Zu seiner Linken steht Gabe. Er ist wei?, ein wahrer Hune von Mann mit einem dicken Nacken und US- Marine-Haarschnitt. Bruce, zu seiner Rechten, ist ein murrischer Schwarzer mit Glatze. Beide halten Ehrfurcht gebietende Maschinengewehre vor der Brust, die Finger am Abzug. Fur einen Augenblick ist Lilly von den Waffen vollig fasziniert.

»Tut mir leid, das mit den schweren Geschutzen«, entschuldigt sich Philip und deutet auf die Waffen hinter sich. »Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung letzten Monat, und es gab einen Augenblick, da sah es nicht so gut aus. Jetzt wollen wir kein Risiko mehr eingehen, steht viel zu viel auf dem Spiel. Und mit wem habe ich die Ehre …?«

Josh stellt die kleine Gruppe vor, geht dabei im Saal herum und endet bei Megan.

»Du siehst wie jemand aus, die ich mal gekannt habe«, sagt Philip zu Megan. Er kann seine Augen nicht von ihr lassen. Lilly mag nicht, wie der Typ ihre Freundin anschaut – er macht es zwar nicht offensichtlich, aber es stort sie trotzdem.

»Das hore ich ofter«, erwidert Megan.

»Oder vielleicht sieht sie aus wie ein Promi. Jungs, sieht sie nicht wie ein Promi aus?«

Die »Jungs« hinter ihm haben keine Meinung. Philip schnippst mit den Fingern. »Die Tusse aus Titanic

»Carrie Winslet?«, rat Gabe.

»Du Vollidiot! Die hei?t nicht Carrie, sondern … Kate … Kate … Kate fucking Winslet.«

Megan lachelt Philip schief an. »Mir wurde gesagt, dass ich wie Bonnie Raitt aussehe.«

»Ich liebe Bonnie Raitt«, schwarmt Philip. »Das sollte genugen, um die Leute zum Tratschen zu bringen, die Geruchtekuche anzuheizen.«

Josh meldet sich zu Wort. »Sie sind also der Boss, von dem wir so viel gehort haben?«

Philip wendet sich dem gro?en Mann zu. »Schuldig im Sinne der Anklage.« Philip lachelt, tritt auf Josh zu und reicht ihm die Hand. »Wollen wir uns nicht duzen? Josh, oder?«

Josh schuttelt ihm die Hand, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht bleibt verhalten, unverbindlich und hoflich. »Gern. Ja, Josh. Wir wollen dir danken, dass wir hierbleiben konnen, wenn wir uns auch noch nicht sicher sind, wie lange das sein wird.«

Philip schenkt ihm erneut ein Lacheln. »Ihr seid doch gerade erst hier angekommen. Entspannt euch. Schaut euch ein bisschen um. Ihr werdet keinen sichereren Ort finden, das konnt ihr mir glauben.«

Josh nickt zustimmend. »Sieht ganz so aus, als ob ihr das Problem mit den Zombies unter Kontrolle habt.«

»Ach, die schauen immer noch oft genug vorbei – da will ich euch gar nicht anlugen. Alle paar Wochen verirrt sich ein Schwarm und geht uns auf die Nerven. War ganz schon bose das letzte Mal, aber die Stadt wird mit jeder Minute sicherer.«

»Sieht ganz so aus.«

»Ich gehe mal gleich ans Eingemachte: Hier herrscht das Tauschsystem.« Philip Blake blickt sich um, mustert jeden der Neuankommlinge wie ein Coach, der sein neues Team einschatzt. »Wie ich gehort habe, habt ihr heute einiges vom Walmart mitgehen lassen.«

»Hatte schlechter ausgehen konnen.«

»Ihr seid herzlich eingeladen, euch das zu nehmen, was ihr braucht – der Handel muss fair bleiben, versteht sich.«

»Handel?« Josh schaut Philip verwirrt an.

»Waren, Dienstleistungen … Was auch immer ihr habt, das uns weiterhelfen kann. Solange ihr eure Mitburger respektiert, euch von Arger fernhaltet, an die Regeln haltet, mit anpackt … dann konnt ihr so lange bleiben, wie ihr wollt.« Dann mustert er Josh. »Leute mit einem solchen … Korperbau … konnen wir hier immer gut gebrauchen.«

Josh uberlegt. »Dann bist du … irgendwie … gewahlt?«

Philip schaut seine beiden Wachhunde an, die zu grinsen angefangen haben. Dann bricht er in schallendes Gelachter aus. Er wischt sich die freudlosen Augen und schuttelt mit dem Kopf. »Nein, ich wurde mich eher – wie hei?t das noch mal? – vorlaufiger Prasident nennen.«

»Und was soll das genau hei?en?«

Philip schmettert die Frage kurzerhand ab. »Um es kurz zu halten – vor nicht allzu langer Zeit haben hier machtgeile Arschlocher geherrscht, die zu viel vom Kuchen fur sich behalten wollten. Ich habe gemerkt, dass da eine Machtlucke gefullt werden musste, und habe mich freiwillig gemeldet.«

»Freiwillig?«

Philips Lacheln verschwindet. »Ich habe mich gestellt, mein Freund. In Zeiten wie diesen mussen die Leute mit starker Hand gefuhrt werden. Wir haben Familien hier, Frauen und Kinder, alte Leute. Da braucht man jemanden, der aufpasst, jemanden, der … handelt. Verstehst du, was ich damit sagen will?«

Josh nickt. »Klar doch.«

Hinter Philip lacht sich Gabe noch immer ins Faustchen und murmelt: »Vorlaufiger Prasident, das ist so cool!«

Plotzlich meldet sich Scott zu Wort, der sich an ein Fensterbrett gelehnt hat: »Kumpel, du machst schon was her … Mit diesen beiden Geheimdienst-Typen konnte man dir das mit dem Prasident fast abnehmen.«

Nachdem Scotts dunnes Lachen verhallt ist, bleibt ein betretenes Schweigen in der Luft hangen, und Philip dreht sich zu dem Kiffer um. »Und wie hei?t du, Jungchen?«

»Scott Moon.«

»Tja, Scott. Mit dem Prasidenten bin ich mir da nicht so sicher, habe mich nie als Chef gesehen.« Er wirft ihm ein kaltes Lacheln zu. »Hochstens Governor oder so.«

Sie verbringen die Nacht in der Sporthalle der Highschool. Das alternde Ziegelsteingebaude au?erhalb der ummauerten Sicherheitszone uberblickt einen riesigen Sportplatz, der mit Grabern ubersat ist. Die Zaune weisen noch immer die Schaden der letzten Zombie-Attacke auf. Die Sporthalle ist mit behelfsma?igen Feldbetten vollgestellt, und die Luft stinkt nach Urin, altem Schwei? und Desinfektionsmittel.

Die Nacht zieht sich hin, insbesondere fur Lilly. Die ubel riechenden Korridore und Gange, welche die dunklen Gebaude miteinander verbinden, achzen und knarzen im Wind, wahrend Fremde sich in den Feldbetten in der dusteren Sporthalle hin und her walzen, husten, keuchen und fiebrig im Schlaf murmeln. Alle paar Sekunden schreckt ein Kind auf.

Irgendwann blickt sie auf das Bett neben sich, in dem Josh ruhig zu schlafen scheint, ehe er schlagartig aus einem Albtraum erwacht.

Lilly streckt den Arm aus und reicht dem gro?en Mann die Hand, die er dankbar annimmt.

Am nachsten Morgen sitzen die funf Neuankommlinge um Joshs Bett. Das fahle Sonnenlicht scheint durch die staubigen Fenster auf die Kranken und Verletzten, die noch in ihren Klappbetten zwischen besudelten Laken und Decken liegen. Lilly kann nicht anders, als an Szenen aus dem Burgerkrieg zu denken, an notdurftig zusammengeschusterte Feldhospizen und Leichenhallen. »Liegt es nur an mir«, beginnt sie leise, so dass nur ihre Gruppe sie horen kann, »oder kommt euch das Stadtchen auch irgendwie komisch vor?«

»Nein, es liegt nicht nur an dir – und das ist noch gelinde ausgedruckt«, antwortet Josh.

Megan gahnt und streckt sich. »Aber immer noch besser als Bobs kleiner Kerker auf Radern.«

»Da muss ich dir recht geben«, stimmt Scott ein. »Dann doch lieber so ein beschissenes Feldbett in einer stinkenden Sporthalle.«

Bob wirft Josh einen Blick zu. »Du musst schon zugeben, Captain … Allzu viel kann man nicht dagegen einwenden, dass wir uns hier ein wenig umsehen.«

Josh schnurt sich die Stiefel zu und zieht sich seine Holzfallerjacke uber. »Also, ich fuhle mich hier nicht besonders wohl.«

»Und woran liegt das?«

»Keine Ahnung. Aber ich finde, wir sollten das einen Tag nach dem anderen angehen.«

»Josh hat recht«, stimmt Lilly ihm zu. »Irgendetwas hier behagt mir auch nicht.«

»Was denn?« Megan fahrt sich mit den Fingern durch die Haare und lost die Knoten in ihren Locken. »Was kann man hier nicht mogen? Es ist sicher, es gibt genug zu essen und zu trinken. Au?erdem haben die Waffen wie

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