schmierigem Blut.
Josh hat bereits die Schlafzimmertur erreicht, rei?t sie auf und zerrt Lilly in das gro?e Zimmer. Er wirft die Tur hinter ihr ins Schloss. Die Stille und Ruhe im Schlafzimmer mit seinen Louis-XIV.-Mobeln, dem imposanten Himmelbett mit seiner luxuriosen Daunenbettdecke und Bergen von mit Spitzen bestuckten Kopfkissen bilden einen surrealen Kontrast zu der stinkenden, drohnenden Gefahr hinter der Tur am anderen Ende des Flurs. Die schlurfenden Schritte kommen naher, der Gestank dringt durch die Ritzen des Turrahmens.
»Komm rasch her, zum Fenster, Kleines! Ich bin gleich wieder da!!« Josh dreht sich um und eilt in das Badezimmer. Lilly tut wahrenddessen wie ihr gehei?en und wartet bei dem riesigen Erkerfenster. Sie kauert auf dem Boden, ringt nach Luft.
Josh offnet die Badezimmertur und sturzt in den opulenten, nach Seife duftenden Raum, der mit italienischen Kacheln, Chrom und Glas ausgestattet ist. Zwischen der Sauna und dem Whirlpool steht ein Schrank, in dem Josh eine riesige, braune Flasche voll Reinigungsalkohol findet.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen hat er sie geoffnet und steht wieder im Elternschlafzimmer, schuttet den reinen Alkohol auf die Vorhange, das Bett, den Teppich und das antike Mobiliar. Der Druck der Untoten gegen die Tur lasst das Holz knarzen – man kann ihr Zischen und Fauchen bereits horen –, so dass Josh noch schneller arbeitet.
Er wirft die leere Flasche zu Boden und springt mit einem Satz zum Fenster.
Vor dem wunderbar gearbeiteten Bleiglas, das in Samtvorhangen mit Quasten eingerahmt ist, steht eine riesige alte Eiche, die bis uber das Dach hinausragt. Ihre knorrigen Aste haben bereits ihr Laub abgeschuttelt und erstrecken sich majestatisch in alle Himmelsrichtungen. Und einer von ihnen reicht bis auf wenige Zentimeter an das Erkerfenster heran.
Josh kampft mit dem Fenster, aber die geschmiedeten Scharniere wollen sich zuerst nicht offnen. Dann schafft er es und brullt: »Los, meine Liebe! Zeit, das sinkende Schiff zu verlassen!« Er tritt gegen das Fliegengitter, reicht Lilly die Hand, zieht sie auf die Beine und uber die Fensterbank hinaus in die Eiseskalte. »Klettere den Ast zum Stamm entlang!«
Lilly streckt sich ungeschickt nach dem Ast aus, der so dick wie ein Schinken und dessen Rinde so rau wie Elefantenhaut ist. Verzweifelt halt sie sich fest und beginnt zaghaft, Richtung Stamm zu robben. Der Wind pfeift. Die sechs Meter bis zum Boden scheinen so weit entfernt, als wenn man falsch herum durch ein Fernglas schaut. Das Dach der Remise ist nicht weit weg, sie konnte beinahe draufspringen, und Lilly arbeitet sich Zentimeter um Zentimeter naher zum Baumstamm vor.
Hinter ihr verschwindet Josh gerade wieder im Schlafzimmer, als die Tur endlich nachgibt.
Zombies stromen in den Raum, stolpern hinein, fallen wie trunken ubereinander, strecken die Gliedma?en nach Josh aus, zischen und knurren. Einer, ein Mann mit nur noch einem Arm und einer kraterahnlichen Augenhohle, taumelt auf den gro?en schwarzen Mann zu. Josh steht noch immer am Fenster und fummelt krampfhaft in seiner Tasche herum. Die Luft bebt vor hungrigem Grunzen. Endlich findet Josh sein Zippo.
In dem Augenblick, als der Zombie sich auf ihn werfen will, zundet Josh das Feuerzeug und wirft es auf das mit Alkohol getrankte Bett. Es fangt sofort zu brennen an, und Josh wehrt den Zombie ab, tritt auf ihn ein.
Die Kreatur poltert auf das brennende Bett und walzt sich uber den mit Alkohol getrankten Boden. Die Flammen wandern bereits das Himmelbett hinauf. Mehr und immer mehr Untote drangen sich in das Schlafzimmer, angespornt durch das flackernde Licht, die Hitze und den Larm.
Josh verschwendet keine Zeit, dreht sich um und springt durch das offene Fenster.
Es dauert keine Viertelstunde, ehe das obere Stockwerk der glasernen Villa ganzlich den Flammen zum Opfer gefallen ist, und weitere funf Minuten, bis das ganze Haus in einer gewaltigen Feuersbrunst in sich zusammenbricht. Die Horde Zombies im Haus fallt den zungelnden und emporschie?enden Flammen zum Opfer, die von dem Methan ihrer verwesenden, untoten Korper nur noch weiter genahrt werden. Nach rund zwanzig Minuten sind mehr als achtzig Prozent der Schar aus dem Canyon der Feuersbrunst erlegen und zu verkohlten, brutzelnden Uberresten in der noch rauchenden Villa zusammengeschrumpft.
