erwidert seine Geste – nicht unbedingt mit bedingungsloser Hingabe, mehr der platonischen Art –, und Josh uberlegt einmal mehr, ob er ihr zu viel zumutet. Oder hat die Tatsache, dass sie nun miteinander schlafen, eine Variable in einer komplexen mathematischen Gleichung verandert? Oder vielleicht wird er einfach nur ihren Anforderungen nicht gerecht? Sie scheint sich ihm gegenuber zuruckzuhalten. Nur ein wenig. Aber Josh verdrangt die Zweifel. Vielleicht liegt es ja nur am Stress.
»Konnen wir reden?«, fragt sie ihn und blickt ihn bedeutungsvoll an.
»Klar doch … Willst du mir wahrenddessen helfen?«
»Nach dir«, sagt sie und deutet auf den Eingang. Josh dreht sich um und tritt ein.
Der Geruch von totem Fleisch – vermischt mit der schimmligen, stickigen Luft des Lagers – fallt ihnen anfangs gar nicht auf. Auch bemerken sie den Spalt zwischen zwei Balken im hinteren Teil des Lagers nicht, das vollig ungeschutzt unweit des Waldrandes steht. Das Gebaude ist mindestens drei?ig Meter lang und in Dunkelheit getaucht, uberall hangen Spinnweben und Uberreste von Gleisen, die bereits so verrostet sind, dass sie den Anschein machen, als ob sie gleich zur Erde broseln wollen.
»Um was geht es denn, mein Kleines?« Josh geht zu dem in einer Ecke aufgestapelten Bauholz. Die zehn mal funfzehn Kantholzer sehen so aus, als ob sie von einer Scheune stammen – Nut und Feder weisen noch Spuren roter Farbe auf und sind mit Matsch verkrustet.
»Wir mussen weiterziehen, Josh, raus aus dieser Stadt … ehe etwas Furchtbares geschieht.«
»Bald, Lilly.«
»Nein, Josh. Ehrlich. Jetzt hor mir mal zu.« Sie zerrt an seinem Armel und stellt sich aufrecht vor ihn hin. »Es ist mir ganz egal, was Megan, Scott und Bob machen … Wir aber mussen hier weg. Es sieht vielleicht so aus, als ob alles wunderbar, gemutlich und malerisch ist, aber das ist nur oberflachlich! Darunter ist dieses Kaff am Verwesen.«
»Ich wei? … Ich muss nur …«
Er halt inne, als ein Schatten in seinem Augenwinkel vor dem mit Brettern vernageltem Fenster erscheint.
»O Gott, Josh. Du hast doch nicht …«
»Komm hinter mich, sofort!«, befiehlt er, als er gleich mehrere Sachen auf einmal bemerkt. Zuerst riecht er den Schimmel in dem alten Lager, hort die tiefen, kehligen Gerausche aus dem hinteren Teil des Gebaudes und sieht etwas Tageslicht durch einen Spalt in einer Ecke.
Am schlimmsten aber ist, dass ihm erst in diesem Augenblick einfallt, wo seine Pistole steckt.
Zehn
Genau im gleichen Augenblick ertont eine MG-Salve vor dem ehemaligen Eisenbahngebaude.
Lilly zuckt in der Dunkelheit des Lagers zusammen, und Josh wirft sich in Richtung des Bauholzes, als das mit Brettern verschlagene Fenster nach innen explodiert.
Drei knurrende Zombies – ihr Gewicht reicht aus, damit die alten Bretter nachgeben – sturzen in das Lager. Zwei Manner und eine Frau, alle mit tiefen Wunden im Gesicht, die Wangen aufgerissen, um das Zahnfleisch und die dunklen Zahne zu entblo?en, stolpern in die Dunkelheit. Das Lager wird erfullt von ihrem lauten Knurren und Geifern.
Josh hat kaum Zeit, das Schlurfen aus den hinteren Ecken wahrzunehmen, das langsam auf sie zukommt. Er dreht sich rasch um und sieht den riesigen Zombie in Latzhose, wahrscheinlich ein ehemaliger Bauer, dessen Gedarme wie schleimige Gebetsperlen aus dem Bauch hangen. Er taumelt durch den aufgewirbelten Staub langsam auf ihn zu, sto?t unkontrolliert in die Stapel alter Eisenbahnschwellen.
»LILLY, KOMM! ICH GEBE DIR DECKUNG!«
Josh schnappt sich ein gro?es Holzbrett und benutzt es als Schild. Lilly drangt sich an seinen Rucken. Ihre Lungen heben und senken sich rasch, sie fangt an, vor Entsetzen zu hyperventilieren. Josh hebt den Schild und macht sich in Richtung des gro?en Untoten auf. Er nahert sich langsam an, wird dann aber immer schneller.
Der Zombie sto?t ein geiferndes Grunzen aus, als Josh ihn mit dem Schild erwischt.
