besa? den gleichen Humor. Er hatte einen sarkastischen Einzeiler nach dem anderen losgelassen, mit den Worten stets den Punkt getroffen – wenn er nicht gerade damit beschaftigt war, seine Familie mit seinen gro?en, schwieligen Handen windelweich zu prugeln.

Auf einmal kommt ein anderer Governor zum Vorschein – ein Teil von ihm, den er tief in sich begraben hat. Ihn ergreift eine Welle sentimentalen Verlangens, die ihn beinahe schwindlig werden lasst. Er erinnert sich an Ed Blake zu glucklicheren Zeiten – ein einfaches Arbeiter-Landei, der lang genug gegen seine Damonen ankampfte, um auch ein liebender Vater zu sein. »Du erinnerst mich an jemanden, den ich vor langer, langer Zeit einmal gekannt habe«, sagt der Governor mit sanfter Stimme und blickt Bob Stookey in die Augen. »Los. Es wird Zeit, dass wir etwas trinken.«

Den restlichen Weg durch die sichere Zone reden die beiden Manner ruhig, aber vertraut miteinander, ganz wie alte Freunde.

Der Governor fragt Bob, was genau mit seiner Frau passiert ist.

»Wir haben in diesem Wohnwagenpark gewohnt …«, beginnt Bob langsam mit dusterer Stimme, wahrend er uber die Stra?e humpelt und sich an die schweren Zeiten erinnert. »Die sind einfach gekommen, diese Biester, haben uns uberrannt … als ich zuruckkam, war es bereits zu spat. Sie haben es geschafft, die Tur zum Wohnwagen aufzubrechen.«

Er halt inne, und der Governor sagt nichts, geht einfach still neben ihm weiter, wartet.

»Die haben sich uber sie hergemacht. Ich habe sie verteidigt, so gut ich konnte … Und … die haben gerade mal so viel von ihr ubrig gelassen, dass sie selbst zum Zombie wurde.«

Noch eine lange Pause. Bob fahrt sich mit der Zunge uber seine trockenen Lippen. Der Governor erkennt, dass der Mann schnell einen Drink, seine Medizin braucht, damit er die Erinnerungen im Zaum halten kann.

»Ich konnte es nicht uber mich bringen, sie zu erlosen.« Das keucht er kaum horbar raus, seine roten Augen fullen sich mit Tranen. »Ich bin nicht stolz auf die Tatsache, dass ich sie am Leben gelassen habe. Bin mir recht sicher, dass sie danach noch den einen oder anderen gebissen hat. Ihren Arm und Unterleib hat es ganz schon erwischt, aber sie konnte immer noch gehen. Ich bin schuld daran, wenn sie andere Leute gebissen hat.«

Eine Pause.

»Es ist manchmal unmoglich, loszulassen«, gibt der Governor schlie?lich zu bedenken und blickt auf sein grassliches Bundel. Es tropft jetzt nicht mehr so viel, und das Blut wird dicker, dunkler, wie Molasse. Der Governor merkt plotzlich, wie Bob die Bluttropfen mit gerunzelter Stirn anstarrt. Er sieht beinahe nuchtern aus.

Bob deutet auf das schauerliche Bundel. »Du hast auch jemanden, der zur anderen Seite gegangen ist, richtig?«

»Du bist gar nicht so dumm … Oder, Bob?«

Bob wischt sich nachdenklich den Mund. »Bin nie auf die Idee gekommen, Brenda zu futtern.«

»Komm, Bob. Ich will dir etwas zeigen.«

»Stell dich mal kurz hinter mich, Bob.« Der Governor fummelt mit einem Schlussel, steckt ihn ins Schloss der Tur im ersten Stock. Die Tur klickt, und ein tiefes Knurren ertont. »Bob, ich ware dir dankbar, wenn du das, was du gleich sehen wirst, fur dich behalten kannst.«

»Kein Problem.«

Bob folgt dem Governor in eine kleine, sparlich moblierte Dreizimmerwohnung, die nach verwesendem Fleisch und Desinfektionsmittel stinkt. Die Fenster sind mit Rostschutzfarbe bemalt, ein gro?er Spiegel im Eingangsbereich ist mit Zeitungspapier abgeklebt. Der Spiegel im Badezimmer fehlt. Er muss erst vor Kurzem abgehangt worden sein, denn der helle Fleck hinter ihm an der Wand uber dem Waschbecken ist noch sichtbar. In der ganzen Wohnung gibt es keine Spiegel mehr, in denen man sich anschauen konnte.

»Sie bedeutet mir alles in der Welt«, erklart der Governor. Bob folgt dem Mann durch das Wohnzimmer, einen kurzen Flur entlang und durch eine Tur in eine vollgepackte Waschekammer, wo der aufrechte Leichnam eines kleinen Madchens an der Wand festgekettet steht.

»Um Gottes willen.« Bob weicht zuruck. Das tote Madchen – noch immer mit Zopfen und in einem Schurzenkleid, als ob man sie fur die Kirche herausgeputzt hatte – faucht, spuckt und kampft wild gegen die Ketten an. Bob tritt einen Schritt zuruck. »Um Gottes willen!«

»Immer mit der Ruhe, Bob.«

Der Governor kniet sich vor den Mini-Zombie und legt das Bundel auf den Boden. Das Madchen schnappt mit den Zahnen in der Luft, die schwarzen Zahne klappern. Der Governor packt einen Menschenkopf aus. Die Schadeldecke ist auf einer Seite von einem Schuss zerschmettert.