Wahrend dieser zwanzig Minuten wird klar, dass die Architektur des Hauses mit seinen eindrucksvollen Eckfenstern als Schornstein fungiert und das Feuer derart anfacht, dass es alles im Haus innerhalb noch nicht einmal einer halben Stunde verschlingt. Im Zentrum herrschen die hochsten Temperaturen. Die Flammen sengen die Blatter der umliegenden Baume an, verhindern aber auch gleichzeitig, dass das Feuer sich weiter ausbreitet. Die anderen Hauser in der Umgebung werden verschont, der Wind weht keinen einzigen Funken in die Nachbarschaft, und der eigentlich so auffallige Rauch bleibt hinter den Hugeln verdeckt, wird rasch verweht, so dass die Einwohner von Woodbury von dem Spektakel nichts mitbekommen.
Wahrend das Haus verbrennt, bringt Lilly genugend Mut auf, sich von dem niedrigsten Ast auf das Dach der Remise zu schwingen, ehe sie von dort die Hinterseite hinunterklettert, um vor der Hintertur der Garage zum Stehen zu kommen. Josh folgt ihr. Es gibt nur noch wenige Zombies, die von dem Inferno verschont worden sind, und Josh erledigt die gelegentlichen Streuner ohne weitere Probleme mit seiner .38er.
Er ladt die Waffe neu, benutzt seine letzten sechs Kugeln. Dann schleichen sie sich fort, halten sich dabei stets an der Mauer. Josh hat den Rucksack uber der Schulter. Sie kauern inmitten des Unkrauts in der Nahe der Garage und warten, bis auch der letzte Untote in Richtung Feuer und Larm getaumelt ist, ehe sie durch den Garten und in den angrenzenden Wald turmen.
Sie laufen von Baum zu Baum, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Die Zugangsstra?e verlauft sudlich von ihnen und wird vom schwindenden Tageslicht erhellt. Josh und Lilly halten sich aber stets im Schatten des ausgetrockneten Bachlaufs, der sich parallel zu der sich windenden geteerten Stra?e zieht. Sie arbeiten sich nach Osten vor, die sanfte Boschung hinab zur Stadt.
So laufen sie zwei Kilometer, verhalten sich wie lang verheiratete Eheleute, die sich gerade gestritten haben. Angst und das Adrenalin in ihren Adern werden jetzt von einer enormen Erschopfung abgelost.
Die Tatsache, dass sie gerade noch einmal davongekommen sind, zusammen mit der Feuersbrunst – all das hat Lilly in Panik versetzt. Sie zuckt bei jedem Gerausch zusammen, scheint nie genugend Luft in ihre Lungen saugen zu konnen. Standig liegt ihr der Geruch von Untoten in der Nase, und sie glaubt, Schlurfgerausche hinter jedem Baum zu horen – die aber vielleicht auch nur das Echo ihrer eigenen, muden Schritte sind.
Endlich biegen sie in die Canyon Road ein, und Josh sagt: »Das eine will ich noch klarstellen: Hast du gesagt, dass du mich nur ausnutzt?«
»Josh, das habe ich nie …«
»Weil ich dich beschutze? Und das war es? Mehr Gefuhle hast du fur mich nicht?«
»Josh …«
»Oder … oder hast du gesagt, dass du nur nicht willst, dass ich nicht
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Doch, Baby. So leid es mir tut, aber genau das hast du.«
»Das ist doch Schwachsinn.« Lilly steckt die Hande in die Taschen ihrer Cordjacke. Rauch, Asche und Dreck lassen das Material in der Spatnachmittagssonne in einem fahlen Grau erscheinen. »Ich will nicht mehr daruber reden. Ich hatte gar nicht erst damit anfangen sollen.«
»Nein!« Josh schuttelt langsam den Kopf und geht weiter. »So einfach kommst du mir nicht davon.«
»Was soll denn das schon wieder hei?en?«
Er wirft ihr einen Blick zu. »Glaubst du, dass das mit uns nur so eine vorubergehende Sache ist?«
»Wie bitte?«
»Wie bei einem Zeltlager? Wir gehen nach den Sommerferien einfach nach Hause, haben unsere Unschuld verloren, und das war’s?« In seiner Stimme klingt eine Scharfe mit, die Lilly noch nie zuvor bei Josh Lee Hamilton vernommen hat. Sein tiefer Bariton bewegt sich am Rande der Wut, sein bebendes Kinn lasst den Schmerz erahnen, der ihn tief im Innersten erschuttert. »Du kannst doch nicht einfach eine solche Bombe legen und dann so tun, als ob nichts gewesen ware.«
Lilly seufzt genervt auf, wei? nicht, was sie dazu sagen soll, und stapft weiter. Die Woodbury-Barrikade erscheint in der Ferne, dann das westliche Ende der Bauarbeiten, wo ein Bulldozer und ein kleiner Kran tiefe Schatten werfen. Die Arbeiter haben auf die harte Tour gelernt, dass Zombies – wie Fische – am liebsten in der Dammerung bei?en.
»Was zum Teufel soll ich denn sagen, Josh?«, fahrt Lilly ihn schlie?lich an.