Der Aufprall des Holzbretts wirft den gewaltigen Zombie zu Boden. Josh holt Schwung und wirft sich mit dem Schild zuerst erneut auf ihn, ehe Lilly mit voller Wucht hinterherfliegt. Ihr gemeinsames Gewicht pinnt den Giganten am Boden fest. Seine toten Glieder zucken unter dem Schild, die angeschwarzten Finger krallen sich in das Holz, schnappen nach ihnen.
Drau?en ertonen die Alarmglocken im Wind.
»MOTHERFUCKER!«
Josh verliert vor Rage die Kontrolle, fangt an, das schwere Schild mit aller Wucht auf den Zombie zu rammen. Lilly kann sich nicht mehr festhalten und rollt zu Boden, als Josh mit seinen schweren Stiefeln auf den toten Schadel tritt. Dann widmet er sich dem Brett, springt mit voller Wucht darauf. Er fangt an, undeutliche Schreie von sich zu geben, und sein Gesicht ist vor Zorn vollig entstellt.
Endlich platzt der Kopf unter dem Schild, und das Gehirn spritzt hervor, als das grassliche Gerausch zerborstener Knochen an ihre Ohren dringt. Endlich hort der Zombie auf, sich zu bewegen. Unter dem Schild erscheint eine wahre Sintflut schwarzen Bluts.
All dies geschieht innerhalb weniger Sekunden. Lilly schreckt voller Entsetzen zuruck. Plotzlich ertont eine Stimme von der Stra?e her. Trotz der Lautstarke ist sie ruhig, gesammelt: »RUNTER MIT EUCH, LEUTE! LEGT EUCH AUF DEN BODEN!« Josh nimmt irgendwo in seinem Unterbewusstsein wahr, dass es Martinez ist. Zur gleichen Zeit erinnert er sich, dass drei weitere Zombies vom Eingang her auf sie zustolpern.
Er lasst von dem Schild ab, dreht sich um und sieht, wie die drei auf Lilly zutaumeln, die leblosen Arme nach ihr ausstrecken. Lilly schreit auf. Josh rennt zu ihr, sucht nach einer Waffe, findet aber nichts weiter au?er Sagemehl und kleinen Metallstucken auf dem Boden.
Lilly weicht zuruck, schreit auf, und ihr Brullen vermischt sich mit der drohnenden, autoritaren Stimme, die von drau?en ertont: »AUF DEN BODEN MIT EUCH, LEUTE! LEGT EUCH SOFORT AUF DEN BODEN!«
Endlich versteht Josh, und er schnappt sich Lilly und rei?t sie mit sich zu Boden.
Die drei toten Dinger stehen jetzt direkt vor ihnen, die Mauler aufgerissen, Sabber speiend. Sie sind ihnen so nahe, dass Josh ihren grasslichen, faulen Atem riechen kann.
Plotzlich erhellt sich die Vorderwand – eine Salve Maschinengewehrfeuer zerfetzt die Bretter, und durch jedes Loch stromt Tageslicht ein. Die Kugeln treffen die aufrechten Untoten in die obere Korperhalfte, lassen sie unfreiwillig in der Finsternis in einem bizarren Totentanz zucken und zappeln.
Der Larm ist unvorstellbar. Holzsplitter, Putz und verwesende Stucke Fleisch regnen auf Josh und Lilly herab, die sich die Hande uber den Kopf halten.
Josh kann seinen Augen bei dem Anblick der wild umherzappelnden Zombies kaum trauen. Sie hampeln, wackeln und strampeln zu einem arrhythmischen Beat, illuminiert von den Lochern in der Wand.
Schadel explodieren, die Fetzen fliegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Untoten sacken in sich zusammen und brechen einer nach dem anderen zu Boden. Die Schusse horen nicht auf. Dunne Streifen Tageslicht erhellen jetzt das Lager.
Dann legt sich Stille uber die Szene. Nur das gedampfte Klirren der verbrauchten Patronen, die auf den Boden fallen. Das entfernte Klacken der Waffe, die neu geladen wird. Keuchen.
Einen Moment lang passiert nichts.
Er wendet sich Lilly zu, die neben ihm liegt, sich an ihm festhalt, beinahe sein Hemd zerrei?t. Sie sieht aus wie erstarrt, das Gesicht hart zu Boden gepresst. Josh umarmt sie, streichelt ihren Rucken.
»Alles okay bei dir?«
»Super … Einfach fantastisch.« Sie scheint aus dem Albtraum zu erwachen, schaut auf die immer gro?er werdende Lache von Blut und Hirnbrei, auf die Uberreste der durchlocherten Leichen. Lilly setzt sich auf.
Josh erhebt sich, hilft ihr auf die Beine und will etwas sagen, als ein Knarzen vom Eingang seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das, was von der Tur noch ubrig geblieben ist, offnet sich.
Martinez lugt in das Lager. Er scheint es eilig zu haben, spricht rasch: »Bei euch alles in Ordnung?«
»Ja, wir sind unverletzt«, antwortet Josh und hort dann ein Gerausch in der Ferne. Wutende Stimmen erheben sich, werden von dem Wind an seine Ohren getragen. Dann ein unterdrucktes Krachen.