Kameraden lehnt, ihnen etwas erzahlt – etwas, das nicht fur alle Ohren gedacht ist – und mit frenetischem Lachen belohnt wird.
Die Manner scheinen beinahe hysterisch.
TEIL 2
So endet die Welt
Was Menschen Ubles tun, das uberlebt sie.
Das Gute wird mit ihnen oft begraben.
Acht
Der Konvoi halt zweimal auf dem Weg zur ummauerten Stadt an – zuerst an der Kreuzung der Highways 18 und 109, wo eine bewaffnete Wache sich kurz mit Martinez unterhalt, ehe sie ihn durchwinkt. Ein Haufen menschlicher Uberreste liegt in einem Graben. Der behelfsma?ige Scheiterhaufen raucht noch. Das zweite Mal werden sie von einer Stra?ensperre bei einem Stadtschild aufgehalten. Mittlerweile hat sich der Schneeregen zu nassem Schnee verdichtet, den der Wind fast horizontal uber den Schotter fegt – ein sehr seltenes Phanomen in Georgia Anfang Dezember.
»Sieht ganz so aus, als ob die Waffen im Uberfluss haben«, meint Josh vom Beifahrersitz aus, wahrend sie darauf warten, dass Martinez, der vier Autolangen vor Bobs Truck steht, und die beiden Manner in olivfarbenen Tarnanzugen und M1-Maschinengewehren endlich fertig geredet haben. Ihre Gesichter sind in Schatten getaucht. Der Schneeregen fallt, und die Scheibenwischer von Bobs Truck wischen in einem dumpfen Rhythmus vor sich hin. Lilly und Bob schweigen wahrend des Wortaustauschs, aber man merkt ihnen ihre Nervositat an.
Mittlerweile ist die Dunkelheit hereingebrochen, und das Fehlen des Stromnetzes wie auch das schlechte Wetter verleihen der Stadt etwas Mittelalterliches. Hier und da sieht man Feuer in alten Oltonnen, und Anzeichen eines vor Kurzem stattgefundenen Scharmutzels verunstalten die bewaldeten Taler und Kiefernwalder, welche die ummauerte Stadt umgeben. In der Ferne lassen die versengten Dacher, mit Einschusslochern ubersate Wohnwagen und kaputte Stromleitungen auf eine ganze Reihe scharf ausgetragener Konflikte schlie?en.
Josh bemerkt, wie Lilly ein mit Rost ubersates grunes Schild unter die Lupe nimmt. Es steckt in der wei?en, sandigen Erde, und im Scheinwerferlicht kann man folgende Aufschrift lesen:
WILLKOMMEN IN
WOODBURY
BEVOLKERUNG 1.102
Tja, diese Zahl durfte inzwischen nicht einmal mehr annahernd richtig sein, uberlegt Lilly. Sie wendet sich an Josh und meint: »Und? Welches Gefuhl hast du bei dem Ganzen?«
»Ich wei? noch nicht genau, es sieht aber so aus, als ob wir gleich neue Befehle kriegen werden«, erwidert Josh, als Martinez aussteigt.
Durch den Schnee sehen sie, wie er sich von seinem Kaffeeklatsch abwendet, den Kragen hochschlagt und auf sie zugeht. Er kommt ziel- und selbstbewusst daher, tragt aber noch immer sein 1000-Dollar-Lacheln in dem dunklen, markanten Gesicht. Er schlagt den Kragen erneut auf, als er sich zu Josh ans Fenster lehnt.
Josh lasst es runter. »Und? Wie sieht es aus?«
Martinez lachelt. »Wir brauchen vorerst eure Waffen.«
Josh starrt ihn an. »Tut mir leid, aber das geht unter gar keinen Umstanden.«
Das gesellige Lacheln verschwindet nicht. »Spielregeln der Stadt … Du wei?t doch, wie so etwas lauft.«
Josh schuttelt langsam den Kopf. »Nie und nimmer.«
Martinez schurzt die Lippen nachdenklich, ehe das Lacheln wieder in Erscheinung tritt. »Hm, kann nicht behaupten, dass ich es euch ubel nehme. Einfach so in etwas hineinstolpern. Aber ich mache euch einen Vorschlag. Konnt ihr zumindest das Luftgewehr im Truck lassen?«
Josh stohnt erleichtert auf. »Hm, das kriegen wir noch hin.«
»Und konnt ihr eure Waffen zumindest irgendwie verstecken? So dass man sie nicht gleich sieht?«
»Geht auch in Ordnung.«
»Okay … Wenn ihr eine kleine Tour haben wollt, konnte ich bei euch mitfahren. Habt ihr noch Platz fur mich?«
Josh dreht sich um und nickt Bob zu. Mit einem Achselzucken schnallt der alte Mann sich ab, steigt aus und zwangt sich dann auf die Ruckbank neben Lilly.