»Heiliger Bimbam.« Bob sieht, dass der Kopf – die graue Masse in seinem Inneren wimmelt von Maden – mit seiner Igelfrisur einmal einem Soldaten oder einem der Marines gehort hat.

»Das hier ist Penny – sie ist ein Einzelkind«, erklart der Governor weiter, als er den tropfenden Kopf in Richtung des angeketteten lebenden Kadavers schiebt. »Wir kommen aus einer kleinen Stadt namens Waynesboro. Pennys Mutter – meine wunderbare Frau, Sarah – kam bei einem Autounfall noch vor Ausbruch der Plage ums Leben.«

Das Madchen beginnt zu fressen.

Bob schaut von der Tur aus zu. Er hort das Geschlabber. »Mein Bruder Brian und ich – zusammen mit ein paar Freunden und Penny –, wir haben uns irgendwann aufgemacht, unser Gluck woanders gesucht. Sind nach Westen gezogen, haben uns ein wenig in Atlanta aufgehalten, ein paar Leute getroffen, ein paar Leute verloren, um dann weiter zu ziehen.«

Die kleine Leiche setzt sich und grabt mit ihren winzigen, rot gefarbten Fingern im Schadel nach den letzten Resten Gehirnmasse.

Die Stimme des Governors senkt sich. »Sind dann auf eine Bande Arschlocher getroffen, nicht weit von hier.« Es verschlagt ihm die Sprache. Aber keine Trane, und schon bald fangt er sich wieder. »Habe meinem Bruder aufgetragen, sich um Penny zu kummern, wahrend ich die Bande in Schach halte … Und dann ist eins zum anderen gekommen.«

Bob steht wie angewurzelt da. In dieser stickigen, gekachelten Kammer mit Aufputzrohren und von Schimmel geschwarzten Fugen kriegt er den Mund nicht auf. Er starrt auf die winzige Abscheulichkeit vor ihm, ihr grassliches Gesicht endlich zufrieden. Von ihren wohlgeformten Lippen hangen Faden von Gehirn, und ihre Augen verschwinden in den Hohlen, als sie sich zurucklehnt.

»Mein Bruder hat richtig Schei?e gebaut, versagt. Ich habe es ihm zu verdanken, dass meine Kleine jetzt so ist, wie sie ist«, fahrt der Governor fort. Sein Kopf hangt schlaff nach vorn, das Kinn auf der Brust. Emotionen schwingen in seiner Stimme mit. »Brian war schwach. Mehr gibt es zu dem Thema nicht zu sagen. Aber ich kann einfach nicht loslassen.« Er blickt Bob mit feuchten Augen an. »Ich wei?, dass du das nachvollziehen kannst, Bob. Ich kann mich nicht von meinem kleinen Baby-Madchen trennen.«

Bob kann das in der Tat nachvollziehen. Seine Brust verkrampft sich, als er voller Trauer an Brenda denkt.

»Ich bin ja selber schuld, dass Penny gestorben und so wiedergekommen ist.« Der Governor starrt zu Boden. »Ich habe sie mit Menschenresten gefuttert, und wir sind weiter gen Westen gezogen. Als wir in Woodbury ankamen, war mein Bruder Brian beinahe wahnsinnig vor Schuldgefuhlen.«

Die Kreatur, die einmal ein niedliches Madchen war, wirft den Schadel zu Boden, als ob es sich um eine aufgegessene Auster handelt. Sie blickt mit ihren milchig-wei?en Augen um sich, als ob sie aus einem Traum aufwacht.

»Ich habe meinen Bruder wie einen kranken Hund einschlafern mussen«, murmelt der Governor mehr zu sich selbst als zu Bob. Seine Stimme hat jegliche Farbe verloren. »Ab und zu erkenne ich meine Penny wieder. Gerade wenn sie so ruhig wie jetzt ist.«

Bob schluckt. Widerspruchliche Emotionen schwirren in ihm herum – Ekel, Trauer, Angst, tiefstes Verlangen, sogar Sympathie fur diesen kaputten Menschen –, und er lasst den Kopf hangen. »Du hast viel mitgemacht.«

»Schau dir das an, Bob.« Der Governor nickt dem kleinen Zombie zu. Die kindsartige Kreatur neigt den Kopf und starrt den Governor gereizt an. Das Ding blinzelt, und hinter den milchigen Augen scheint fur einen Augenblick etwas von Penny zu schimmern. »Mein Baby ist da noch drinnen … Nicht wahr, Kleines?«

Der Governor geht zur angeketteten Gestalt, kniet sich vor sie hin und streift ihr mit der Hand uber die bleifarbene Wange.

Bob erstarrt, macht den Mund auf: »Sei vorsichtig, du willst doch nicht …«

»Das ist ein gutes Madchen.« Der Governor streicht ihr uber die Haare. Der winzige Zombie blinzelt erneut.

Вы читаете The Walking Dead 2
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату