um einen Mann und eine Frau handelt … Allerdings fallt es ihm nicht leicht, die Bezeichnung Frau zu benutzen. Das Geschopf, das Penny am Kragen halt, gleicht eher einer androgynen Marionette aus Haut und Knochen. Sie tragt eine Lederhose und diverse Netzoberteile. Die Augen sind mit einem ru?igen Eyeliner geschminkt, sie hat stachelige Haare, und ihre Haut schimmert leicht grunlich gefarbt – wie die Haut eines Junkies. Nervos klopft sie mit dem Lauf ihrer Achtunddrei?iger auf ihren durren Oberschenkel.

Der Kerl neben ihr, der auf den Namen Sonny hort, macht ebenfalls den Eindruck, als ob er schon Bekanntschaft mit der Nadel gemacht hatte. Seine eingefallenen Augen starren aus einem pockennarbigen Gesicht, das ignorant und hinterhaltig wirkt. Sein ausgemergelter Korper steckt in alten Armeeklamotten.

»Ich mochte dir danken, Kumpel«, sagt der Glatzkopf, steckt die Neun-Millimeter in sein Gurtelhalfter und tut so, als ob die Kraftprobe jetzt offiziell beendet ware. »Ihr habt es euch hier recht gemutlich gemacht, das muss man euch lassen.« Er geht zur Spule und trinkt in aller Ruhe etwas Wasser aus einem Krug, der auf der Arbeitsplatte steht. »Das wird ein nettes Quartier fur uns.«

»Nette Plane«, meint Philip und macht keine Anstalten, seine Flinte zu senken. »Es gibt nur ein Problem: Wir konnen nicht noch mehr Leute aufnehmen.«

»Ach, das macht nichts, Kumpel.«

»Und was habt ihr dann vor?«

»Vor?« Der Glatzkopf spricht das Wort so aus, als ob er erst uberlegen musste. »Wir haben vor, euch die Hutte hier abzunehmen. Sonst nichts.«

Jemand, den Philip nicht sehen kann, kichert amusiert.

Philips Gehirn gleicht einem kaputten Schachcomputer, auf dem die Figuren wild hin und her tanzen. Er wei? genau, dass diese Kerle ihn und die anderen umbringen wollen. Er wei?, dass sie es mit Parasiten zu tun haben, die mit aller Wahrscheinlichkeit die Villa schon seit Wochen beobachtet haben. Offenbar litt Brian doch nicht unter Verfolgungswahn.

Es dringen weitere Gerausche an seine Ohren – gesenkte Stimmen, zerbrechende Aste –, und er zahlt rasch zusammen: Das sind mindestens sechs an der Zahl, vielleicht mehr, und sie haben vier Autos – wenn das reicht. Au?erdem scheint jeder eine Waffe und genugend Munition zu haben. Jede Menge Magazine und Schnelllader hangen an ihren Gurteln. Was ihnen jedoch anscheinend fehlt, ist Intelligenz. Vielleicht ist das Philips Chance. Selbst in den Augen des gro?en Glatzkopfs – allem Anschein nach der Anfuhrer – scheint das Wort »Dumpfkiffer« geschrieben zu sein. Diese Kerle kennen keine Gnade, jeder Vorschlag guter Nachbarschaft wird auf taube Ohren sto?en. Philip sieht nur eine Chance.

»Kann ich noch was sagen?«, fragt er. »Ehe ihr euch falsche Hoffnungen macht.«

Der Glatzkopf hebt den Wasserkrug, als ob er einen Toast aussprechen wollte. »Klar, Kumpel.«

»Die Sache kann so oder so ausgehen.«

Das scheint die Aufmerksamkeit des Glatzkopfs zu wecken. Er stellt den Krug ab und wendet sich Philip zu. »So oder so?«

»Ja. Die erste Moglichkeit ist, dass wir mit dem Ballern anfangen, und ich kann dir jetzt schon sagen, wie das ausgehen wird.«

»Mach es nicht so spannend.«

»Deine Leute werden uns uberwaltigen, und das war es. Aber eines kann ich dir versprechen – und so sicher bin ich mir in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen.«

»Und was ware das?«

»Ganz gleich was passiert – ich wei?, dass ich einen Schuss abfeuern werde, und das soll jetzt keine Geringschatzung dir gegenuber sein, aber ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass sich der Gro?teil dieser Stahlkugelchen in die obere Halfte deines Korpers bohren wird. Willst du jetzt die zweite Moglichkeit horen?«

Der Glatzkopf hat anscheinend seinen Humor verloren. »Raus damit.«

»Die zweite Moglichkeit lautet folgenderma?en: Ihr lasst uns hier heil raus, und wir lassen euch die Villa. Das erspart das blode Aufraumen nach der Schie?erei, und du darfst deinen Oberkorper und deinen Kopf behalten.«

Eine Zeit lang scheint alles gut zu gehen. Der Glatzkopf gibt die Befehle. Das Junkie-Paar – Philip hat sie mittlerweile Sonny und Cher getauft – lasst von Brian und Penny ab, sodass Brian das Madchen durchs Wohnzimmer zur Eingangstur tragen kann.

Die Abmachung, wenn man sie uberhaupt so nennen kann, lautet folgenderma?en: Philip und seine Leute konnen verschwinden, lassen aber alles zuruck. Brian sieht zu, wie Philip ruckwarts durch das Wohnzimmer auf ihn zukommt, die Flinte noch gezuckt. Zum Gluck haben sie dieses funktionslose Dekostuck! Nick folgt ihm. Die beiden treten neben Brian und Penny, und Brian offnet langsam die Tur.

Sie drangen sich einer nach dem anderen hinaus. Philip richtet die Waffe weiterhin auf die Eindringlinge.

Brians Gehirn verarbeitet alle Eindrucke auf einmal: den kalten Wind, das blasse Morgenlicht, das langsam uber die Obstplantage kriecht, die Silhouetten von zwei weiteren Schutzen zu ihrer Linken und Rechten sowie die Autos mit den Scheinwerfern, die wie Theaterstrahler die nachste Szene dieses albtraumhaften Stucks erhellen.

Von drinnen ertont die Stimme des Glatzkopfs: »Jungs! Lasst sie durch!«

Jeder der Schutzen, in heruntergekommene Tarnanzuge gekleidet und mit schwerer Artillerie bewaffnet, halt eine Flinte mit abgesagtem Lauf in der Hand. Sie beaugen Brian mit der morderischen Gier eines Raubvogels, als er Penny vorsichtig auf seinen Rucken hebt. Philip flustert ihnen so leise zu, sodass sie es gerade noch horen konnen: »Bleibt in meiner Nahe und folgt mir. Die wollen uns immer noch etwas antun. Macht genau das, was ich euch sage.«

Brian folgt Philip, der mit nacktem Oberkorper und erhobener Waffe uber den Vorplatz an einem der wachsamen Aufpasser vorbei auf den benachbarten Pfirsichbaumhain zulauft.

Es scheint eine halbe Ewigkeit zu dauern, als Philip die anderen uber das Anwesen und in die Schatten der nachsten Plantage fuhrt. Tatsachlich sind nur wenige Minuten vergangen, aber Brian Blake ist mindestens um funf Jahre gealtert. Er wei?, dass es mit der geregelten Ubergabe der Villa vorbei ist.

Hinter ihm ertonen beunruhigende Gerausche, wahrend er Penny so schnell wie moglich in die Sicherheit der Baume tragt. Er ist barfu?, und der steinige Boden zieht die Sohlen seiner Fu?e ganz schon in Mitleidenschaft. Wutende Stimmen ertonen aus der Villa, und Schritte auf der Veranda dringen an sein Ohr.

Der erste Schuss fallt, als sich Philip, Nick, Brian und Penny auf dem Pfirsichfeld verstecken. Die Explosion lasst die Stille des Morgens erbeben, und die Kugel schlagt in einen Ast keine funfzehn Zentimeter von Brians rechter Schulter entfernt ein. Holzsplitter regnen ihm ins Gesicht, und Penny schreit entsetzt auf. Philip gibt seinem Bruder einen Schubs. »LAUF!«, befiehlt er ihm. »LAUF, BRIAN! LAUF!«

Fur Brian Blake vergehen die nachsten funf Minuten wie in einem verwirrenden Traum. Hinter sich hort er weitere Schusse. Kugeln sausen durch das Laub, wahrend er tiefer in die rettende Dunkelheit taucht, die das schummrige Morgenlicht noch nicht durchdrungen hat. Brians geschundene nackte Fu?e tun ihm mit jeder Sekunde mehr weh. Sie versinken im weichen Boden aus herabgefallenem Laub und fauligen Fruchten. Er wei? vor Panik nicht aus noch ein. Penny zittert bei jedem Schritt und keucht vor Angst. Brian hat keine Ahnung, wie weit oder wohin er rennen oder ob er besser warten soll. Er lauft also immer weiter in die schutzende Dunkelheit der Baume hinein.

Nach ungefahr zweihundert Metern kommt er zu einem gro?en, umgefallenen Baumstamm, hinter dem er mit Penny in Deckung geht.

Keuchend holt er tief Luft. Sein Atem ist in der kalten Morgenluft gut sichtbar. Sein Herz schlagt ihm bis zum Hals. Er stellt Penny sanft auf den Boden neben sich.

»Immer schon geduckt bleiben, Kleines«, flustert er ihr zu. »Vor allem musst du ganz, ganz still sein. Okay?«

Der Schusswechsel hort einen Augenblick lang auf, und Brian riskiert einen Blick uber den Baumstamm. Durch eine Reihe von Pfirsichbaumen sieht er, wie eine Gestalt in etwa hundert Metern Entfernung auf sie zueilt.

Seine Augen haben sich inzwischen an die Dunkelheit gewohnt, sodass er einen der fremden Manner erkennen kann. In einer Hand halt er ein Gewehr, das er offenbar jederzeit abzufeuern bereit ist. Dann sieht Brian, wie eine Gestalt auf den ersten Mann zusprintet.

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