Josh steigt auf den Fahrersitz, und Martinez nimmt neben ihm Platz. Er riecht nach Rauch und Maschinenol. »Immer schon langsam, Kumpel«, mahnt er, wischt sich den geschmolzenen Schnee von der Stirn und deutet auf den Pritschenwagen vor ihnen. »Fahr einfach dem da hinterher.«
Josh gibt ein wenig Gas, und sie folgen dem Pritschenwagen durch die Stra?ensperre. Sie poltern uber eine Reihe von Bahnubergangen und dringen von Sudosten her in die Stadt ein. Lilly und Bob schweigen auf der Hinterbank, wahrend Josh sich umblickt. Zu seiner Rechten steht PIGGLY IGGLY auf einem zerbeulten Schild vor einem Parkplatz, der mit Leichen und Glasscherben ubersat ist. Der Lebensmittelladen ist auf einer Seite eingesturzt, als ob Dynamit ein Loch hineingeschlagen hatte. Entlang der Stra?e ist hoher Maschendrahtzaun gespannt, der aber bereits ausgebeult und voller Locher ist. Sie fahren den Woodbury Highway oder die Main Street hinunter – die Schilder behaupten sowohl das eine als auch das andere –, an deren Seiten uberall entsetzliche Brocken menschlicher Uberreste sowie verbogene und versengte Metallstabe und -gitter herumliegen. Die wei?e, sandige Erde gluht beinahe in der schneebedeckten Dunkelheit – ein unheimlicher Anblick, der an ein Kriegsgebiet in der Wuste erinnert.
»Wir hatten eine recht gro?e Auseinandersetzung mit einem Schwarm Bei?er.« Martinez steckt sich eine Viceroy an und kurbelt das Fenster etwas runter. Der Rauch schlangelt durch den Spalt in das Schneegestober und lost sich beinahe geisterhaft in Luft auf. »Die Sache war kurz davor, au?er Kontrolle zu geraten, aber wir konnen von Gluck sagen, dass die Vernunft gesiegt hat. Wir mussen gleich scharf nach links abbiegen.«
Josh folgt dem Pritschenwagen um eine Haarnadelkurve, um dann auf einer schmaleren Stra?e weiterzufahren.
In mittlerer Entfernung, hinter einem Schleier von Schneegestober, taucht das Zentrum Woodburys auf. Vier quadratische Hauserblocks aus Ziegel, wohl aus der Jahrhundertwende, und Stromleitungen, die uber eine Kreuzung gespannt sind. Daneben eine Ansammlung von Laden, Holz- und Mietshausern. Alles ist mit Maschendrahtzaun umsaumt und von erst kurzlich verlassenen Baustellen umgeben. Josh erinnert sich an die Zeiten, als man solche Gemeinden noch kleine Nester oder Kaffer genannt hat.
Woodbury ist ungefahr ein halbes Dutzend Hauserblocks breit und genauso lang. Gro?ere offentliche Bereiche sind in die Walder im Westen und Norden geschlagen. Aus einigen Schornsteinen steigen Schwaden von schwarzem Rauch auf, entweder die Abgase von Generatoren, Holzofen oder offenen Feuerstellen. Die meisten Stra?enlampen gehen nicht, nur einige wenige sind funktionstuchtig und werden offensichtlich mit Notstrom gespeist.
Als der Konvoi sich dem Zentrum nahert, bemerkt Josh einen Truck, der an einer der Baustellen anhalt. »Sind schon seit Monaten am Bauen der Barrikaden«, erklart Martinez. »Haben beinahe vier Hauserblocks umringt, wollen das aber noch ausbauen, die Mauer weiter und weiter nach au?en verschieben.«
»Keine schlechte Idee«, murmelt Josh kaum horbar, wahrend er den riesigen Wall aus holzernen Planken, Uberresten von Blockhutten, Hausverkleidungen und Kantholzern sieht. Er ist mindestens vier Meter hoch und verlauft entlang der Jones Mill Road. An Teilen der Barrikade sind noch immer Spuren der Zombie-Attacken zu