Josh kann die Emotionen formlich riechen, die in dem alten Mann toben.

»Jetzt schaltet mal alle einen Gang runter«, befiehlt Josh seinen Leuten.

Plotzlich erscheint Scott Moon hinter Bob mit erhobenem Luftgewehr.

»Scott, immer mit der Ruhe, runter mit der Flinte!«

Der Mann mit dem Bandana halt sein AK-47 weiter aufgerichtet. »Jetzt macht euch mal alle locker, macht schon – wir haben keinen Bock auf eine Lose-lose Situation.«

Die Kerle hinter dem Anfuhrer sind allesamt mit schwerkalibrigen Waffen ausgerustet. Sie scheinen ungefahr so alt wie er zu sein, ein paar sind wei?, die anderen schwarz, einige in Hip-Hop-Klamotten, andere in zerfledderten Tarnanzugen und Daunenjacken. Sie machen einen ausgeruhten Eindruck, sind wohlgenahrt und ziemlich wahrscheinlich auf Drogen. Aber was Josh am meisten interessiert, ist, dass sie den Anschein machen, als ob sie am liebsten einfach abdrucken wurden.

»Wir sind cool«, meint Josh, aber er ist sich sicher, dass sein Ton, sein Gesichtsausdruck und die Tatsache, dass auch er seine Waffe nicht gesenkt hat, dem Bandana-Mann genau das Gegenteil vermitteln. »Oder, Bob? Sind wir etwa nicht cool?«

Bob murmelt etwas Unverstandliches. Er hat die Desert Eagle noch immer gehoben und aufs Ziel gerichtet. Die beiden Gruppen stehen einander gegenuber, samtliche Waffen zeigen auf diverse lebenswichtige Organe und Korperteile. Josh schatzt seine Chance schlecht ein. Von Waffengleichheit kann keine Rede sein. Die Eindringlinge sind in der Lage, es mit einer kleinen Garnison aufnehmen. Andererseits hat Joshs Seite drei Waffen gleichzeitig auf den Anfuhrer der Bande gerichtet, dessen Tod die Dynamik der Gruppe wohl ziemlich durcheinanderbringen wurde.

»Lass das Madchen gehen, Haynes«, befiehlt der Bandana-Mann seinem Untergebenen.

»Aber was ist mit …«

»Ich habe gesagt, du sollst sie gehen lassen!«

Der junge Mann mit den wilden Augen schubst Megan von sich in den Walmart, und Megan stolpert, geht beinahe zu Boden, fangt sich aber wieder und strauchelt dann zu Bob. »Was fur eine Bande von Arschlochern!«, murrt sie.

»Alles klar mit dir, Su?e?«, fragt Bob und legt einen Arm um sie, ohne die Augen oder den Lauf seiner Waffe

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