formlich zu knistern. Jetzt stellt er sich in Pose. »Wollt ihr im Ring kampfen? Kein Problem! Ihr musst nur die Regeln brechen, und schon seid ihr dabei! Einfach nur die Regeln brechen!«

Er blickt in die Menge, wahrend er auf und ab stolziert, fordert sie mit seinem Blick heraus. Einige schauen einander an, andere nicken, wieder andere machen den Eindruck, als ob sie ihn fur den Erloser halten.

»Jeder, der gegen die Regeln versto?t, muss kampfen! Ganz einfach. Und wenn ihr nicht wisst, wie die Regeln lauten, konnt ihr fragen, das Schei?gesetzbuch lesen, in der Bibel nachschauen. ›Was du nicht willst, das man dir tu, das fug auch keinem anderen zu.‹ Die goldene Regel und so weiter. Aber hort mir gut zu: Sobald ihr auch nur ein bisschen zu viel Schei?e baut … steht ihr im Ring.«

Ein paar Manner brullen vor Begeisterung auf, und der Governor nimmt dies als Anlass, die Flammen noch weiter anzufachen. »Von jetzt an: Wenn ihr jemanden ficken wollt – wenn ihr gegen die Regeln versto?t, dann kampft ihr!«

Immer mehr Menschen stimmen in das Gegrole ein, das sich jetzt bis zum Himmel erhebt.

»Wenn ihr von jemandem stehlt, dann kampft ihr!«

Mehr Johlen, jetzt ein Chor redlichen Zorns.

»Wenn ihr die Alte vom Nachbarn fickt, dann kampft ihr!«

Noch mehr Brullen, die ganze Angst und Frustration kommt aus ihnen heraus.

»Ihr totet jemanden? Ihr steht im Ring!«

Das Jubeln schlagt um, und wutende Rufe hallen jetzt durch die Luft.

»Wenn ihr euch irgendwie Arger mit jemandem einhandelt – insbesondere, wenn jemand dabei umkommt –, dann kampft ihr in der Arena. Vor Gott. Bis zum Tod.«

Die Schreie legen sich und machen einer Mischung aus Beifall und Brullen Platz. Der Governor wartet, bis auch diese Welle der Begeisterung abebbt.

»Es fangt heute Abend an«, verkundet er, kaum lauter als ein Flustern, so dass das Megafon knackst. »Es fangt mit diesem Verruckten an, dem Typen, der das Lebensmittellager unter sich hatte – Sam der Metzger. Er glaubt, er ist Richter, Geschworene und Henker in einem.«

Plotzlich deutet der Governor zur Arena und ruft dann mit einer Organ, auf das ein Massenprediger stolz gewesen ware: »Wer mochte Vergeltung sehen? WER WILL RECHT UND ORDNUNG?«

Die Menge flippt aus.

Lilly blickt auf und sieht, wie plotzlich an die vierzig Menschen sich vom Marktplatz wegbewegen. Die Menge zieht laut durch die Stra?en – wie eine gigantische menschliche Amobe, die Fauste gen Himmel gestreckt, grolend und jaulend. Sie walzt sich in Richtung der Arena, die im Halbschatten des grellen, silbernen Lichts in zweihundert Metern Entfernung im Westen liegt. Lilly wird schon beim Anblick der Meute schlecht.

Sie wendet den Kopf ab und stammelt: »Bob, du … du kannst dich jetzt um die Leiche kummern.«

Er steht noch immer neben ihr, beugt sich zu ihr hinab und legt die Hand sanft auf ihre Schulter. »Bei uns ist er gut aufgehoben, Kleines.«

Lilly starrt ins Nichts. »Sag Stevens Bescheid, dass ich mich um die Beerdigung kummere.«

»Wird gemacht.«

»Wir bringen ihn morgen unter die Erde.«

»Hort sich gut an, meine Liebe.«

Lilly richtet den Blick wieder auf den Mob, der sich jetzt in die Arena drangt. Einen furchterlichen Augenblick lang kommen ihr Szenen aus alten Horrorfilmen in den Sinn, in denen wutende Burger mit Fackeln und Heugabeln Frankensteins Schloss sturmen, um das Monster zu lynchen.

Sie zuckt zusammen. Ihr wird klar, dass sie alle zu Monstern geworden sind – jeder Einzelne – inklusive Lilly und Bob. Genauso wie ganz Woodbury.

Dreizehn

Bob Stookey erliegt seiner Neugier. Nachdem er Lilly zuruck in ihre Wohnung uber der Chemischen Reinigung gebracht und ihr zehn Milliliter Schlafmittel gespritzt hat, schaut er bei Stevens vorbei. Sie schaffen Joshs Leichnam an seinen vorubergehenden Aufbewahrungsort in der behelfsma?igen Leichenhalle unter der Arena. Danach schleppt Bob sich zuruck zu seinem Camper, schnappt sich eine neue Flasche Whiskey und kehrt zur Arena zuruck.

Als er am sudlichen Eingang ankommt, schwellen die Rufe und das Getose der Menge an und ab wie Wellen, die am Ufer brechen. Der Larm wird durch die metallenen Streben und das Dach nur noch verstarkt. Bob kriecht durch den dunklen, feuchten Tunnel in Richtung Licht. Kurz bevor er ins Freie kommt, halt er inne, holt die Whiskeyflasche hervor und nimmt einen tiefen Schluck, um seine Nerven zu beruhigen. Der Whiskey brennt im Rachen, und seine Augen werden ganz wassrig.

Dann tritt er in die Arena.

Zuerst kann er nichts richtig erkennen, alles ist unscharf. In der Mitte sieht er verschwommene Gestalten hinter einem hohen Zaun, der sie von den Zuschauern trennt. Die Range zu seiner Linken und Rechten sind so gut wie leer. Die meisten Leute sitzen ganz oben, klatschen, johlen und strecken die Halse, um so viel wie moglich von dem Geschehen mitzukriegen. Das grelle Flutlicht brennt in Bobs Augen, und er muss blinzeln. Die Luft riecht nach verbranntem Gummi und Benzin, und Bob schielt in Richtung Rennstrecke, um zu sehen, was los ist.

Er geht zum Zaun und lugt durch den Maschendraht.

In der Mitte stehen sich zwei gro?e Manner gegenuber. Sam der Metzger, halb nackt in seiner mit Blut bespritzten Sporthose – mit Huhnerbrust und uber den Gurtel hangender Wampe. Er holt mit einem extra praparierten holzernen Stock aus und versucht, seinen Gegner damit zu treffen. Stinson, die gro?e, teigige Wache mittleren Alters, tragt eine Tarnhose, die von verschiedensten Korperflussigkeiten ganz dunkel geworden ist. Er stolpert, weicht aber dem Prugel aus. In seiner schmierigen Hand halt er eine funfzig Zentimeter lange Machete. Jetzt erwischt der Metzger Stinsons Gesicht mit dem Stock, in dessen einer Seite ein Haufen rostiger Nagel steckt, verpasst ihm damit tiefe Fleischwunden.

Stinson fallt hintenuber, und tiefdunkles Blut und rosafarbener Speichel fliegen durch die Luft.

Die Menge brullt emport, als Stinson uber die eigenen Beine stolpert. Staub fliegt in die Lichtkegel der Flutlichter auf, als er auf dem Boden aufkommt. Die Machete gleitet ihm aus den Fingern, landet unerreichbar im Sand. Der Metzger sturzt sich mit seiner Keule auf ihn. Nagel brechen durch Stinsons Haut, Hals, Halsschlagader und linke Brust, ehe er es schafft, beiseite zu rollen. Die Menge tobt.

Bob wendet sich ab. Er fuhlt sich nicht gut, ihm ist schlecht und schwindlig. Also nimmt er einen weiteren riesigen Schluck Whiskey. Der Alkohol lindert sein Entsetzen, das Brennen in der Kehle lenkt ihn ab. Dann setzt er erneut an. Und noch einmal. Endlich hat er genug, fasst genugend Mut, um sich das Gemetzel in der Mitte wieder anzuschauen. Der Metzger drischt auf Stinson ein, dass das Blut spritzt – so schwarz wie Teer im Flutlicht – und das braune Gras in der Arena wird immer dunkler.

Auf der breiten Sandbahn, die den Zaun umgibt, stehen an jedem Ausgang bewaffnete Wachen, die dem Abschlachten eifrig zuschauen. Sie tragen ihre Maschinengewehre stets schussbereit an den Huften. Bob nimmt einen weiteren Schluck und wendet sich von dem grasslichen Schauspiel ab, konzentriert sich stattdessen auf die oberen Range. Die riesige Leinwand bleibt dunkel. Sie wird nicht mit Strom versorgt, funktioniert wahrscheinlich auch gar nicht mehr. Die Glasscheiben der VIP-Boxen sind alle dunkel, die Boxen leer. Alle bis auf eine.

Der Governor und Martinez stehen in der mittleren Box und schauen sich das Spektakel mit undurchdringlicher Miene an.

Bob setzt erneut an, trinkt, bis er die halbe Flasche intus hat. Er wei?, dass er keinen in der Menge direkt anblicken will. Also mustert er die Gesichter der Bewohner Woodburys im Augenwinkel. Alle sind da, alt und jung, Mann und Weib, und jeder Einzelne ist von dem blutigen Gemetzel in den Bann gezogen. Viele von ihnen machen Fratzen, spiegeln die Manie wieder, die hier herrscht. Einige Schaulustige sind aufgestanden und wirbeln mit den Handen in der Luft herum, als ob sie zu Jesus gefunden hatten.

In der Mitte verpasst der Metzger Stinson einen letzten Hieb in die Nieren. Blut quillt, sprudelt hervor, und Stinson beginnt zu zucken, ist dem Todeskampf nahe. Keuchend, vor psychotischer Freude sabbernd, hebt der Metzger die Keule und wendet sich der Menge zu, welche mit begeisterten Rufen und Brullen antwortet.

Angeekelt, benommen und beinahe taub vor Entsetzen nimmt Bob Stookey noch einen Schluck Whiskey und

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